Vineta...

Guten Abend! Mit der gleichen schuechternen Anfrage habe ich mich eben schon im Forum fuer “alternative Theorien” versucht. Womoeglich bin ich ja in beiden nicht ganz richtig? Ich bin neu hier im Forum und ausserdem ahnungsloser Amateur. Fuehle mich dementsprechend verlegen und wuesste trotzdem so gern: Gibt es hier Menschen, die das Thema Vineta interessiert? Oder ist das tatsaechlich nur etwas fuer Amateure? So oder so - ganz herzliche Abendgruesse aus London von Charlie.

Hallo Charlie, mach Dich doch ein bißchen kundig und leiere hier eine Diskussion an. Als Einstieg könntest Du ein Buch nehmen, daß Profis zum Thema geschrieben haben: Klaus Goldmann, Günter Wermusch: Vineta. Die Wiederentdeckung einer versunkenen Stadt. 2001 viel Spaß Uwe Müller

Lieber Uwe Mueller! Ganz herzlichen Dank fuer Deine Antwort. Ich dachte schon, auf meine ziemlich linkische Anfrage meldet sich niemand mehr… Das Vineta-Buch von Goldmann/Wermusch habe ich gelesen - ich fand es hochinteressant und, soweit ich das als Laie ueberhaupt beurteilen kann, ueberzeugend. Ausserdem habe ich noch ein Buch von Ingrid Langer gelesen. Und jetzt sitze ich fest und finde nicht mehr viel… Deshalb frage ich dreist nach: Gibt es noch weitere Literatur, die Du empfehlen koenntest. Ich waere nicht nur an Buechern interessiert, die sich speziell mit Vineta und vor allem der Standortfrage beschaeftigen, sondern auch an der Region an und fuer sich - gibt es vielleicht etwas ueber das 11./12. Jahrhundert in Pommern, ganz besonders ueber Gebiete, die - wie vermutlich Vineta - noch nicht christianisiert waren? Ich finde das sehr spannend, denn es war mir ganz neu, dass es solche Gebiete in der Region so spaet ueberhaupt noch gab. Leider finde ich - wie gesagt - mit meinen Methoden (Internet, wohne in London und bin somit etwas “behindert”) gerade kein weiteres Material. Ueber jeden Tipp wuerde ich mich riesig freuen! Ein schoenes Wochenende und herzliche Gruesse aus London! Charlie.

Hallo Charlie, ich fand die Anfrage nicht linkisch. In England kann es schon etwas schwieriger wrden, Literatur zu den Slawen aufzutreiben. http://www.praehist.uni-halle.de/studium/ws02/ws02wendelVS.htm Hat eine Auswahlbibliographie zum Thema Slawen, da musst du einfach mal versuchen, an was Du rankommst. Chr. Lübke (Hg.), Struktur und Wandel im Früh- und Hochmittelalter. Eine Bestandsaufnahme aktueller Forschungen zur Germania Slavica., Stuttgart 1998. und ders. Heidentum und Widerstand: Elbslawen und christliche Staaten im 10. bis 12. Jahrhundert, in: P. Urbanczyk (Hg.), Early Christianity in Central and East Europe, Warszawa 1997, S. 123-128 sprechen Deine Fragen vermutlich direkter an. viel Spaß und Grüße nach London Uwe Müller

Vielen, vielen Dank! Das hoert sich an, als sei es genau das, was ich gesucht habe. Werde sofort in Deutschland ansaessige freundliche Helfer auf die Suche nach den beiden Buechern ansetzen und kann es kaum erwarten, sie zu lesen. Hast Du selbst ein spezielles Interesse an dem Zeitraum/der Region? Ich bedanke mich jedenfalls noch einmal herzlich und sende viele Gruesse aus London Charlie.

Hallo Charlie, ich interessiere mich für den Übergang von der slawisch geprägten zur deutsch geprägten Kultur um das mal vorsichtig auszudrücken, also 12. bis 13. Jh. Ich arbeite speziell im Raum um Berlin. Für speziellere viel Spaß Uwe Müller

Hallo, hier ist noch ein Buch mit dem Thema Vineta : http://home.t-online.de/home/Dr.Heinz.Gundlach/vineta.htm Ich hoffe ich konnte dir damit etwas helfen ! D.V. :wink:

Hallo zusammen. Ich habe das Buch von Goldmann zum Thema “Vineta” auch gelesen. Ich halte das historisch nachweisbare für glaubwürdig, daß Vineta sich in der Gegend der heutigen Stadt “Barth” befand. Sehr spannend und interessant, aber auch viele Mythen drehen sich um das Thema Vineta.

Hallo Charlie, hier erst noch mal eine Zusammenfassung von Goldmann selbst: http://www.entdeckemv.de/region\_darss/themen\_orte/orte/barth/vineta\_goldmann2002.pdf

Nein, Vineta ist eigentlich auch was für “Professionelle”. Aber da die sich natürlich lieber mit ´was handfestem befassen wie Funden und Befunden und es damit bei Barth nun mal ziemlich dünn aussieht - sagen wir mal besser: bisher gar nichts :-*> - bleibt es bei der reinen Theorie. Auch Goldmanns frühere Thesen wie “Märkischer Weizen für Byzanz” sind ja alles andere als umumstritten. :wink: Der polnische Archäologie Professor Filipowiak - und mit ihm wohl die meisten MittelalterhistorikerInnen und ArchäologInnen - hält Wolin (Wollin) auf dem polnischen Teil von Usedom für Iumne bzw. Vineta. Und auch die These hat meines Erachtens viel für sich, denn da gibt es zumindest eine Menge von Funden und Befunden der entsprechenden Zeitstellung. Sowohl durch Siedlungs- als auch durch Grabfunde, die seit den 1930er Jahren ausgegraben werden, sind z.B. Skandinavier nachgewiesen, die hier lebten. Wolin war einer der bedeutensten multhiethnischen Seehandelsplätze an der südlichen Ostseeküste. Auch die Schriftquellen würden meiner Meinung besser auf Wolin passen. Wir hatten mit einer Reihe von ArchäologInnen das Thema schon mal vor längerer Zeit, 1999, in der Mailingliste arch-de diskutiert. Ich schrieb Dir mal eine kurze Zusammenfassung:

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“Sie (die Woliner) haben eine große Stadt am Weltmeer, die 12 Tore und einen Hafen hat, und sie verwenden für ihn Reihen Klobenholz” Ibrahim ibn Jacub, Bericht über die Slawenländer, überliefert durch Abu Obaid Abdallah al-Bekri S. 14 in:V.v.Geramb / L. Mackensen, Hrsg. “Arabische Berichte von Gesandten an germanische Fürstenhöfe aus dem 9. und 10. Jahrhundert”. Quellen zur deutschen Volkskunde 1, Berlin, Leipzig 1927 …

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Gehe ich richtig in der Annahme, dass Semland Samland ist? Wenn ja, waere es ja auch ein ganzes Stueck weg von Barth - dazwischen muesste es doch auch noch irgendwas Interessantes fuer Adam gegeben haben. Wolin und der “alte” Oderlauf waeren da doch schon naeher dran. Zumindest eine Nachricht von “Wolin” - wie auch immer es geheissen haben mag - duerfte, konnte, sollte doch an Adam herangedrungen sein. > ist das eine “kurze Überfahrt”? Von Wollin bis zur Peenemündung ist > es hingegen tatsächlich nur eine lockere Ruderpartie. Deshalb (nicht direkt deshalb, aber auch wegen der Nennung) geht Goldmann ja nun auch davon aus, dass die Peene einst “andersrum” floss: “Mit Satellitenhilfe ließ sich nun endlich Adam von Bremens Beschreibung nachvollziehen, wonach Vineta an einer Odermündung in der Nähe Rügens gelegen habe. Die Oder sei nämlich ursprünglich über Randowgraben, Peene, Trebel und Recknitz in die Ostsee geflossen - also nicht von West nach Ost, sondern umgekehrt: als Folge pommerscher Deichwirtschaft.” http://www.geo.de/wissen/98/08/PhantomOstsee.html Sorry, mehr als den Netzartikel kann ich im Moment nicht zitieren. Damit laege Demmin wieder an der Peene und Adam haette sich nicht geirrt - so Goldmann. Nur - wenn die Oder im Bett der heutigen Peene fliesst, warum heisst sie dann noch “Peanis” und nicht “Oddara”? Bzw - wo ist dann die “alte” Peene und an welchem Fluss liegt eigentlich der Hafen von Wolin? Das sind vielleicht nicht unbedingt so sinnvolle Fragen, weil ja so ein Fluss problemlos am Mittellauf anders heissen kann als an der Muendung, aber sie schossen mir gerade durch den Kopf.

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Gleich gehts weiter ;-). Viele Grüße Krtek

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Nordkurier Lokales 15.3.1999 10:22 http://www.nordkurier.de/usedom/heute/vineta/vineta.html Vineta-Ausgräber steht zu seiner Theorie Professor Filipowiak Gast im Wolgaster Museum - Barther Hypothese bleibt unerwähnt Wolgast (EB/U. Quosdorf). An der Küste der Insel Usedom gab es vor vielen Jahren eine große Handelsstadt. Sie war so reich, daß sie in Europa nicht ihresgleichen hatte. Ihre Häuser, aus Marmor gebaut und mit vergoldeten Dächern, glichen kleinen Palästen. Im Hafen lagen hunderte Schiffe, und Kaufleute aus aller Herren Länder boten ihre Waren feil. Doch ihr Reichtum machte die Bewohner stolz und übermütig. Und weil sie alle Warnungen mißachteten, versank die Stadt mit Mann und Maus in den Fluten. Soweit die Sage von Vineta, die nicht nur auf Usedom jedes Schulkind kennt. Doch was ist 'dran an der Legende? Gab es die Stadt tatsächlich? Und wo ist sie zu suchen? Nach den Ausgrabungen, die seit Anfang der 50er Jahre durch Professor Wladyslaw Filipowiak auf der Usedomer Nachbarinsel Wollin betrieben wurden, schien die Sache klar. Anhand zahlreicher Funde konnte Filipowiak nachweisen, daß dort einst eine große Hafenstadt stand, die im 10./11. Jahrhundert ihre Blütezeit erlebte, aber nach ihrer Zerstörung Ende des 12. Jahrhunderts nur noch lokale Bedeutung hatte. Doch im vergangenen Jahr haben zwei Berliner Forscher die Diskussion um Vineta neu entfacht. Ihre Hypothese: Die sagenhafte Stadt müsse im Barther Bodden gesucht werden, wo sich damals ein vierter Mündungsarm der Oder befunden haben soll. Den richtigen Wirbel gab es allerdings erst, als bekannt wurde, daß sich die Barther die Namensrechte für “Vineta” patentrechtlich schützen ließen. Sandbank-Erklärung Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, wenn am Samstag der Vortrag von Professor Filipowiak im Wolgaster Museum auf großes Intesse stieß. Sein Thema “Wo lag Vineta wirklich?” Dabei erläuterte Filipowiak, daß die Bezeichnung Vineta erst lange nach dem “Untergang” der Stadt - womit eher das Verschwinden in der Bedeutungslosigkeit gemeint sein dürfte - popularisiert wurde. Zuvor sei in zeitgenössischen Beschreibungen, etwa bei Adam von Bremen, nur von Jom oder Jumne die Rede. Das Wort stamme aus dem Skandinavischen und bedeute soviel wie “Sandbank”. Und auf einer solchen sei die Stadt ursprünglich erbaut worden. Zwar mogelte sich Filipowiak letztlich um eine eindeutige Aussage - “Alle Ideen sind offen, bis wir eine Tafel finden: Hier liegt Vineta” -, doch in seinem Vortrag ließ er keinen Zweifel daran, daß für ihn Vineta “mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit” mit Wollin identisch ist. Die Barther Hypothese erwähnte er jedenfalls mit keinem Wort. © Nordkurier-Online 1998-2000 [/Quote]

Als das Thema vor 5 oder 6 Jahren auf den Tisch kam, war den Meldungen zufolge auch der Landesarchäologe von Mecklenburg-Vorpommern F. Lüth von den neuen Theorien sehr angetan: http://archiv.berliner-morgenpost.de/bin/bm/e?u=/bm/archiv1998/980618/aus_aller_welt/story02.html “Um diese These und damit auch Vinetas möglichen Platz bei Barth zu beweisen, wollen die Schweriner Archäologen noch in diesem Jahr bis zu fünf Meter tiefe Bohrungen im Peenetal niederbringen. Anhand der Sedimentschichten am Flußgrund sind dann Aussagen zur früheren Fließrichtung möglich. Ließe sich damit die Theorie von der Lage Vinetas im Barther Bodden erhärten, soll nach dem Willen der Experten schließlich ein länderübergreifendes oder sogar internationales Forschungsprojekt zur Suche nach dem versunkenen “Venedig des Ostens” im Barther Bodden starten. Mit Sonargeräten müßten zunächst die meterdicken Schlickmassen in der Meeresenge bei Barth sowie im Flachwasser bei Zingst nach Spuren der Stadt durchwühlt werden, die nach den jüngsten Schätzungen vom 8. bis zum 12. Jahrhundert exsitierte.” Seitdem habe ich davon aber nichts mehr gehört. Entweder gab es das Projekt nie oder es ist nicht dabei rausgekommen. Auf der Webseite der Stadt Barth steht jedoch “Die Forschungen vor Ort dauern noch an.” - was auch immer das heißen mag. http://www.stadt-barth.de/geschichte/vinetanews.html Man könnte vielleicht einfach mal anfragen, was aus den Untersuchungen geworden ist: Archäologisches Landesmuseum Landesamt für Bodendenkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern Dr. Friedrich Lüth Schloss Wiligrad, 19069 Lübstorf Telefon 03867/ 240 Telefax 03867/ 88 06 E-Mail: info@archaeologie-mv.de http://www.archaeologie-mv.de/impressum.php

[red]Das grosse Frühmittelalterforum im Vikingnet Germany[/red]Dann schau doch mal in Da gibt es auch schon einen eigenen Bereich “Die Slawen” http://72.rapidforum.com/area=83 und einen Thread, in dem wir eine Menge Literatur zur slawischen Besiedlung Nordostdeutschlands zusammengestellt haben: http://72.rapidforum.com/topic=108383006764 Und wenn Du es irgendwo noch günstig bekommst: Europas Mitte um 1000 Beiträge zur Geschichte und Archäologie Hrsg.von Alfried Wieczorek und Hans-Martin Hinz. 3 Bände (2 reich bebilderte Essaybände und 1 Katalogband). Zusammen ca.1700 Seiten mit ca.2000 meist farbigen Abbildungen auf Kunstdruckpapier. [#cc0000]99,– Euro [/#cc0000] http://www.theiss.de/verlag/buch/europas-mitte.htm Viele Grüße Krtek