zu deiner Frage nach unterschiedlicher Patina, was auch ein sehr spannendes wie auch komplexes Thema ist, folgendes:
Unterschiedliche Patina ist für die Alterseinschätzung dann spannend, wenn sie sich jeweils an den Artefaktmerkmalen eines Objektes befindet. Dies könnte, ich betone könnte ein Hinweis sein, dass der Artefakt in unterschiedlichen Epochen bearbeitet wurde, quasi wiederverwertet wurde. So einen verdächtigen artifiziellen Lesefund habe ich auch vorliegen.
Hallo,
zum Thema passend zeige ich 5 Hornsteinartefakte mit und ohne Patina.
Beispielhaft zeige ich hier völlig unpatinierte Artefakte des Mousterien (4Folgebilder) aus Jurahornstein und einen ca. 10.000 Jahre älteren Faustkeil,Schlussbild
ebenfalls aus Jurahornstein aber stark patiniert. Dabei wird wohl in beiden Fällen das Einlagerungsmilieu entscheidenden Einfluss gehabt haben. Also ist eine Patina bei Steinartefakten als Alterskriterium wohl auszuschließen.
Bucentaur
das Thema Patina an Silex wird immer wieder angesprochen, zumal ja auch die Experten da unterschiedlich heran gehen. Es scheint ja auch irgendwie logisch, dass die Patina mit zunehmendem Alter zunimmt. Nur ist es offensichtlich nicht zwangsläufig so. Als Indiz nehme ich es persönlich aber immer noch. Was allerdings schon dazu geführt hat, dass ich vollkommen daneben lag. Hier: Patinierte Feuersteine - #5 von SvenHorn hatten wir das Thema schon und ich habe Silexartefakte die sicher den Schnurkeramikern zuzuordnen sind gezeigt. Diese weisen an der Stelle oft einseitig eine recht dicke weiße Patina auf.
die unterschiedlichen Standpunkte zur Gesteinspatina an Artefakten deuten die komplexe und teils kontroverse Sichtweise dazu an.
Wenn Patina an den Artefakten (insbesondere wenn an vorhandenen Bearbeitungsmerkmale erkennbar) keinerlei Rolle zu einer differenzierten bzw. groben Alterseinschätzung spielt, weshalb findet bei Steinzeitartefakte das Merkmal Patina nach wie vor bei der Beschreibung überhaupt eine Erwähnung bzw. was soll dieses Merkmal zur Erklärung des Artefaktes dann inhaltlich beitragen?
Das ist vermutlich wie bei der Keramik. Anhand eines Merkmals (wie Form, Magerung, Härte…) kann ich keine Bestimmung machen, aber mit mehreren sehr wohl. Heißt die Patina kann ein Indiz für hohes Alter sein, muss aber nicht. Erst mit anderen Merkmalen kann ich Rückschlüsse auf das Alter machen.
Hallo Uli,
und ob eine Patina vorliegt oder nicht lässt in der genauen Betrachtung immer Rückschlüsse auf die Einlagerung zu oder lädt dazu ein diese zu hinterfragen oder genauer zu betrachten.
Bucentaur
danke für eure Einschätzungen! Aus meiner Sicht alles zuträglich für eine offene, undogmatische Beurteilung der Angelegenheit. Hab jetzt mal auch KI bemüht. Was da dazu gesagt wird, muss man natürlich immer mit einem gewissen Vorbehalt betrachten:
KI:
Was sagt die Patina aus?
Die Patina auf einem Gestein oder einem anderen Material kann verschiedene Informationen über die Geschichte und die Umgebung des Materials liefern. Hier sind einige mögliche Interpretationen:
Alter: Die Patina kann ein Indikator für das Alter des Materials sein. Eine dickere Patina kann darauf hindeuten, dass das Material älter ist.
Umgebung: Die Patina kann Informationen über die Umgebung liefern, in der das Material entstanden ist oder sich verändert hat. Zum Beispiel kann eine Patina, die durch Oxidation entstanden ist, darauf hindeuten, dass das Material in einer feuchten oder salzhaltigen Umgebung war.
Chemische Prozesse: Die Patina kann Hinweise auf chemische Prozesse liefern, die auf das Material eingewirkt haben. Zum Beispiel kann eine Patina, die durch Karbonat-Bildung entstanden ist, darauf hindeuten, dass das Material mit Wasser oder anderen Flüssigkeiten in Kontakt war.
Biologische Aktivität: Die Patina kann auch Hinweise auf biologische Aktivität liefern, wie zum Beispiel das Wachstum von Mikroorganismen.
Verwitterung: Die Patina kann auch ein Indikator für die Verwitterung des Materials sein. Eine starke Patina kann darauf hindeuten, dass das Material stark verwittert ist.
Interpretation:
Die Interpretation der Patina hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel:
Material: Die Art des Materials und seine Eigenschaften spielen eine wichtige Rolle bei der Interpretation der Patina.
Umgebung: Die Umgebung, in der das Material entstanden ist oder sich verändert hat, kann wichtige Hinweise auf die Patina liefern.
Zeit: Die Dauer, über die das Material der Umgebung ausgesetzt war, kann auch wichtig sein für die Interpretation der Patina.
Fazit:
Die Patina auf einem Gestein oder einem anderen Material kann wichtige Informationen über die Geschichte und die Umgebung des Materials liefern. Durch die Analyse der Patina können Wissenschaftler und Forscher wichtige Erkenntnisse über die Entstehung und Veränderung des Materials gewinnen.
Ich denke, wir sind uns darüber einig, allein bzw. undifferenziert von der Patina eines Artefaktes auf eine Altersepoche, geschweige denn auf ein konkretes Alter zu schließen, ist nicht zielführend und aus wissenschaftlicher Sicht auch unzulässig.
ich würde gerne zum eigentlichen Thema des vorgestellten “Flintwerkzeugs” zurückkommen. Frei heraus: aus meiner Sicht ist das ein klares Artefakt, und ein sehr schönes dazu. Glückwunsch, Mago!
“Abschlag” wurde schon erwähnt, allerdings für einen natürlichen Abschlag gehalten. Natürliche Abschläge gibt es aber nicht - entweder ist ein von Menschen hergestellter Abschlag, oder es ist ein Geofakt (im Volksmund auch als Quetscholith aufgrund der quetschenden Wirkung des eiszeitlichen Geschiebes auf Steine bezeichnet).
Bei allem Respekt für die Experten hier würde ich diesem Objekt archäologisch mehr Aufmerksamkeit widmen wollen. Es trägt nämlich fast alle sicheren Zeichen eines Artefaktes aus Feuerstein (ich nenne es mal allgemeiner Silex) und läßt sich auch genauer benennen:
Abschlag wurde schon erwähnt, dem würde ich zustimmen. Ein Abschlag der doppelt so lang wie breit ist wird ab 2 cm Länge als Klinge bezeichnet (s. u.a. J. Hahn, Artefaktmorphologie)
Klingen und deren kleinere Schwestern, die so genannten Lamellen (unter 2 cm Länge) gelten als Grundform, aus der sich viele Werkzeuge (z.B. Pfeilspitzen, Klingenkratzer, Stichel, …) herstellen lassen.
die von Stefan gezeigte Klinge weist sowohl Wallnerlinien, als auch Schlagauge und einen eindeutigen, da relativ großen Schlagflächenrest auf. Dieser entspricht dem Typ “glatt” nach Floss (Steinartefakte, S. 123). Übrigens sind die Fotos aus meiner Sicht sehr aussagefähig, alle relevanten Merkmale sind erkennbar. Warum der Schlagflächenrest (aus einem “Bauchgefühl” heraus?) hier bezweifelt wird, und der Status als Artefakt, ist mir irgendwie ein Rätsel, sorry
die Klinge ist ganz schön dünn, spricht auch für ein Artefakt
die vom Kern abgewandte Seite, also die Dorsal (bzw. Rücken-) Seite weist Schlagnegative und an deren Rand (Dorsal-) -Grate auf. Ein Nachweis dafür, daß die Klinge von einem vorpräparierten Kernstein fachmännisch abgeschlagen wurde.
OK, wie weiter? Aus meiner Sicht hast Du ein Artefakt gefunden. Vielleicht schaust Du noch mal zu der Stelle, ob Du noch ein zweites findest - dann hast Du nämlich nicht nur einen “Zufallsfund”, sondern eine Fundstelle. Die solltest Du natürlich Deinem Amt melden und die Funde zeigen.
viele Grüße und berichte doch bitte über weitere Funde,
Technicus
PS: die Ventralseite weist auf der rechten Schneide Gebrauchsretuschen auf. Warum? - weil mit dieser Seite gearbeitet wurde
PPS: schwierige, weil lokal abweichende Bezeichnungen wie Hornstein für Feuerstein bzw. Flint verwirren in meinen Augen nur. Hornstein in Bayern kann anderes Material sein als Hornstein z.B. in Niedersachsen. Daher bevorzuge ich die Bezeichnung Silex für alle Kieselgel (SiO2) - Derivate.
PPPS: die Diskussion über Patina ist spannend. Da Patina aber lokal stark variieren kann plädiere ich dafür, Silexartefakte nicht nach deren Patinafarbe, -Dicke usw. zu datieren, sondern eher typologisch und aus dem Kontext heraus. Also über den Typ, die Lage und mögliche Beifunde
Hallo Technicus,
Artefakt ja oder nein, da vertrete ich doch eine andere Meinung.
Das Stück ist m.E. doch mit großen Zweifeln behaftet. Betrachtet man die Dorsalseite so muss man feststellen, dass die vermeintlichen Dorsalnegative und Dorsalgrate eher darauf hindeuten, dass sie nicht durch einen gezielten Abbau entstanden sind, sie sind unregelmäßig, stark verrundet und nicht gezielt bzw. geplant ausgeführt worden. Auch die vermeintliche Schlagfläche/Schlagpunkt sind nicht deutlich genug ausgeprägt um das Stück zweifelsfrei als Artefakt anzusprechen. Zweifelsfreie Gebrauchsretuschen erkenne ich nicht wirklich. Wenn ich das Stück betrachte so erinnert es mich doch sehr an die Pseudoartefakte die zu abertausenden auf den Jurahochflächen, da wo der Hornstein oberflächig auftritt zu finden sind.
Das Stück ist zweifelsohne diskussionswürdig, allerdings den Artefaktcharakter würde ich ihm absprechen da es sich m.E. nicht um einen intentionalen Abschlag handelt. Auch nach mehrfachfachen betrachten wird sich meine Meinung dahingehend nicht ins positive ändern.
Beste Grüße Bucentaur
Hallo Inez,
der Schlagflächenrest ist genau die kleine Fläche, die Margo auf seinen Fotos mit einem Kringel markiert hat.
Solche Bezeichnungen kann man auch googlen, dann stößt man z.B. auf dieses Bild:
Hallo,
der Schlagflächenrest ist bei genauer Betrachtung nicht eindeutig, auch die Schlagnarbe fehlt. Mit ausschlaggebend sind bei genauer Betrachtung die Dorsalgrate welche unregelmäßig und einen “ausgefressenen” ausgefransten Eindruck hinterlassen. Das sind Grate wie sie durch natürliche äußere Einflüsse entstehen aber niemals durch zielgerichteten Schlag.
Bucentaur
Der Schlagflächenrest ist auf IMG …_161003 gut zu sehen, um zu beurteilen, dass er keiner ist.
Mein “Bauchgefühl”, wie Du es annimmst, ist die Grundlage von tausenden Artefakten, und Kooperation / Austausch in persönlichen Events, bei dem Artefakte bestimmt werden.
Gerne noch einmal als Wiederholung.
Die meisten Merkmale, die durch Schlag oder Druck auftreten, können sowohl mit Absicht vom Menschen, als auch durch natürliche Prozesse ähnlich entstehen.
Weil am Ende bei einer Foto-Bestimmung immer auch ein Unsicherheitsfaktor mit spielt, kommt (oben) der Hinweis, nach Möglichkeit der Archäologie vorlegen.
ich wollte nur sichergehen, dass wir von derselben Fläche sprechen, aber dann passt es ja. Wie gesagt, für mich sieht es eben nicht wie ein Schlagflächenrest aus, und ich verzeichne es schon mal als Lernfortschritt, dass andere hier meine Meinung teilen. Dass es zu diesem wie auch zu anderen Stücken Diskussionen gibt, finde ich - ganz egoistisch😁 - für mich vorteilhaft, denn so lernt man wesentlich mehr, wie aus jedem wissenschaftlichen Diskurs. Vielen Dank also an alle Seiten!
Hallo Jürgen,
sorry daß Du Dich angesprochen fühltest, Dich meinte ich gar nicht mit “Bauchgefühl”, sondern EmmaPeach’s Kommentar: “aber an der Stelle, die du gekennzeichnet hast, ist meiner Meinung nur ein Stückchen abgebrochen (durch Pflug, Wetter etc.). Es sieht nicht wie ein Schlagflächenrest aus.” @EmmaPeach , da fehlt mir bissl die Begründung. Ist aber völlig in Ordnung, und ich möchte niemand zu einer Meinung überreden, nur konstruktiv versuchen, daß ein gut vorgestelltes Artefakt nicht einfach so "unter den Tisch fällt.
Konstruktiv war auch die Anregung an Mago gemeint, an der Stelle vielleicht noch mal nachzuschauen. Vielleicht findet sich doch noch ein schöner Kernstein oder etwas anderes typisches.
Das war’s auch schon von mir zu diesem Fund. Nur eines noch: für neolithisch halte ich das nicht, eher älter (sagt mir mein Bauchgefühl )
mit “Bauchgefühl” habe ich mich auch nicht persönlich angesprochen gefühlt, kein Problem.
Ich habe lediglich “übergreifend” den Hintergrund meiner Einschätzung erörtert.
Deine Einschätzung “für neolithisch halte ich das nicht, eher älter”, solltest Du, der Du vom Fach bist (Feldarchäologie), aber schon mit einer entsprechenden Begründung ergänzen.
Die Schlagflächenresttypen im Floss (Steinartefakte, S. 123), insbesondere die Typen 4 bis 6 kann man ohne weitere gesicherte Merkmale kaum als solche bestimmen.
ganz kurz noch: Gerade bei Artefakten spielt bei mir das Bauchgefühl noch eine erhebliche Rolle, ganz ehrlich. Vielleicht ist es ein wenig wie mit dem Sprachgefühl. Ich habe beispielsweise im Englischen sicher während meiner ganzen Gymnasialzeit nur nach Sprachgefühl entschieden, wie ich geschrieben und gesprochen habe, und erst viel später, im Studium oder auch danach, konnte ich das dann anhand handfester Grammatikregeln erklären. Und trotzdem spreche und schreibe ich immer noch mehr nach Sprachgefühl, als dass ich ständig innerlich überprüfe, ob da auch eine Grammatikregel dazu passt (auch wenn sie natürlich passt, aber das ist halt das Sprachgefühl :)).
Bei der Artefaktbestimmung bin ich blutiger Anfänger. Ich kenne die Kennzeichen eines Artefakts, aber ich kann sie bei vielen Stücken noch sehr schwer identifizieren, so wie bei deinem Stück. So etwas lernt man ja nicht über Nacht. Deshalb traue ich mich manchmal, mein Bauchgefühl mit dem Wissen um die Merkmale im Hinterkopf sprechen zu lassen. Ich glaube, so habe ich schon immer gelernt, in vielen Bereichen zumindest. Verzeih also bitte, wenn ich keine genauere Begründung angeben kann als die, dass der Schlagflächenrest aussieht wie eine Fläche, die zurückbleibt, wenn etwas abgebrochen wird, und nicht wie etwas, von dem aus etwas abgeschlagen wird.