Jürgen, besten Dank für deine Hinweise und zuträglichen Beiträge!
Schaut man sich die von dir aufgezeigte Studie im Detail an, verstärkt sich sogar für mich der Eindruck, dass Patin zur chronologischen bzw. grob alterszeitlichen Einschätzung von Artefakten als Indiz auch hierin mit herangezogen wurde.
So heißt es in dieser Studie z. B. auf S. 58 nämlich auch: Die Abschlagnegative sind anders patiniert als die ursprüngliche Dorsaloberfläche.“ Damit könnte bei diesem Kern ein Fall von mehrphasiger Nutzung vorliegen, bei welcher ein ehemalig verworfenes Artefakt mittelpaläolithischer Natur zu einem späteren Zeitpunkt aufgesammelt und im neolithischen Kontext wiederverwendet wurde.
Inhaltlich wird dazu noch auf S. 73 erläutert, dass es sich bei diesem Fall „aufgrund der vorhandenen Doppelpatina“ um eine im Mittelpaläolithikum verworfene Grundform handelt..
(Stichwort: Patina als ein Indiz zur chronologischen Altersabgrenzung).
und auf S. 77 wird z.B. dargelegt:… Obermaier und Breuil beschreiben 1908, dass sie sowohl typologisch als auch aufgrund der Abnützungsspuren der Kanten und der von ihnen als „tief alt“ bezeichneten Patina die mittelpaläolithischen Steinartefakte identifizieren konnten. Und als Wertung wird in der Studie hierzu betont zum Ausdruck gebracht: „Somit wurde bereits zu der damaligen Zeit der Erhaltungszustand als ein mögliches chronologisches Entscheidungsmerkmal herangezogen.“
Hier noch ergänzend eine weitere inhaltliche Einlassung (bzw. Auszug daraus) zur Thematik des meines Erachtens noch laufenden Disput bzgl. Gesteinspatina und das (eventl. vermeintliche) Heranziehen für eine Altersbeurteilung von Artefakten (s.a. Link):
Über die Patina altsteinzeitlicher Artefakte
Ein Versuch zur Klärung
von Herbert Lindner, Furth i. Wald
„Seit W. Deecke in seinem Buche über die mitteleuropäischen Silices die Patina altsteinzeitlicher Artefakte für unbeachtlich in bezug auf die Altersstellung der Geräte erklärt hat, und um dieselbe Zeit auch G. Hoffmann Patina als irreführend bei der Altersbestimmung bezeichnete, mit der Begründung, sie entstehe durch die Einwirkung der Atmosphärilien und der chemischen Bestandteile des Bodens, ist bei vielen Fachgenossen die unbegründete Meinung verbreitet, daß auf die Patina an Werkzeugen aus Flint oder
ähnlichem Material wie Jurahornstein und Quarzit keinerlei Wert zu legen sei. Die davon abweichende Ansicht anderer Forscher ist aber niemals verstummt, als Beispiel sei Grahmann herausgegriffen, der das nach ihm höhere Alter gewisser Markkleeberger Artefakte mit ihrer außerordentlich starken Patinierung stützt. Von vielen anderen Forschern ist in ihren Veröffentlichungen wenigstens auf die Patina immer wieder hingewiesen worden, wobei sie ab und zu auch als Alterskriterium verwendet wurde, so
z. B. bei K. Brandt oder L. Zotz. Der stärkste Widerspruch gegen die These von der
Unbeachtlichkeit der Patina kommt indessen immer wieder von den praktisch in der
Feldforschung tätigen, allermeist auf Oberflächenaufsammlungen angewiesenen For-
schern, welche die Erfahrung machen, daß erstens bestimmte Gerätegruppen einheitlich
patiniert auftreten, daß verschiedene solche Gruppen eine verschiedene Stärke der Patina aufweisen und daß die Dicke der Patina bei den typologisch alten Formen stets weit größer ist als bei den jüngeren.
H. Lindnero hat in Oberschlesien diese Wahrnehmung fast als Leitsatz benutzt, und zwar mit bestem Erfolg.
..auch heißt es darin weiter auf S. 23 bzw. S. 24:
„Es ergib sich aber aus all diesen Hinweisen, daß etwa vom Ende des Paläolithikums bis etwa in
die frühe Mittelsteinzeit fallend jene Zeitgrenze zu setzen ist, seit der eine Patinabildung sich in der Regel nicht mehr an den Steingeräten bemerkbar macht. Das bedeutet aber nichts weniger als eine Ermittlung der Mindestzeit, die für die Ausbildung
einer Patina an Silexartefakten erforderlich ist..
..Ob es jemals möglich werden wird, über diese vorsichtig anzuwendende Möglichkeit relativer Zeiteinstufung hinaus aus der Patinierung der Artefakte absolute Zeitbestimmungen zu ermitteln, wie dies in den organischen kohlenstoffreichen Materien die bekannte ClLMethode ermöglicht, steht dahin.“
Gesteinspatina zur Altersbeurteilung bzw. chronologischen Altersdifferenzierung absolut zu verwerfen ist meines Erachtens selbst im wissenschaftlichen Diskurs bislang nicht angezeigt.
Beste Grüße
Uli