Studienwahl

Hi, ich hab ein paar Fragen zur Studienwahl bzw. zu den Berufsaussichten. Zur Zeit mache ich eine kufmännische Ausbildung, möchte aber danach studieren. Da ich mich sehr für Geschichte und Archäologie, und da besonders für die frühe Geschichte und das Mittelalter interessiere, würde ich dann gerne Früh- und Urgeschichte, Archäologie und Völkerkunde studieren. Leider weiss ja jeder, das die Berufsaussichten in den Geisteswissenschaften nicht besonders gut sind. Meine Ausbildung habe ich nur angefangen, um eine Sicherheit zu haben, da ich mir nach meinem Schulabschluss nicht sicher war, ob ich lieber etwas machen soll, was mich wirklich interessiert, oder etwas, bei dem man später die Möglichkeit habe, eine Job zu finden. Ich habe mich zunächst für das letztere entschieden, bin damit aber nicht sehr glücklich geworden. Das möchte ich auf jeden Fall nach meiner Ausbildung ändern, habe aber Angst, ins “Leere” zu studieren. Jetzt meine Frage: Welche Möglichkeiten habe ich nach Abschluss eines solchen Studiums? Könnt ihr mir vielleicht erzählen, wie es euch während bzw. nach des Studiums ergangen ist? Alles zu dem Thema interessiert mich brennend… cu, der Klemmkeil…

Hi Klemmkeil, na, da hat man Dich aber offenbar eine ganze Weile hängen lassen. Gut, dann schau ich Mal, ob ich Dir helfen kann. Gleich als allererstes einmal muss ich mit einem weitverbreiteten Missverständnis aufräumen: GeisteswissenschafterInnen haben keineswegs schlechte Berufsaussichten. Sie haben nur schlechte Chancen, in dem Beruf, in dem sie tatsächlich ausgebildet wurden, einen Job zu finden, weil es in den Geisteswissenschaften nun Mal nur recht wenige Jobs gibt. Ansonsten sind aber GeisteswissenschafterInnen generell aufgrund ihrer hohen Flexibilität recht erfolgreich bei der Jobsuche. Zur Frage, welche Möglichkeiten Du nach dem Abschluß eines solchen Studiums hast: siehe die Jobbörse des österreichischen Archäologieforums auf http://archaeologieforum.at/jobnew.php. In den letzten 8 Monaten sind dort beinahe 200 Jobs in der Archäologie nahestehenden Bereichen ausgeschrieben worden. Das sind noch immer weit weniger Jobs, als momentan in den Ländern, aus denen es Jobs in der Jobbörse gibt, Leute Archäologie studieren, aber es ist trotz allem nicht schlecht (vor allem, weil die Liste des Archäologieforums natürlich keineswegs vollständig ist). Eine Analyse des Jobmarkts in der Archäologie wird demnächst auch hier auf Archäologie Online erscheinen. Auch ist anzumerken, daß, mit dem richtigen Einsatz, sich so mancher Archäologe seinen eigenen Job schaffen kann. Es gibt viele “Marktnischen”, in denen man sich hier etablieren kann, wenn man hart arbeitet. Und an persönlichen Erinnerungen, was kann ich da bieten? Nun, während meines Studiums habe ich mich Großteils mit diversen Grabungsjobs im Sommer und Zeichenjobs im Winter über Wasser gehalten, wo mir Familienzuwendungen nicht ausgereicht haben. Während des Doktorratsstudiums habe ich dann eine Weile bei der Gemeinde Wien einen Vollzeitjob im Jugendamt gehabt, um ein bisserl Pensionsjahre zu sammeln und auch ein einigermaßen fixes Einkommen zu haben, habe daneben aber auch an der Uni in Wien diverse Lehrveranstaltungen in der Keltologie zu halten begonnen. Irgendwann einmal ist es mir dann zu blöd geworden, tagtäglich in das Jugendamt zu gehen und Leute zu verklagen, und ich hab mich für ein paar Stellen außerhalb meines Heimatlandes Österreich beworben und promt auch eine davon bekommen, und zwar einen Foschungsposten an einem britischen (walisischen) Forschungsinstitut. Von dort aus bin ich dann nach einer Weile auf einen Professorenposten an der University of Wales Bangor übersiedelt, wo ich auch im Augenblick sitze. Damit ist es mir natürlich einigermassen gut ergangen - ich bin einer der Glücklichen, die auf einem sehr angenehmen und recht sicheren Posten sitzen. Das ist sicher nicht das, was man sich erwarten kann, wenn man Archäologie studiert. Andere können Dir sicherlich ganz andere und weit weniger erfreuliche Karrierewege schildern. Dennoch denke ich, daß die meisten Personen, die Archäologie studiert haben, mir zustimmen würden, dass sich das Archäologiestudium - ob nun archäologischer Job oder nicht - durchaus gelohnt hat. Ganz allgemein kann ich Dir nur raten, wenn Dich etwas brennend interessiert, dann mache lieber das, egal wie die Jobaussichten in dem Bereich sind, statt Deine Zeit auf eine Ausbildung zu verschwenden, die Dich doch nicht interessiert und wo Dir auch niemand einen Job garantieren kann - weil Jobgarantien gibt es nirgendwo. Und man hat immer bessere Jobaussichten in einem Berufsfeld, von dem man selbst begeistert und überzeugt ist, für das man den nötigen Enthusiasmus mitbringt, und auch den Willen hat, wirklich etwas weiterzubringen, als in einem Beruf, für den man sich nicht wirklich interessiert. Wer auf Sicherheit spielt, verliert letztendlich immer… Liebe Grüße, RAY