in unserem neu erworbenen Haus haben wir einen beschrifteten Balken. Leider können wir die Schrift nicht endziffern und sind komplett ratlos . Vielleicht kann uns ja hier einer weiterhelfen und uns aufklären was auf dem Balken steht.
leider hast du nicht angegeben, wo dein Haus steht und wie alt es ungefähr ist. Solche Inschriften sind oft nur im regionalen und zeitlichen Zusammenhang zu verstehen. Und sie können Verschlüsselungen und Verrätselungen enthalten, die zu ihrer Entstehungszeit jedem verständlich waren, heute aber kaum noch nachzuvollziehen sind.
Meine Lesart der Inschrift und deren mögliche Bezüge:
Joh6
Johannes Evangelium, Kapitel 6 (die wunderbare Speisung der 5000 / „Brot des Lebens“)
nl (n1?)
?
Gahrd
ein inzwischen seltener Nachname
eine alte landwirtschaftliche Maßeinheit für eine halbe Ackerbreite
eine alte Schreibweise für „Garde“
Mich(l)voden
Michl
mundartliche (und kroatische) Variante von Michael
Vielleicht gehörte dieser Balken zu einer Scheune oder einer (Wasser-)Mühle. So zumindest deute ich den Text. Das gold-blaue radänliche Symbol könnte ebenfalls auf Wassermühle hindeuten. Es steht auf alten Fachwerkb-Balken aber auch allgemein für Leben/Lebenskraft.
Mir kommt die Inschrift ehrlich gesagt etwas suspekt vor…
Viele Dinge die früher jemand beachtet hat der eine Inschrift in einen Balken geschnitzt hat sehe ich hier nicht gegeben. Weder einen einheitlichen Wort- und Zeichenabstand eine regelmäßige Neigung der Buchstaben noch einen einheitlichen Stil der Buchstaben.
Ich lasse mich mal zum spekulieren hinreißen, aber vielleicht ist dies ein Übungsstück eines Zimmermannslehrlings gewesen?
Lara, ich gebe dir recht, die Schnitzerei sieht absolut nicht professionell aus. Aber nachdem mir das Foto die letzten Stunden immer mal wieder vor meinem geistigen Auge gestanden hat, bin ich zu einer schlüssigeren Lesart gekommen.
Die Schnitzerei ist offensichtlich neu nachgearbeitet worden. Und vielleicht ist da zu viel ausgemalt worden. So lese ich das bisher unverständliche „nl“ als „ni“ = alt-/mittelhochdeutsch/mundartlich = „nicht“. Und das von mir eingeklammerte „l“ deute ich jetzt als eine zusätzliche Verzierung des „h“. Was vielleicht zu dem fehlenden Wortabstand geführt hat.
Somit lese ich jetzt: Joh6 (Jesus: “Ich bin das Brot des Lebens”), nicht (die) Garde mich (er)nährt • Hum (Name)
Mir scheint das eine sehr persönliche – und selbstgemachte! – Inschrift zu sein. Wenn man jetzt wüsste, wo das Haus steht, wann es erbaut wurde, ob es zu der Zeit und in der Gegend kriegerische Handlungen, oder ob es einen persönlichen Bezug zum damaligen Militär gegeben hat… ?!?
vielen Dank erstmal für die zahlreichen Überlegungen @RandomHH und @LaraCroft !
Das hat uns schon sehr weitergeholfen.
Ich wollte noch hinzufügen, dass das Haus im Landkreis Gifhorn steht, der Balken von Anno 1769 (siehe Bild) ist und das Haus früher mal eine Scheune war. Vielleicht hilft das ja, um den Satz zu vervollständigen.
1769, das war 6 Jahre nach dem Siebenjährige Krieg. In diesem Krieg wurden im Landkreis Gifhorn die alten Handelswege als Heerstraßen genutzt. Und während der Durchmärsche der Truppen kam es immer wieder zu großen Schäden für die Landwirtschaft, zu Brandschatzungen und zu Plünderungen (Naturalien und Wertgegenstände) bei der ansässigen Bevölkerung. Das war auch eine Art der Finanzierung des Krieges.
Ich denke, das unterstützt meine letzte „Übersetzung“ und Interpretation. Wenn man bedenkt, dass durchziehendes Militär nicht zur eigenen Versorgung bei der Bevölkerung „eingekauft“, sondern sich einfach genommen hat, dann ist das eine existentielle Erfahrung. Und die hat ihren Niederschlag in diesem offensichtlich selber geschnitzten Text gefunden.
Damit bekommt die Nennung von 6. Kapitel des Johannis Evangeliums eine besondere Bedeutung: Denn da geht es hauptsächlich um die Speisung der 5000. Bauer Hum klagt mit seiner Inschrift diese Verbrechen als unchristlich an, gibt quasi ein politisches Statement.