Ein Steinfund, evtl. ein Artefakt?

Sehr geehrte Mitglieder des Archäologie-Online-Forums,
als interessierterer Laie und ehrenamtlicher MA des Landesamtes für Denkmalpflege suche ich im Kraichgau bei Karlsruhe nach Steinartefakten als Oberflächenfunde. Daher lese ich gerne in Ihrem sehr informativen Forum die Beiträge bezüglich Funden und deren Interpretation und möchte nun auch gerne selbst einmal einen Fund zur Diskussion stellen.
Seit ca. 3 Jahren beobachte ich einen landwirtschaftlich genutzten siedlungsgünstigen Hügelkamm mit Lössboden in einem Umkreis von ca. 1000 m oberhalb einer Quelle im Kraichgau ca. 15 km entfernt von Karlsruhe. Dabei hatte ich bisher ca. ein dutzend Hornsteinartefakte gefunden und gemeldet. Bisher habe ich leider keinerlei Keramik an der Fundstelle gesehen. Die Objekte sind laut Einschätzung der zuständigen Archäologin fast alle neolithisch. Eines jedoch dürfte ihrer Einschätzung nach etwas älter sein (wahrscheinlich ein Rückenmesser, evtl. spätes Paläolithikum, Bild A). Das Silex-Material bei diesem Artefakt unterschiedet sich deutlich von den anderen. Es ist ein grauer durchscheinender und qualitativ hochwertiger Feuerstein.
Ca. 100 m von Fundort des Rückenmessers hatte ich unlängst noch ein weites aber weniger eindeutiges Objekt gefunden um dessen Einschätzung ich hier bitten würde (bis zum nächsten Treffen zur Fundbesprechung im Denkmalamt wird es vermutlich nach eine Weile dauern).
Es ist ein kleines ca. 20 mm langes Silexfragment (Bilder B1, B2 und B3). Eine Oberfläche erinnert von der Struktur her finde ich etwas an Zeichnungen von rückengestumpften Artefakten z.B. Rückenmessern oder anderen kleinen lithischen Spitzen (Bladelets, backed points, z.B. aus dem Azilien) auf Abbildungen in Büchern oder Veröffentlichungen. Aber die Form des Objektes ist weniger eindeutig. Auch fehlt eine scharfe Kante.
Die Frage wäre, ob dieses Objekt Ihrer Ansicht nach auch ein Artefakt sein könnte und ggf. von der Zeitstellung zu dem Rückenmesser, welches in unweit davon gefunden hatte, passen könnte.
Oder ist es doch eher natürlich entstanden bzw. kann eine Zuordnung als Lesefund ohne stratigraphischen Zusammenhang hier nicht belastbar erfolgen?
Ich freue mich sehr auf Ihre Einschätzung,
mit freundlichen Grüßen,
HappyHalloween




Hallo HappyHalloween,

interessante Funde zeigst du hier. Das erste sieht mir nicht nach einem Rückenmesser aus, die Retusche scheint mir zu flach. Ich sehe hier eine lateral retuschierte Klinge, die eventuell als Erntegeräteeinsatz gedient hat. Kannst du partiellen Glanz erkennen?
Das zweite Stück erschließt sich mir nicht. Die stumpfe Retusche scheint aber schon intentionell angelegt zu sein. Hat etwas von einem Kratzer.
Viele Grüße

Hallo SvenHorn,

vielen Dank für Deine Rückmeldung und das Interesse.

An der Klinge kann ich mich an keinen Glanz (Sichelglanz) erinnern. Kann aber im Moment leider nicht noch mal genauer schauen da sie beim Amt ist. Aber auf meinen anderen Fotos war nichts in der Art zu erkennen.

Das andere Stück würde sich definitiv gut als Kratzer eignen, die Kanten sind recht scharf.

An der Fundstelle hatte ich noch eine kleine Feuersteinkugel gefunden, Durchmesser ca. 20 mm. Kein Artefakt aber ein sog. „Klapperstein“ mit dem charakteristischen Loch und losen „klappernden“ Fossilienresten im inneren. Den Stein sollte es laut Mineralienforum natürlich z.B. an der Ostseeküste geben. Aber hier in Süddeutschland eigentlich nicht. Hast Du so etwas schon einmal im Zusammenhang mit Steinzeitartefakten gesehen? Vielleicht als Rohmaterial?

Vielen Dank und viele Grüße

Dass du so einen Klapperstein bei Karlsruhe gefunden hast, ist schon interessant! Selbst bei uns in Mitteldeutschland habe ich noch nicht von so einem Fund gehört, wobei es diese hier im nordischen Geschiebe durchaus geben könnte. Die Wahrscheinlichkeit, dass so ein Klapperstein den Eisdruck und das weite Verschieben ganz übersteht ist allerdings wohl eher gering. Aber in deiner Gegend dürfte er eigentlich nicht natürlich vorkommen. Als Rohmaterial kann ich mir den Winzling nicht vorstellen, aber eventuell ist er mit anderem Rohmaterial/Halbfabrikaten oder Geräten aus dem Norden eingeführt worden, da man seine “magische Eigenschaft” schätzte.
Der Silex in deiner Gegend sollte aber doch aus anderen Regionen kommen. Wobei gerade die Bandkeramiker weitreichende Beziehungen mit Materialtransport hatten. Leg diesen Stein doch auch mal beim Amt vor! Ich finde: Sehr interessant! :+1:
Viele Grüße

Moin,

Klappersteine habe ich einige an der Ostseeküste gefunden.

Meines Wissens nur dort natürlich vorkommend - Verschleppung durch Menschen ist gegeben, durch Geschiebe würde ich nicht ausschließen.

Zur Verwendung solch kleiner Flintkugeln siehe die Alternative “Maaseier”.

Quelle / Zitat:
Maasei­-Feuerstein kommt in der niederrheinischen Bucht hauptsächlich innerhalb der tertiären marinen Sande vor ( FLOSS 1994, 98­99). Durch tektonische Vor­gänge gerieten die Feuersteine an die Oberfläche und durch fluviatile Prozesse anschließend in die Terras­senschotter. Daher muß der Maasei-­Feuerstein für den Fundplatz als lokales Rohmaterial angesehen werden…

Gruß

Jürgen

Super, vielen Dank für die Rückmeldungen. Den Klapperstein hatte ich zusammen mit den anderen Funden bereits auch abgegeben.

Einen letzten Stein würde ich Euch gerne noch zeigen, der lag ein paar hundert Meter weit weg von der Fundstelle der beiden anderen Objekte. Der Stein hat mich ein wenig an Bilder von Faustkeil/Keilmesser o.Ä. erinnert, vielleicht liege ich auch daneben und es ist kein Artefakt… Material ist kein Silex, eher vielleicht Quarzit?

Ca. 5 km von der Stelle entfernt wurde jedoch mal tatsächlich ein Faustkeil bei einer Ausgrabung gefunden… Vielen Dank und viele Grüße, Heiko


Das Stück ist aber auch sehr interessant! Ein Faustkeil ist das nicht, das Artefakt steht für mich aber außer Frage. Zwar sehen einige Flächen und Grate nach einem Windkanter aus, das wird aber dem hohen Alter und Windschliff zu schulden sein. Es sieht nach einem Quarzit aus, schwieriges Material. Aber eindeutige Schlagbahnen gibt es doch schon.
Ich bin gespannt, was Jürgen dazu sagt!
Viele Grüße

Moin,

dazu wird “nicht viel” Fachliches von mir kommen Sven, wir “Nordmänner” sind für den Bereich schlecht aufgestellt, zumal dieses Material sehr eigenwillig ist.

Demgemäß ist mein “nicht viel” wenig aussagekräftig. Für mich ist es ein natürliches Geröll, was zwei zufällige Abschläge aufweist.
Steine mit Windschliff habe ich selbst ein paar gefunden, den kann ich auf diesem Geröll nicht sehen.

Das Stück müsste sich Bucentaur ansehen, der ist aus dem Süden und im Paläolithikum unterwegs.

Zu dem vermeintlichen “Rückenmesser” habe ich eine Nachfrage, haben Deine Archäologen das aufgrund der Fotos so eingeschätzt oder durch Inaugenscheinnahme?

Das ist allemal ein sehr schönes Artefakt - da ist noch mehr zu finden.

Die Einschätzung von Sven “Erntegeräteeinsatz” / “Einsatzmesserchen” ist naheliegend, wenngleich diese meist aus Klingen mit flachem, ~ trapezoiden Querschnitt sind - Glanz ist kein Muss, erleichtert uns lediglich die Bestimmung.

Gruß

Jürgen

Vielen Dank für Eure interessanten Rückmeldungen.

Würde mich sehr freuen wenn der Stein ein Artefakt wäre, bin mal gespannt…

Zum Rückenmesser: Die Bestimmung als Rückenmesser und die Einschätzung evtl. in Richtung Paläolithikum hatte ich nach der Übergabe der Funde erhalten, aber auch den Hinweis dazu, dass die Einschätzung bei Einzelfunden nicht immer ganz eindeutig ist. Daher wollte ich weitersuchen und sehen ob es noch weitere Hinweise für eine Nutzung der Stelle aus dieser Epoche gibt.

Der Querschnitt des „Rückenmessers“ ist eher dreieckig, ich kann aber nicht sagen ob es vollständig oder nur ein Fragment ist. Jedoch passt es vom Breite/Dicken-Verhältnis und der Form der Retuschierung sehr gut zu den Abbildungen im Kapitel Rückenmesser im Buch Steinartefakte von H. Floss.

Einen unretuschierten und auch dünneren Erntegeräteeinsatz(?) hatte ich aber dort (an der gegenüberliegenden Seite des Hegelkammes) bereits auch gefunden mit einem flachen trapezoiden Querschnitt, Bild anbei.
Viele Grüße, Heiko

erntemesser

Hallo,
danke Jürgen.
Ich schließe mich weitestgehend deiner Einschätzung an,
allerdings gebe ich zu Bedenken, dass gerade bei einem etwas fragwürdigen oder kniffeligen Fundstück die Qualität der Fotos sehr entscheidenden Einfluss nehmen kann.
Die Beurteilung würde erleichtert werden durch:
-Tageslichtaufnahmen

  • drei Fotos mit Maßstab, es wird dargestellt die Dorsal- und Ventralseite sowie eine
    Seitenansicht.

Danke im Voraus und
Grüße
Bucentaur

Servus Bucentaur,

Danke Dir. :+1:

Hier eine kleine Ergänzung zu den notwendigen Fotos.

Ganz kleiner, unvollständiger Exkurs zur Darstellung von Artefakten.

Wenn ich mal Zeit habe, erweitere ich den zum Antackern über die Rubrik “Funde / Objekte”.

Gruß

Jürgen

Hallo zusammen,
anbei schicke ich noch ein Bild entsprechend der Anleitung zur Darstellung von Artefakten, vielen Dank dafür. Das werde ich mir merken wenn ich mal wieder was finden sollte…
Viele Grüße, Heiko

Hallo,
vielen Dank für die neuen aussagekräftigen Fotos.
Leider handelt es sich um kein Artefakt!
Es sind keine Merkmale erkennbar die darauf schließen lassen könnten das es sich um ein Werkzeug handeln könnte. Die Bestoßungen, Abplatzungen usw. sehen insgesamt danach aus, durch natürliche äußere Einflüsse entstanden zu sein.
Bucentaur