Fragment eines mittelalterlichen Mörsers?

Hallo,

aus einem Nachlass habe ich dieses Stück aus Kalkstein (mit fossilen Einschlüssen) bekommen. Die Maße sind ca 30x13cm. Ich vermute, dass es von einem großem Mörser o.ä. stammt, da über dem Frauenkopf eine Art Auslass ist. Das Ganze wirkt auf mich recht mittelalterlich. Leider habe ich keine weiteren Informationen dazu bekommen können. Kann es vielleicht dennoch jemand von Euch zuordnen?

Viele Grüße
Andreas




Moin,

sieht für mich nach einem Stück Weihwasserbecken aus.

Gruß Shard

Danke für die Rückmeldung!
Daran hatte ich auch gedacht. Allerdings macht dann der Ausguss wenig Sinn, oder?

VG
Andreas

Das ist richtig. Den hatte ich nicht wahrgenommen. In diesem Fall würde ich Richtung Brunnenteil tendieren. Für einen Mörser erscheinen mir die Figuren zu unpraktisch. Habe auch noch nie einen Mörser mit so großen Tierelementen bzw Ausguss gesehen ( was aber nicht bedeutet, dass es das nicht gibt).

Gruß Shard

Edit:

Ein Kaskadenbrunnen wäre möglich. Hier ein Beispiel ohne Verzierungen:

https://www.garten-und-wohnen.online/images/product_images/original_images/granitbrunnen_kaskade_flintstone_garten-und-wohnen1.jpg

Vermutlich wurde der Brunnen durch irgendwas zerstört und das Fragment wegen der schönen Figuren aufbewahrt.

Moin Andreas,

Du schreibst, die Maße sind ca. 30 x 13 cm.
Das sind vermutlich die Außenmaße des Fragmentes, der Durchmesser der Mulde, das Volumen, ist demnach groß genug für einen Wasserbehälter.

Stimme Shard zu.

Gruß

Jürgen

Danke für die Rückmeldungen!
Genau, die Maße sind die Außenmaße. Ich habe noch ein wenig das Internet durchforstet und bin auf dieses Stück gestoßen:
https://www.invaluable.com/auction-lot/rare-early-large-spanish-gothic-figural-mortar-ci-271-c-7a94b9793a#
Es wirkt zwar kleiner, passt ansonsten aber ganz gut wie ich finde.
Könnt Ihr die Figuren irgendwie zeitlich einordnen? Auffällig finde ich das Muster auf der Mütze und Oberkörper der kletternden Gestalt.

VG
Andreas

Hallo Andreas,

bei der zeitlichen Einordnung betreffend die Darstellungen würde ich dir zustimmen, denn Belege für solche anliegenden Kappen gibt es aus Haithabu und aus Birka.

Ein mittelalterliches Taufbecken könnte schon eine Art „Überlauf“ gehabt haben:

Was mich allerdings irritiert: Das Teil sieht wirklich sehr sauber aus, selbst in den Ritzen. D. h., ich erkenne nichts, was auf eine in Jahrhunderten entstandene Patina deuten würde.

LG Barbara

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Nachtrag: Weihwasserbecken mit „Ausguß“.

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Hey super! Danke! Der passt auch von der Größe her.
Bzgl. Datierung: für 16./17. Jh wirken mir die Figuren bei meinem Stück nicht renaissance-mäßig genug. Solche und ähnliche Kopfbedeckungen scheint es auch schon zur Wikingerzeit gegeben zu haben. Ich bin da auch noch am stöbern, vermute aber vorsichtig das es in de selbe Richtung wie das MA Weihwasserbecken geht.

Bzgl. der Sauberkeit: Hat mich auch erst irritiert. Allerdings erkennt man an einigen Stellen leichte Bestoßungen und dort die eigentliche, deutlich hellere Färbung des Gesteins. Es weißt überall, auch an den Bruchkanten, eine gleichmäßige, hellbraune Patina auf. Ich denke es fristet sein Dasein schon sehr lange als Fragment.
Ich habe es schon öfters in Kirchen beobachtet, dass (abgesehen von abgegriffenen Flächen) alte Steinskulpturen keine deutlichen Verschmutzungen oder starke Patina aufweisen. Ich denke deren Bildung hängt sehr vom Mikroklima ab.

Beste Grüße
Andreas

In diesem Ausstellungskatalog sind viele schöne Beispiele:

Auf S. 30 Fig. 3 ist eine Figur mit sehr ähnlicher Mütze dargestellt. S. 33 Fig. ist eine Mütze abgebildet, deren Muster sehr gut zu der des kletternden Kerlchens hier passt. Die symmetrische Haartracht (wie bei dem Frauenkopf) taucht auch öfters auf. Beides verweist in die Romanik ins 12. Jh.

Beste Grüße
Andreas

Ich meine diese Art von Steinmetzarbeiten aus modernen Kirchen der 60er/70er Jahre zu kennen. Daher auch meine erste Idee mit dem Weihwasserbecken. Mir fällt aber einfach nicht mehr ein wo ich das gesehen habe und im Internet finde ich auch nichts dazu.
Dies könnte zumindest den guten Zustand des Fragments erklären.

Gruß Shard

So jung würde mich wundern. Dann müsste es innerhalb weniger Jahrzehnte wieder zerstört worden und dann wieder eine Patina darauf gewachsen sein. Ich würde dem Zustand nicht so viel Bedeutung beimessen: Schau dir mal in dem verlinkten PDF z.B. S. 13 Fig.4 u. 5 oder S. 30 Fig. 2 an. Das sind definitiv Stücke aus dem 12. Jh. und sie wirken sehr “sauber”

Zerbrechen kann es am gleichen Tag an dem es erschaffen wurde und eine Patina hast du auch nach 50/60 Jahren. Je nach Lagerung mehr oder weniger ausgeprägt.

Aber ich schließe auch nicht aus, dass es weitaus älter ist. Mal sehen was am Ende raus kommt. Hast du es beim Amt gemeldet?

Gruß Shard

Und ich möchte nicht ausschließen, dass es deutlich jünger ist :slight_smile: Mal sehen was sich noch heraus finden lässt. Ich halte Euch auf jeden Fall auf dem Laufenden.
Der Kontext von dem Stück ist leider nicht mehr nachvollziehbar. Die Tochter des Erblassers konnte auch nichts dazu sagen. Der Mann ist in den 50er und 60er Jahren als Journalist viel herum gekommen und hat alles mögliche Zusammengetragen. Darunter auch dieses Stück.

Die Beispiele für Wasserbecken aus dem kirchlichen Bereich hatte ich auch nur für „Ausguss/Überlauf“ gegeben. Und ja, solche Kopfbedeckung hatten auch die Wikinger. Die für diese Form einer mittelalterlichen Kopfbedeckung genannten Fundorte Birka und Haithabu gehören zu Wikingerkultur.

Ja, diese Zeitstellung macht für mich die Sache rund! Dann stimme ich jetzt für Taufbecken und würde die Figur an der Seite als Baby mit gestricktem/gehäkeltem Mützchen und Jäckchen deuten. Diese Zeitstellung würde mir auch die „gemusterte“ Oberfläche des Beckens erklären, die für mich eher nicht ins Mittelalter oder andere frühere Jahrhunderte passt.

Auch wenn dein Stück höchstwahrscheinlich nicht sooo alt ist, es ist eine schöne Steinmetzarbeit mit künstlerischem Wert!

LG Barbara

Danke für die Einschätzung Barbara und Shard. Ganz überzeugt bin ich noch nicht, dass es aus den 60er/70rr Jahren stammt, aber ich bin da auch nicht wirklich versiert. Nur warum sollte eine solche Netzstruktur nicht im Mittelalter gemacht worden können sein? Bzw anders herum: gibt es Beispiele für solche Gefäße aus der Neuzeit? Aus dem Mittelalter haben wir sie gesehen und Beispiele für derartige Figuren ebenso.
Der Rumpf des kletternden Männchen hatte (als er noch vorhanden war) keinen Kontakt zum Untergrund. War also vollplastisch ausgeführt. Vielleicht gibt es noch einen Hinweis. Ist ja recht filigran gewesen dann.

Ich hänge gleich noch eine (zugegeben ich besonders gute) Handyaufnahme von der Mütze an. Da erkennt man die Struktur besser. Sie passt gut zu der oben zitierten Mütze aus dem 12. JH.

Besten Dank und viele Grüße
Andreas

Hallo Andreas,

es gibt aus dem Mittelalter (und schon aus römischer Zeit) Beispiele von Oberflächen, die mit dem Zahneisen strukturiert wurden.

Aber bei deinem Stück ist ziemlich präzise eine Art Waffel- oder Webmuster entstanden. Das korrespondiert für mich mit der Darstellung der Bekleidung, die ich als gestrickt oder gehäkelt deute.

Bei der Mütze habe ich mich zunächst von der Form leiten lassen, die durchaus zu mittelalterlichen (Wikinger-)Kappen passt. Die gibt es wohl auch aus Wolle mit der mittelalterlichen „Naalbinding“-Technik, aber sie waren dann doch eher aus Filz oder Leder und aus 4 bis 6 Teilen zusammengenäht. Das hatte ich zunächst ausgeblendet.

Die Frage, ob Neuzeit oder sehr viel älter, kann ich nur aus dem Bauch heraus beantworten. Ich tendiere nach längerer Betrachtung zur Neuzeit.

LG Barbara

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Liebe Barbara,

Danke für die Ausführungen! Sehr interessant das Werkzeug zu sehen. Die Strickmütze hat in der Tat frapierende Ähnlichkeit, wenn gleich der verdrehte Kopf der Figur etwas bizarr wirkt.
Bei einer Sache möchte ich dir allerdings widersprechen: Gerade in der Romanik und Gotik hatten die Steinmetze durchaus Humor, wie sich an vielen sogenannten Marginalien zeigt. Hier auf die Schnelle einige Beispiele im Google:
https://www.google.com/search?q=medieval+grotesque+funny&tbm=isch&ved=2ahUKEwiNpMWp5d_3AhWEyqQKHYcnCksQ2-cCegQIABAC&oq=medieval+grotesque+funny&gs_lcp=ChJtb2JpbGUtZ3dzLXdpei1pbWcQAzoECCMQJzoICAAQCBAeEBM6BAgAEBM6BggAEB4QEzoECB4QClCiCFiUE2DKFWgAcAB4AIABkgGIAfkGkgEDMi42mAEAoAEBwAEB&sclient=mobile-gws-wiz-img&ei=3wuAYs24N4SVkwWHz6jYBA&bih=550&biw=360&client=ms-android-huawei-rev1&prmd=isnv

Herzliche Grüße
Andreas

Hallo Andreas,

als ich das schrieb, hatte ich lediglich an den „heiligen“ und zentralen Vorgang der Taufe gedacht. Da das aber nicht allgemein stimmt, hatte ich diesen Teil meines Posts dann wieder gelöscht. :wink:

Und du hast recht, bestimmte Merkmale der Darstellungen erinnern an die Romanik. Aber je länger ich dein Teil betrachtet hatte, wurde ich das Gefühl nicht los, dass mit solchen Stilmerkmalen auf moderne Weise nur „gespielt“ wurde. Die von @Shard ins Spiel gebrachten 60er/70er Jahre haben für mich dann Sinn gemacht, obwohl ich keine passende Stil-Referenz gefunden habe.

Danke übrigens für das PDF der 30 Köpfe. Das hat mir gleich mit der ersten Abbildung eine weitere Variante zu meinem eigenen Green Man geliefert.

Der stammt aus dem Nachlass eines Hamburger Architekten und hat mich viel Recherchearbeit gekostet. Eine Zeitstellung habe ich dann freundlicherweise von Dr. F. M. Kammel vom Germanischen Nationalmuseum bekommen können. Aber die Einordnung des Dargestellten für weitere Recherche ist mir erst durch eine Diskussion zu einem anderen Fund hier im Forum gelungen!

Eine Mail-Anfrage an das Germanische Nationalmuseum ist ja vielleicht auch für dich eine Option?

Sonnige Grüße aus Hamburg
Barbara

Hallo Barbara,

beim Germ Nationalmuseum nachzufragen ist eine gute Idee! Danke!
Ein schönes Stück hast du da! Ich nehme an Gotisch, 14. /15. Jh? Magst du etwas darüber erzählen?
Ich habe auch einen grünen Mann. Englisch, 14. Jh.

Liebe Grüße
Andreas

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