Archäologie als Zweitstudium

Gibt es im Forum Mitglieder, die wie ich ein archäologisches Zweitstudium anstreben bzw. absolvieren?

Ich würde hierzu gerne Erfahrungsberichte austauschen bzw. eine Vernetzung initiieren.

Ich selber (37) bin als gelernter Bankkaufmann, Diplomkaufmann (FH) und Unternehmensberater in der Automotive Branche unlängst an einen Punkt gelangt, an dem ich meine bisherige und aktuelle Tätigkeit in Frage gestellt und mich meiner Leidenschaft von Kindesbeinen an zugewendet habe: Eben der Archäologie.

Ich freue mich über Rückmeldungen und eine hoffentlich angeregte Diskussion - gerne natürlich auch Meinungen aller, die es nicht unmittelbar betrifft!

Beste Grüße

Peter

Lieber Peter,

bei allem Verständnis dafür, dass Du nun nach diversen Ausbildungen und Weiterbildungen zu neuen Ufern strebst, möchte ich hierzu eine etwas dämpfende Überlegung in den Raum stellen.

Die Archäologie ist keine superreiche Wissenschaft, die Stellen sind knapp, die Forschungsmittel ebenso. Warum sollte man also einem “Spätberufenen” völlig fachfremden Menschen einen nahezu kostenfreien Studienplatz mit kostspieligen Ausbildern, Praktikumsplätzen und Betreuern spendieren? Hältst Du Dich für diese Gesellschaft für so wertvoll ? Oder bist Du bereit, alle tatsächlich notwendigen Kosten für diese xte Weiter- oder Neuausbildung selber zu zahlen ? Denn irgend jemand muss Dein Studium ja zahlen, oder irgend jemand anderes kann dann eben vielleicht nicht studieren.

Nichts spricht dagegen, dass Du Deine Hilfe für unterfinanzierte Eilgrabungen zur Verfügung stellst. Nichts spricht dagegen, dass Du engagierten Forschungsgruppen mit Deinem kaufmännischen Sachverstand hilfreich zur Seite stehst und sie damit unterstützt. Nichts spricht dagegen zu helfen. Aber Du bist Dir ganz offensichtlich in Deinem Leben nicht immer den Folgen und Konsequenzen Deines Handelns ganz bewusst gewesen. Vielleicht solltest Du Dir diesmal ein paar Gedanken machen, was Du der Gesellschaft bereits an Kosten abverlangt hast. Kannst Du einer Verkäuferin im Schuhgeschäft klar machen, warum sie mit Ihren Steuergeldern jetzt auch Deinen zweiten Studienplatz bezahlen soll, damit der Herr Unternehmensberater seinen Leidenschaften nachgehen kann ?

Wünsche Dir hiermit einen nachdenklichen Abend

Heinz

 

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Hallo Heinz,

es geht doch nichts über ein gut gemeintes Vorurteil, hm?

Zu Deinen Anmerkungen:

  1. Nur 3% der Studienplätze eines Jahrgangs werden an Zweitstudierende vergeben - und das vorrangig an solche, welche es beruflich benötigen. Erst dann kommen die “Schmarotzer” wie ich dran.

  2. Wenn dem so ist, verursache ich als “Sozialschmarotzer” keine nennenswerten “Stückkosten” - bei den Exkursionen habe ich bereits beschlossen, den vollen Wert zu zahlen - und nicht den für Studenten reduzierten Preis. 

  3. Da für Dich nur der Frühberufene einen wirklichen Wert in der Gesellschaft zu haben scheint, hoffe ich, dass Deine Schuhverkäuferin auch wirklich ihrem Ausbildungsberuf nachgeht - nicht auszudenken, was sie sich sonst beim nächsten Schuhkauf von Dir wird anhören müssen.

  4. Spott habe ich ob meiner Entscheidung bereits zu genüge ertragen müssen - da braucht es schon mehr als weitere Vorurteile, um mir einen Traum zu vermiesen :wink: Und Ferndiagnosen zu dem psychologischen Muster der Lebensentscheidungen Dritter solltest Du Dir entweder besser überlegen oder ganz sparen - es sei denn, Du wiederum Verdienst damit Dein eigenes Geld - was ich jedoch grds. bezweifele.

Also: Danke für Deinen Beitrag; nicht.

Der Sozialschmarotzer

 

Hallo zusammen,

ich finde auch, lieber Heinz, dass Du etwas den Ton verfehlt hast. Warum sollte sich nicht jeder in seinem Leben Gedanken machen dürfen, wie er selbiges gestaltet ? Ich hatte ähnliches auch schon im Sinn. Die Finanzierung - egal welcher Aktivitäten - muss sich jeder selbst organisieren. Danach wurde von Peter aber nicht gefragt. Er wird schon wissen, wie er das angehen muss oder auch nicht. Ich wünsche ihm hier viel Glück !

Beste Grüße

Kurt

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@wolverine77

Werde doch einfach Mitglied bei “LinkedIn” und nutze Deine Kontakte.:smiley:

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Gruß

Kurti

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Hallo,

Montag feiern wir die Promotion eines Kollegen, der erst eine kaufmännische Ausbildung gemacht hat und dann einige Jahre in diesem Beruf gearbeitet hat. Heute ist er ein sehr aktiver und auch gefragter Forscher, der seinen Lebensunterhalt gut von der Archäologie bestreiten kann.

Jedoch was ich anmerken muss. Er ist ein absoluter Ausnahmefall, war noch nicht ganz so alt wie du, hat einfach eine unfassbare Begabung als Ausgräber und schreibt tolle Anträge, die bewilligt werden.

Einige Dinge sollten einem klar sein:

  1. Die wenigsten können alleine von der Archäologie leben. Das heißt, dass man seinen Lebensstil, wenn man vorher gut verdient hat, drastisch einschränken muss. Außerdem leben wir Archäologen meist auf befristeten Stellen und müssen uns unsere Finanzierungen selbst organisieren. D.h. man muss auch mit der Unsicherheit leben können immer mal wieder Arbeitslos zu sein. Das ist psychisch sehr herausfordernd.

  2. Das Archäologen Leben ist ein Nomandenleben. Ich lebe jetzt seit meinem 20. Lebensjahr in der 6. Stadt und es ist mit Sicherheit nicht die letzte. Da bin ich auch keine Ausnahme. Die Vorstellung an seinem Heimat- oder Studienort zu bleiben erfüllt sich nie. Die Weigerung umzuziehen ist mit einem Ausscheiden aus dem Fach gleich bedeutend. Das bedeutet - und das kann ich nur stets unterstreichen - man lässt seine Freunde und Familie hinter sich und hat niemals genug Zeit an einem Ort neue Netzwerke aufzubauen. Deshalb bleiben Archäologen zumeist unter sich.

  3. Das Nomandenleben wird noch durch Grabungen verstärkt. Dein bester Freund heiratet im Juli…Schade du bist im Oman und zeichnest Grabhügel. Deine Mutter wird 80, pech du bist auf einer Konferenz auf Malta. Deine Nichte wird eingeschult, tja Fundbearbeitungskampagne in Griechenland.

Ich kann jedem nur raten: Betrachte das letzte halbe Jahr deines Lebens und überlege, ob du bereit bist auf Parties und Feiern - besonders im Sommer - zu verzichten, denn Archäologie bedeutet ständig unterwegs zu sein.

Das hat noch eine sehr gewichtige Seite, die Viele unterschätzen: Partnerschaften zerbrechen an der ständigen Abwesenheit. Deshalb sind Archäologen zumeist mit Archäologen zusammen. Erklär mal jedem anderem Partner, dass du jedes Jahr 8 Wochen graben bist und einmal im Monat den Rest des Jahres an den Wochenden auf Workshops und Tagungen.

Archäologen sind Nomaden, die für wenig andere Dinge als Archäologie Zeit haben.

 

Was ist das positive? Naja, man sieht viel von der Welt. Vor allem Seiten, die Touristen und selbst Rucksackreisende nicht sehen. Die Arbeit selbst macht viel Spaß.

 

Zum Thema Zweitstudium und den verschwurbelten Kram mit “Gesellschaft zur Last fallen”: Wenn man den Willen und die Fähigkeiten hat mehr zu lernen und sich weiter zu bilden, dann ist das toll. Mutige Menschen, die bereit sind innovative Wege zu gehen und nicht nur den ausgetretenen Pfaden folgen, braucht JEDE Gesellschaft. Bildung ist NIE ein Kostenfaktor, sondern nutzt immer. Bildung ist unser einziges Gut oder hast du in letzter Zeit hier irgendwo ne Ölquelle gesehen? Kann Jemand sagen, ob so ein “Spätberufener” - dummes Wort - nach seinem Studium - und sei es mit 80 - nicht die zündende Idee hat und eine ganze Wissenschaft revolutioniert. Die Bildungsfeindlichkeit in Deutschland richtet uns nochmal zu Grunde. Wer weiß, ob die Person vielleicht wirklich Archäologe wird? Vielleicht kommt er mit einem anderem Gebiet in Berührung und hilft ein tolles StartUp zu gründen oder hat die zündende Idee für eine technische Verbesserung. Es war mal Deutschlands Stärke, dass wir die Denker haben denken und sich entwickeln lassen. Jetzt wird man für Bildungsinteresse angefeindet. Schämen sollte man sich.

 

Fazit: Wenn Sie sich der Risiken und auch der Schwierigkeiten bewusst sind, dann legen Sie los. Frei nach Xavier Naidoo: “Der Weg wird kein leichter sein!”

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@p.b.

Vielen Dank für die sehr umfassende Einschätzung - eine für mich sehr hilfreiche Rückmeldung!

Es ist und bleibt ein Risiko, diese Entscheidung. Dabei wird wohl ein Großteil meiner bisher als Selbstständiger erwirtschafteten Altersvorsorge draufgehen.

Ich bin mir des Risikos bewusst, gehe aber nicht ganz blauäugig an die Sache ran und nutze jede Beratung und jeden Kontakt, die ich kriegen kann.

Mal sehen, was sich in den kommenden Jahren so ergibt - ich bleibe dieser Website sicher erhalten - lese ich sie doch bereits seit 2004 :slight_smile:

Nochmals Danke

Peter

Gibt Beispiele, die erfolgreich waren mit einem Zweitstudium der Archäologie. Gibt auch Gegenbeispiele.

Es ist wahrlich kein einfacher Weg und Viele geben auf. Ich wünsche viel Erfolg.

Eine Frage noch: Welcher Schwerpunkt ist denn angedacht?

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@p.b.

Karriere habe ich satt - deswegen ja Archäologie :wink:

Spaß beiseite: Ich interessiere mich für provinzialrömische Archäologie - aber auch Ur- und Frühgeschichte. Überlege, ob der 1F-BA zu Einem oder beidem Sinn macht oder ob ich im 2f-BA noch zum Beispiel Deutsche Sprache & Literatur hinzunehmen soll (Köln).

Womit hast Du Erfahrungen?

Ich habe Klassische Archäologie studiert und auch in diesem Fach promoviert. Seit jetzt 7 Jahren bin ich mit kurzer Unterbrechung auch als Archäologe an Museen, Unis etc. tätig.

Wenn man wirklich in dem Bereich arbeiten will, ist eine Promotion stets empfehlenswert. Wobei es auch da gerade in der UFG Ausnahmen gibt, aber GANZ wenige.

Sollte Archäologie der Plan sein, dann würd ich mich auch darauf konzentrieren.

Was war denn gemeint mit “nicht ganz blauäugig an die Sache gehen”? Geld spielt ja irgendwann immer ne Rolle. Kenne Kollegen die quasi halbtags Archäologen sind. Arbeiten 2 Tage die Woche in der Industrie und 3 Tage die Woche an archäologischen Projekten. Ist sowas der Plan?

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Eine Promotion steht für mich auf jeden Fall auch am Abschluss - ggf. ergibt sich dabei ja spätestens ein Job?

Ich bin nicht ganz blauäugig, weil ich mir bewusst bin, nebenher weiter in meinem alten Job arbeiten zu müssen, damit das Geld reicht. Schließlich will ich ja nicht meine ganzen Ersparnisse aufbrauchen, zumal ich auch noch wohnen und das bezahlen muss (kein Eigentum oder Ähnliches).

Inwiefern sich das zeitlich vereinbaren lässt - sprachlich muss ich zum Glück nichts nachholen (Latinum, Englich C1, Französisch B2) - muss ich sehen, wenn der Stundenplan für das Semester steht.

Ggf. kann ich auch in Autohäusern, an Tankstellen oder in der Autovermietung jobben - bin da sowohl bewandert als auch sehr flexibel :slight_smile:

Worin hast Du denn promoviert?

 

Ja dann. Das ist ein sehr verbreitetes Modell. Dann wird das auch laufen.

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