Bohrkern - Beleg einer Hohlbohrung in ein neolithisches Hiebgerät

Hallo,

von einer mitteldeutschen Fundstelle mit vorwiegend bandkeramischen Funden stammt dieser Bohrkern.

Es ist der vierte Bohrkern, den ich dort finden durfte. Auch Nachweise von gebohrten Steingeräten sind im Fundspektrum, immer im Loch gebrochen. Das waren in der Regel durchbohrte Querbeile - Dechseln oder aber auch Scheibenkeulen.

Das Besondere an diesem, im letzten Millimeter herausgebrochenen Bohrkern aus dem dafür hier üblichen Aktinolith-Hornblendeschiefer (importiert), sind neben dem Nachweis einer Hohlbohrung, die zwei Schleifrillenreste auf der Oberseite des Kerns. Die Bohrung wurde zwei mal verworfen und korrigiert.

Sowohl die Ober- als auch die Unterseite sind bereit beschliffen. Erstaunlicherweise ist es genau 30 mm lang, der Durchmesser verjüngt sich von 17 mm auf 14 mm. Diese konische Form ist für diese Kerne typisch, da sie nicht gebohrt, sondern mit einem körnigen Sand geschliffen wurden und der Bohrstab sicher auch ein gewisses Spiel hatte.

Viele Grüße

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Toller Fund! Danke fürs zeigen.

Gruß Shard

Hallo Sven,

kannst du erklären, wie so etwas gemacht wurde?

Liebe Grüße

Inez

Servus,

das ist der Bohrkern von einer Bohrung in einem Steinbeil. Die Bohrung wurde mit einem hohlen Holunderstock, etwas Sand und viel Geduld gebohrt.

Was du dich sicherlich fragst, warum die drei Bohrungen? Vermutlich wurden die anderen Bohrungen zuerst angefangen und dann warum auch immer verworfen. Vielleicht weil etwas im Gestein war, das für eine Bohrung ungeeignet war?

Gruß Shard

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Hallo Shard,

danke, das mit dem Holunderstock wusste ich nicht, mit der Herstellung solcher Geräte hab ich mich noch nicht befasst. Ist hochspannend! Warum dort drei Bohrungen zu sehen sind, ist ja relativ einleuchtend, Versuch und Irrtum, aus welchen Gründen auch immer, oder Verwerfen eines Ansatzes.

Wie wurden diese Kerne dann herausgebrochen?

Liebe Grüße

Inez

Servus Inez,

ich vermute Mal die Kerne brechen von alleine heraus sobald die Bohrung so tief ist und das Material so dünn, dass es dem Druck der bei der Bohrung entsteht nicht mehr standhalten kann.

Gruß Shard

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Hallo Inez,

du stellst die Frage, womit nicht nur ich, mich schon lange beschäftige.

Warum hat man sich die Mühe gemacht, Steingeräte zu durchlochen. Die einzige Antwort, die mir einigermaßen “vernünftig” erscheint, ist: Weil man es konnte.

Für mein Dafürhalten sind die Löcher für eine Schäftung weniger geeignet. Bis dahin hat man die Beilklingen wohl in Kniehölzer geschäftet, wie hier etwa:

Das hatte den Vorteil, dass man neben der Masse des Steingerätes auch noch die Masse des Holzes nutzen konnte. Es wurden auch Zwischenstücke aus Geweih verwendet. Zudem konnte sich die Klinge nicht verdrehen, wie es bei runden Löchern der Fall ist. Heutige Schaftlöcher sind oval, um das zu verhindern.

Um den Stiel ordentlich im Loch zu fixieren, musste man Gewalt anwenden, was schnell das Brechen des Gerätes zur Folge hatte. Ohnehin sind auch im Gebrauch die Löcher Sollbruchstellen, wie man an den meist gebrochenen Querbeilen sehen kann. Um ein Loch in das Beil zu bohren, wobei es nach archäologischer Ansprache, zur Axt wird, braucht es mehr Material, was auch eine etwas stumpfere Schneide zur Folge hätte.

Außerdem frage ich mich, was dünne Stiele für einen Zweck haben. Die Löcher sin nach meiner Beobachtung selten wesentlich über 20 mm im Durchmesser. So ein Stiel sollte doch beim Gebrauch schnell zerbrechen. Eine Ausnahme bilden die Rössener Breitkeile, bei denen sich das Loch weit hinten befindet, was für einen Gebrauch als Axt sehr hinderlich wäre. Da kann man wohl davon ausgehen, dass die Stiele da als Haltegriff für eine Verwendung als Spaltkeil dienten.

Auch bei der gängigen Theorie des Bohrens/Schleifens mit einem Holunderstab bin ich noch skeptisch. Nach meiner Beobachtung haben nur junge, recht dünne Holunderzweige einen ordentlichen Markkanal, je dicker der Ast, desto kleiner ist diese Hohle im Durchmesser.

Ich habe da mal etwas vorbereitet:

Der Holunderstab hat einen Außendurchmesser von 20 mm, wie auch das gebrochene Lch des Artefakts. Der Innendurchmesser beträgt aber nur 10 mm, was deutlich weniger ist, als der Durchmesser der Bohrkerne (in der Regel).

Ich würde mich über eure Gedanken und Theorien zu dem Thema freuen!

Viele Grüße

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Hallo Sven,

Mal ein paar Gedanken von mir:

Zum Thema warum - Ich könnte mir vorstellen, dass verrutschen ein Thema gewesen sein könnte. Wenn du mit einer Schäftung wie du auf deinem Bild zeigst in Holz hackst und das Beil stecken bleibt, wird dir die Klinge beim raushebeln wohl rausrutschen und die bekommst dann wohl schwierig wieder raus.

Wenn du ein Loch gebohrt hast, wirst du das Problem eher nicht haben, auch wenn die Gefahr eines Bruches besteht. Denk Mal an Holzhacken, vielleicht verstehst du was ich damit meine.

Zum Hollunder - Ich kann den Gedanken nachvollziehen, aber vielleicht würde der Hollunder noch nachbearbeitet. Sprich du höhlst den Stab mit einem Bohrer noch weiter aus. Das dürfte leichter sein als ein Loch in einen massiven Stock zu bohren oder gar einen massiven Stock zum Bohren zu verwenden.

Der Vorteil liegt klar auf der Hand: geringere Reinfläche und damit weniger Arbeit beim Bohren. Die Holzbearbeitung geht einfach schneller.

Gruß Shard

Hallo Shard,

vielen Dank für deine Gedanken. Tatsächlich wäre es wohl möglich, den Bohrstab innen zu verjüngen, ich habe das bei meinem Stab auch versucht, mit geringem Erfolg mit einfachen Mitteln.

Bei nochmaliger Betrachtung ist mir an dem Bohrkern aufgefallen, dass die zwei vorigen Bohransätze mit kleineren Bohrern vollführt wurden. Der innerste Bohrkern hätte nur einen Durchmesser von etwa 8 mm gehabt, der zweite Bohrkern etwa 12 mm. Der vorliegende Bohrkern hat noch 14 mm, wobei der Bohrer wohl einen noch größeren Innendurchmesser hatte. Oder man hat den Innendurchmesser des Bohrers erweitert, bevor man ihn nochmals ansetzte.

Der Denkansatz mit dem Steckenbleiben der Klinge im Holz ist schon gut, ich denke aber nicht, dass man mit den Geräten Scheite gespalten hat, wobei so etwas passiert. Vielmehr wurde eher rechtwinklig zur Faser gearbeitet, wobei die Klinge nicht steckenbleibt. Allerdings hat man sicher auch Bohlen gespalten, wofür aber Holzkeile ausreichen sollten.

Viele Grüße

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Ja, spannend! Vielleicht ist man tatsächlich auf ein Hindernis gestoßen und hat dann das Werkzeug gewechselt oder erweitert um an dem Hindernis vorbei zu kommen? Auf jeden Fall weiterhin interessant. Man müsste ein unbearbeitetes Gegenstück finden mit drei Ansätzen, dann könnte man tatsächlich mehr sagen.

Zum Thema stecken bleiben: Mir ist eingefallen, es muss ja nicht unbedingt Holz gewesen sein. Vielleicht ging es hier um weicheres Material und die Axt war für kriegerische Aktivitäten gedacht. Da bleibt eine Axt auch gerne Mal stecken und es wäre fatal sie nicht heraus zu bekommen.

Gruß Shard

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Hallo Shard,

Das ist richtig, für Waffen und Statussymbole waren durchlochte Steingeräte sicherlich gut geeignet. Dafür lohnte sich dann sicher auch der Aufwand.

Das sollte eine Erklärung sein.

Viele Grüße

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Hallo Sven,

vielen Dank für deine Antwort! Das ist in der Tat knifflig, da muss ich jetzt auch etwas länger drüber brüten. Gibt es denn dazu noch gar keine Meinung der Wissenschaft? Shards Idee mit den Waffen finde ich auch einleuchtend, in Fleisch und Knochen ginge das natürlich leichter rein, und der hölzerne Griff/Stab würde evtl. auch nicht so leicht brechen, aber auch nur vielleicht. Schon komisch.

Liebe Grüße

Inez