Hallo,
Montag feiern wir die Promotion eines Kollegen, der erst eine kaufmännische Ausbildung gemacht hat und dann einige Jahre in diesem Beruf gearbeitet hat. Heute ist er ein sehr aktiver und auch gefragter Forscher, der seinen Lebensunterhalt gut von der Archäologie bestreiten kann.
Jedoch was ich anmerken muss. Er ist ein absoluter Ausnahmefall, war noch nicht ganz so alt wie du, hat einfach eine unfassbare Begabung als Ausgräber und schreibt tolle Anträge, die bewilligt werden.
Einige Dinge sollten einem klar sein:
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Die wenigsten können alleine von der Archäologie leben. Das heißt, dass man seinen Lebensstil, wenn man vorher gut verdient hat, drastisch einschränken muss. Außerdem leben wir Archäologen meist auf befristeten Stellen und müssen uns unsere Finanzierungen selbst organisieren. D.h. man muss auch mit der Unsicherheit leben können immer mal wieder Arbeitslos zu sein. Das ist psychisch sehr herausfordernd.
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Das Archäologen Leben ist ein Nomandenleben. Ich lebe jetzt seit meinem 20. Lebensjahr in der 6. Stadt und es ist mit Sicherheit nicht die letzte. Da bin ich auch keine Ausnahme. Die Vorstellung an seinem Heimat- oder Studienort zu bleiben erfüllt sich nie. Die Weigerung umzuziehen ist mit einem Ausscheiden aus dem Fach gleich bedeutend. Das bedeutet - und das kann ich nur stets unterstreichen - man lässt seine Freunde und Familie hinter sich und hat niemals genug Zeit an einem Ort neue Netzwerke aufzubauen. Deshalb bleiben Archäologen zumeist unter sich.
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Das Nomandenleben wird noch durch Grabungen verstärkt. Dein bester Freund heiratet im Juli…Schade du bist im Oman und zeichnest Grabhügel. Deine Mutter wird 80, pech du bist auf einer Konferenz auf Malta. Deine Nichte wird eingeschult, tja Fundbearbeitungskampagne in Griechenland.
Ich kann jedem nur raten: Betrachte das letzte halbe Jahr deines Lebens und überlege, ob du bereit bist auf Parties und Feiern - besonders im Sommer - zu verzichten, denn Archäologie bedeutet ständig unterwegs zu sein.
Das hat noch eine sehr gewichtige Seite, die Viele unterschätzen: Partnerschaften zerbrechen an der ständigen Abwesenheit. Deshalb sind Archäologen zumeist mit Archäologen zusammen. Erklär mal jedem anderem Partner, dass du jedes Jahr 8 Wochen graben bist und einmal im Monat den Rest des Jahres an den Wochenden auf Workshops und Tagungen.
Archäologen sind Nomaden, die für wenig andere Dinge als Archäologie Zeit haben.
Was ist das positive? Naja, man sieht viel von der Welt. Vor allem Seiten, die Touristen und selbst Rucksackreisende nicht sehen. Die Arbeit selbst macht viel Spaß.
Zum Thema Zweitstudium und den verschwurbelten Kram mit “Gesellschaft zur Last fallen”: Wenn man den Willen und die Fähigkeiten hat mehr zu lernen und sich weiter zu bilden, dann ist das toll. Mutige Menschen, die bereit sind innovative Wege zu gehen und nicht nur den ausgetretenen Pfaden folgen, braucht JEDE Gesellschaft. Bildung ist NIE ein Kostenfaktor, sondern nutzt immer. Bildung ist unser einziges Gut oder hast du in letzter Zeit hier irgendwo ne Ölquelle gesehen? Kann Jemand sagen, ob so ein “Spätberufener” - dummes Wort - nach seinem Studium - und sei es mit 80 - nicht die zündende Idee hat und eine ganze Wissenschaft revolutioniert. Die Bildungsfeindlichkeit in Deutschland richtet uns nochmal zu Grunde. Wer weiß, ob die Person vielleicht wirklich Archäologe wird? Vielleicht kommt er mit einem anderem Gebiet in Berührung und hilft ein tolles StartUp zu gründen oder hat die zündende Idee für eine technische Verbesserung. Es war mal Deutschlands Stärke, dass wir die Denker haben denken und sich entwickeln lassen. Jetzt wird man für Bildungsinteresse angefeindet. Schämen sollte man sich.
Fazit: Wenn Sie sich der Risiken und auch der Schwierigkeiten bewusst sind, dann legen Sie los. Frei nach Xavier Naidoo: “Der Weg wird kein leichter sein!”