Alte Schriftzeichen auf antiker Tonscherbe

Sehr geehrte Freunde der archäologischen Wissenschaften! Ich versuche gerade ein Rätsel zu lösen, das mir nicht einfach erscheint und mich seit einiger Zeit beschäftigt. Ich präsentiere hier in Forum eine Tonscherbe, die ich vor ca. 20 Jahre gefunden und kürzlich wiederentdeckt habe. Auf dieser 7 cm langen Tonscherbe befindet sich “am Boden” eine Ritzung, die vermutlich vor dem Brennen angebracht wurde. Ich möchte die Fundumstände und Fundort dieser Tonscherbe erst im Laufe der Diskussion im Forum bekanntgeben, um gewisse Vorurteile in der Diskussion vorzubeugen. Zur Zuordnung dieser eingeritzten Zeichen habe ich einiges an Literatur „gewälzt“ und bin auf eine mediterrane Schriftart gestoßen, die 800 bis 600 v. Chr. in Gebrauch war. Leider passt diese übereinstimmende Schriftart nicht unbedingt mit dem Fundort zusammen. Habt ihr vielleicht eine Idee oder Anregung, wie ich hier weitermachen sollte oder an wen man sich wenden könnte. Vielleicht könnt ihr eine Schriftart identifizieren. Mit besten Grüßen Kliaber Bild 1b: Aufnahme des Gefäßboden des Fragmentes Bild 1f: Aufnahme der Bodenkante des Fragmentes Bild 1p: Profil der Tonscherbe

Hallo! Ersteinmal: Schön gemachte Fotos. Endlich welche bei denen man echt gut die Details erkennen kann. Ich weiss ja nicht wo sie wohnen, aber wie wärs mit dem RGZM Mainz? Bzw. die dortige Uni? Das Museum hat eine große Bandbreite. Im übrigen kann ich so rein gar nichts zu diesen Schriftzeichen sagen. Hab dazu leider grade auch keine Zeit. Gruß Melchior

Danke für den Tipp, sg Kliaber

Hallo Kliaber, zur angegebenen Zeit lebten, aus der Mittelmeersicht, nördlich der Alpen und ihren westlichen und östlichen Anschlußgebirgen hier nur die sagenhaften Hyperboräer und Skyten, aber Handelsware aus dem Mittelmeerraum gab es dort trotzdem. Vom Mittelmeer aus gab es drei Wasserstrassen nach Norden, die Atlantikküste, die Rhone und die Donau bzw. heute russischen Flüssen über das Schwarze Meer. Genannt werden Handelsstrassen im Zusammenhang mit der antiken Bernsteinstrasse. Eine Route der Phönizier führte an der Atlantikküste entlang bis zur Cimbrischen Halbinsel. Die griechische Route verlief durch das Weichseldelta entlang der Weichsel zur Mündung des Dnjestr in das Schwarze Meer und von dort ins Mittelmeer. Daneben ist noch die etruskische Route bekannt, die über die Rhone, den Rhein und größten Teils über Land verlief. Diese Handelswege kreuzten wiederum alte Handelswege die schon aus der Steinzeit durch Silex-u.Axtdepots bekannt sind. Ich würde also mal in dieser Richtung forschen, ob ein solcher Handelsweg durch das Fundgebiet führt. Desweiteren ließe sich bestimmt erfahren, ob Handelsware aus dem Mittelmeerraum und besagtem Zeitraum dort gefunden wurde. So sind z.Bsp. in Keltensiedlungen und Gräbern Gegenstände aus dem Mittelmeerraum nicht selten. Vielleicht siedelten ja im Fundraum zu dieser Zeit Kelten !? Gruß Kurti

Und wenn es nun gar keine Schrift ist? Sondern ein Hersteller-Symbol oder anderes Bild-Teilstück?

… Ja, ist natürlich auch möglich. Wenn man aber die Schriftentwicklung unserer Breiten (nicht Chinesichen oder verwandte) anschaut, dann sollten sie sich nach Expertenangaben aus Bildritzungen irgendwann abgeleitet haben. Was soll es deiner Meinung für ein Bild sein? Ein Haus mit Dach? Und die drei Striche? Das Alter der Tonscherbe kann ich leider nur sehr ungenau mit etwa Eisenzeit/Bronzezeit schätzen, vielleicht eher Eisenzeit. schöne Grüße Kliaber

@Granit

Das ist natürlich möglich, aber er kann ja erst mal seinem herausgefundenen Indiz nachgehen. Bei dem Einzelstück und den unvollständigen Zeichen gibt es natürlich keine Sicherheit. Vielleicht ergeben sich aber weitere Hinweise aus der Fundgegend mit Abbildungen oder Museumsstücke und Grabungsartefakte aus dem vermuteten Herkunftsgebiet. Gruß Kurti

Hallo Kurti, Danke für deine ausführliche Einschätzung. Die Bernsteinstraße war ein heißer Tipp. Nach kurzer Suche bin ich auf den Verlauf dieser Route gestoßenon (ca. 10 km Entfernung (!) zum Fundort). Die Funde der lokalen Museen kenne ich recht gut und ich überblicke auch einen Teil der Literatur. In diesen finden sich zwar Artefakte mit Inschriften, jedoch mit anderern (Schrift)-Zeichen. Keltische Siedlungen sind in der Umgebung des Fundort nicht beschrieben. Der Fundort wurde leider schon stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Branderde am Fundort weisst auf ein altes Heiligtum typisches für diese Region hin. Die Tonscherbe wird ein Teil ein Weihgefäßs dafür gewesen sein. In Griechenland sind Fragmente von Weihgefäßen mit Ritzungen von Götternamen beschrieben worden. Darauf baut im Moment meine (kühne) Hypothese auf: ein Göttinenname in Linear B Schriftzeichen.:slight_smile: Eine einfache Herstellersymbol ist doch etwas langweilig :D:-D Grüße Kliaber

Hallo Kliaber! Könnten sie ein Foto der Schaleninnenseite machen? Gruß Melchior

Hallo Kliber, nach der Größe zu urteilen, war es eine Urne. Die Zeichen könnten Aufschluss über den Toten geben. So wie ich das sehe, sind die Zeichen eingeritzt und nicht vor der Brennung eingezeichnet worden, sonst wehren keine Abplatzungen an den Zeichen. Ich meine die Zeichen waren im Raum Bulgarien verbreitet gewesen, was nicht zum Fundort sagen muss. MfG ARFINDA1

Guten Morgen Arfinda, die Zeichen wurden in den lederharten Ton vor dem Brennen eingeritzt. Dies ist besonders deutlich an der mittleren, aber auch an der linken Linie der Dreierguppe zu sehen, wo Ritzung zweifach angesetzt wurde. Die Abplatzungen sind der Lagerung im Boden und dem nicht nicht allzu heißem Brand geschuldet. Woraus schließt Du bitte, daß dies eine Urne darstellt, und nicht ein “schnödes” Vorratsgefäß? Besondere Oberflächenbearbeitung, Verzierungen? Oder ist das Gefäß auf der EW- Karte eingezeichnet? (sorry! :stuck_out_tongue: ) Gruß Irminfried

Hallo irmenfried, bei der Einritzung vor dem Brand entstehen keine zerfranste Kanten. Zum zweiten wird das feuchte Ton durch das Ritzen verdrängt und ein Wulst an den Rändern ist die Folge, das ich nicht sehen kann. Zudem entsteht beim ritzen an der harten oberfläche das helle Untergrund, wehre es vor dem Brand eingerizt, so gäbe es keinen Farbunterschied. Die Größe ist für Urnen typisch, und zudem erkenne ich diese Art aus der Region aus der ich kam. Auch die mir bekannten Urnen wurden eingraviert. Das setzen von Grabsteinen wurde erst viel später zur Erkennungszeichen der Toten. Ich vermute, das die Grabsteine erst mit dem beerdigen von Leichen eingeführt wurde. Sie erkennen im EW-Karte sechs Urnen an der rechten Ecke des “Jerusalem”. Sie tragen die Gravur an der Seite und stehen für die Hügelgräber Pate. MfG ARFINDA1

@Kliaber

Kann man das Heiligtum zuordnen?

[quote=“Kliaber”] In Griechenland sind Fragmente von Weihgefäßen mit Ritzungen von Götternamen beschrieben worden. Darauf baut im Moment meine (kühne) Hypothese auf: ein Göttinenname in Linear B Schriftzeichen
[/quote]
Ich finde das spezielle Zeichen einschließlich Ideogrammen “ausschließlich” in der “Kyprischen-Silbenschrift” als “RE”, diese kennt wiederum aber keine Ideogramme und wurde bis 100 v.Chr. geschrieben. Das Zeichen gibt es auch mit gebogenem “Dach”. Wenn es sich nicht um ein “Töpferzeichen” handelt, dann ist dieses Zeichen tatsächlich unter allen bekannten Schrift-u.Runenzeichen n.m.W. “nur” in der Kyprischen- Schrift zu finden!? @Arfinda

[quote=“Arfinda”] Die Größe ist für Urnen typisch, und zudem erkenne ich diese Art aus der Region aus der ich kam.
[/quote]
Aber das “Schriftzeichebn” oder “Ideogramm” gibt es weder in den “Donau-Vinca-Zeichen” noch in den “Orchonschriften” in diesem Raum. Gruß Kurti attachment_64609d3cc8dc43bd9297e31179eaf249.jpg

Hallo Kurti, von Vinca-Zeichen sagte ich auch nichts. Ich komme nicht drauf. Kurgan? MfG ARFINDA1

Hier noch die konkave Innenansicht der Scherbe mit auffälligen Weißen Einschlüssen. Leider etwas schlecht Fotoqualität. Gruss Kliaber

Hallo K., ich vermute das diese weiße Einschluss Kalk ist. An der Fundstelle müsste doch mehr Teile zu finden sein. Wie groß wehre das Boden in Durchmesser? ARFINDA1

Hallo an die Diskussion, jetzt habe ich auf Antworten gedrückt, nun schreibe ich auch. Außerhalb des Fachwissens, dass ich bestimmt aus der Diskussion herauslese, möchte ich ein paar Teilchen herauspicken, die mir aufgefallen sind. 1. Warum wird eine so grobe Erde, mit so vielen Einschlüssen und kleinen Steinchen, verwendet, um ein heiliges und geweihtes Gefäß herzustellen. Würde man es nicht, der Würdigung des Objekts entsprechend, besser aus feinem Lehm fertigen? Was ich da gesehen habe, ist ein sehr verschmutztes Erdreich, das ich nie für so etwas benutzt hätte. 2. Unter dem Boden sind Einritzungen zu sehen, deren Bedeutung mir zwar unbekannt sind. Ich bin aber der Meinung, dass bei der Fertigung zwei Arbeitsgänge beschritten worden sind. a) Die drei parallelen Ritzungen (links unten), glaube ich, sind in die frische Erde eingedrückt worden. Bei der Vorgehensweise drückt man mit einem Dreikantgerät in den Ton, dabei drückt sich aber die verdrängte Masse nach oben, wie man sehen kann. Gleichermaßen sind an den Außenkanten der Kerben hochgedrückte Kantenwölbungen zu sehen, die entstehen, wenn frischer Ton eingedrückt wird. Die anderen Kerben der Zeichnung scheinen in der Tat nach dem Brennvorgang entstanden zu sein. Die Kanten sind sehr abgeschliffen und zerbröseln, was bei der drei Kerben nicht der Fall ist. Könnte mit dem richtigen Equikment nicht versucht werden, das gleiche Gegenüber an die Bruchstelle anzulegen, um einmal ein Gesamtbild des Ganzen zu bekommen? Es ist nur ein Gedanke und nichts für ungut. manfred

@Manfred

Die “Einschlüsse” sind Absicht und nennen sich Magerung. Gruß Kurti

kurti, danke für den Hinweis. Hat man das früher schon gewusst? Ich habe die linke Schalenhälfte mal zusammengesetzt. Es könnte auch ein Gesicht eingeritzt worden sein. :slight_smile: manfred

Der Durchmesser des Gefäßbodens beträgt 7,5 cm. Ja, ich habe damals in oberflächlich lockerem schwarzem Erdreich noch eine zweite Tonscherbe gefunden, die vermutlich zum Gefäß gehört. Es ist ein Griff. Ich habe Bilder davon hier drangetan (Abbildung 1). Der Griff selbst weist an einem Ende Brandspuren auf. Sonst war da nichts Auffälliges in der unmittelbaren Umgebung. Etwas weiter südlich (ca. 60-70 m)davon befinden sich seltsam anmutende Steine, die wie umgestürzte Menhire aussehen. Kann aber auch natürlich sein bei all den Steinen, die hier so in der Gegend herumliegen (Abbildung 2+3). Nun zu Manfreds Einschätzung: Du hast recht es scheinen wirklich zwei unterschiedliche Ritzungsmuster zu sein. Ich habe die Ritzungen mit verschiedenen Lichtwinkeln betrachtet und bin genau deiner Ansicht. Die 3 parallelen Striche schauen wie im nassen Ton geführte Linien aus, mit den Mittelstrich, der einen kleinen Stein anhebt. Beim Häuschen bin ich mir nicht sicher. Die Gefäßfiligranität ist sicherlich nach meinem Gefühl kein Ausschlusskriterium für ein Brandopfer. Meiner Auffassung nach reich ein Gefäß für ein Brandopfer, das seine Funktion erfüllt und den Inhalt im Brand einige Zeit stabil trägt. sg Kliaber