Mittelalterliche Müllhalde?

Hallo erstmal, vorweg: ich bin ein Laie, also bitte um Gedult seitens der Fachleute Unterhalb einer eher kleinen aber bedeutenden Burganlage die zur Verteidigung wichtiger Handelswege gedient hat, habe ich zufällig eine Schutthalde mit allerlei Keramik und Essensresten entdeckt. Diese dürfte aufgrund von Waldarbeiten ans licht gekommen sein. Die Halde befindet sich direkt unter der Burgmauer (in dieser befindet sich auch eine ausgebrochene Fensteröffnung) in zimlich steilen Gelände. In lockerem recht dunklem Humus befinden sich eine große Anzahl an Keramikbruchstücken, Knochen und Überresten von Mahlzeiten sowie Muschelschalen (vorwiegend Austern). Die Keramik ist zum größten Teil schwarzgründig und dürfte hauptsächlich zu höheren Gefäßen, wie Töpfen und ähnlichem Haushaltsgeschirr gehört haben. Auffallen ist aber der große Anteil an glasierter rotgrundiger Keramik. Diese ist vielfach mit weißen Ornamenten verziert. Unter den Keramikscherben fanden sich auch ein figurales Fragemnt eines offenbar Herrschaftlichen Kachelofens sowie ein Topfkachel-Bruchstück. All diese Beobachtungen würden die Vermutung nahe legen, dass es sich bei dieser Ablagerung um die Abfallgrube der Burg handeln könnte. Allerdings habe ich auch einen Blau-Weiß-Gestreiften Tassenhenkel sowei ein weiß-glasiertes Keramikfragment mit blauen Blumen gefunden. Diese erscheinen mir doch etwas moderner. Mein Problem ist nun die Datierung dieses Müllberges. Die Burg wurde erst in der Franzosenzeit zerstört. Könnte diese Blau-Weiß-glasierte Keramik noch aus dem 18. Jhd. stammen oder ist diese später anzusetzen. Jetzt stellt sich die Frage, ob dieser doch recht interessante Schutt über mehrer Jahrunderte durch die Burgbewohner abgelagert wurde, oder erst in jüngerer Zeit an diesen Ort gelangte. Es ist nicht auszuschließen, dass sich ein ansässiger Bauer an dieser Stelle seines Hausmülls entledigt hat und ich möchte mich nicht blamieren, wenn ich die Landesarchäologie davon informiere.

Hallo! Zu der Datierung kann ich dir nichts sagen, denn ich bin ja kein Archäologe und habe die Fundstücke auch nicht gesehen. Ich kann dir nur sagen, daß die Historiker sich beim so genannten “Heidenloch” auf dem Heiligenberg bei Heidelberg bis heute nicht im Klaren sind, ob es sich um einen Müllschacht oder einen Opferschacht handelt. Ich hatte auch durch Zufall ein Bruchstück in der Art Terrakotta gefunden, viele sagten “das ist nichts”. Die Landesarchäologin sah das anders und bestätigte ein Alter aus der römischen Epoche. Mit anderen Worten: Ich würde einige Keramikstücke nehmen und vorab mit der Landesarchäologie telefonisch Kontakt aufnehmen, inwieweit Zeit/Interesse besteht, diese Stücke zu betrachten und Zusammenhänge zu besprechen. Wenn es nichts ist: Was solls!:wink:

Danke für die Antwort! Ich denke die blau-weißen scherben sind nach meiner Einschätzung doch recht jung. Vielleicht aus dem 19. Jhd? Das Zerstörungsdatum für die Burg entfällt auf 1797 attachment_98.jpg

Hallo. Die Burg ist aber sehr spät zerstört worden! Leider kann ich nichts zu der Keramik sagen, auch wenn sie einen “modernen” Eindruck macht und auch die Bemalung recht gut erhalten ist. Zusammenhänge per Ferndiagnose erkennen, das funktioniert nicht. Du hattest etwas von einem “herrschaftlichen Kachelofen” erzählt, eine Figur oder so. Hake doch da mal nach, suche nach Zusammenhängen, habt ihr ein Heimatmuseum? Viel Erfolg!

Die Archäologen, die ich konsultiert habe, haben das Alter der Scherben zwischen 13. und 18. Jhd. festgesetzt. Die Müllhalde ist wirklich erstaunlich. Soweit ich es beurteilen kann ist der Schuttkegel sehr tief, was an den Wurzelballen von umgefallenen Bäumen gut abzulesen war. Interessanterweise liegen auch verschiedene glasierte Topfkacheln von mindestens 2-3 verschiedenen Öfen und sehr viele Ziegelfragmente am ganzen Hang verteilt. Dazu jede Menge grautöniger Ware, sowei auch viel Glasiertes, massenhaft Tierknochen sowie Austern und andere Muschelschalen. Dabei handelt es sich bei der Burg von der der Abfall stammt um eine eher kleine Anlage, die offenbar nur von Pflegern bewohnt wurde. Möchte gar nicht wissen, wieviel man bei großen Burgen finden kann. Es ist wirklich schade, dass der Mittelalterarchäologie im gegensatz zur Klassischen so wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, dabei ist das Potential doch so groß.

Hallo Cat. Na also, das ist doch mal ein Anfang! Was mir so durch den Kopf gegangen ist, gab es vielleicht in der Burg oder in dazugehörigen Gebäuden eine Töpferei? Wenn die Scherben in so großen Mengen auftreten an einer Stelle, könnte es sich dann um absichtlich entsorgte Ware handeln, weil sie denen, die sie fertigten oder denen, die sie haben wollten, nicht gut genug erschien? Ich finde es überhaupt allgemein schade, daß für die Sicherung unserer Kulturgüter so wenig sinn und Geld zur Verfügung steht. Daß Archäologen/-innen, die mit dem Studium fertig sin, keine Stellen finden. Gleichzeitig aber kein Personal für die Sicherung von Fundstellen zur Verfügung steht. Dabei sagt man, sind ca. 70% der möglichen Funde in Deutschland noch gar nicht entdeckt. Aber das ist ein allgemeines Problem in unserem Land, daß quer durch alle Branchen geht. Aber es gibt ja noch uns historisch interessierte Hobbyarchäologen, die manchmal die Archäologen mit der Nase auf etwas stupsen.:wink:

Hallo, Das mit der Töpferei ist ein interessanter Gedanke, allerdings glaube ich bei dieser Burg nicht daran. Es handelt sich um eine sehr kleine Festung, die den Zweck hatte, einen wichtigen Handelsweg zu bewachen. Trotzdem ist es wirklich unglaublich, wie die Leute damals dort oben gelebt haben. Vor allem das glasierte Geschirr, von dem ich einige Scherben aufsammeln konnte ist nicht so ohne. Leider sind die Gefäße teilweise realtiv fein zerscherbt, also denke ich, dass die dort entsorgten Gefäße zur Burgausstattung gehörten und bei Beschädigung entsorgt wurden.

Hallo, Glückwunsch. Du scheinst da etwas Nettes entdeckt zu haben. Wenn die Funde zeitlich vermischt sind, wäre eine Deutungsmöglichkeit, daß sie sich nicht in der Originallage befinden. Sie könnten als Hausmüll in und vor der Burg entsorgt worden sein, mittelalterliche Waren und neuzeitliche Keramik und Fayence(?), und dann später abgerutscht oder bei der Zerstörung abplaniert worden sein. Wenn die Überlegung stimmt, kannst Du vielleicht noch die eigentliche Schutthalde/Kulturschicht weiter oben am Hang ausfindig machen. viel Spaß Uwe Müller

Hallo! Ich habe selbst eine ganz hübsche Sammlung mittelalterlicher Scherben vom 7- 16. Jh. verschiedener Fundstellen hier, alle vom Landesamt bewertet, allerdings aus dem nordwestlichen Mittelhessen. Bei Keramik kann man ja fast nicht kleinteilig genug die Landschaft kartographieren. Meiner Erfahrung nach sprechen deutlich bunte Glasierungen für eine Enststehung der Keramik ab dem späten 15. Jh, im 14. hatte man z.B. eine ganz charakteristische braun-lila-farbene Glasur, die fast wie Farbe aufliegt. Glänzende Glasurflächen sind später. Austern sprechen auch eher für das 17. - 18. Jh., würde ja zeitlich schön hinhauen. Wirklich mittelalterliche Scherben haben eine für den Laien fast nicht erkennbare, oder tatsächlich gar keine Glasur. Auch Kachelöfen sind erst typisch ab dem 15. und 16. Jh. Könntest du Bilder einstellen? Der Fund klingt ja interessant. Übrigens hatten im Hochmittelalter praktisch alle Burgen eine eigene Töpferei, eine Burg mußte ja möglichst autark sein. Und daß alle Scherben so wild durcheinander liegen, könnte am Abriß unter Napoleon liegen, dessen Truppen bekanntermaßen erst plünderten und alles, was sie nicht brauchen konnten, buchstäblich aus dem Fenster warfen.

Die Theorie mit der Müllhalde hat sich bestätigt. Ich habe sie unserem Stadtarchäologen gezeigt. Leider haben wir sie völlig durchwühlt vorgefunden. Offenbar sind auch Sondengänger an so etwas interessiert. Offenbar dürfte die Ruine und der ganze Berg ein besonders beliebtes Jagd-Revier sein. Ich persönlich finde die Scherben mindestens genauso interessant wie das Metall. Falls ihr euch für Burgen interessiert, muss ich gleich ein bissl Werbung für Martin Aigners Burgenforum machen: http://www.burgenseite.com/forum/index.php leider ist es vor kurzem einem Terroranschlag zum Opfer gefallen und erst wieder im Aufbau

Hier noch ein paar bilder von den interessantesten Funden. attachment_109.jpg attachment_98.jpg attachment_111.jpg