Fragment eines Sandsteinkreuzes mit Inschrift

Hallo und guten Tag,
beim Entrümpeln meines Elternhauses fiel mir das Fragment eines Steinkreuzes in die Hände, von dem mein Vater mir mal erzählt hat, er hätte es mal beim Pflügen gefunden. Es kann sein, dass er es in den Feldern in der Nähe der Burg Heppenheft im Rhein-Lahn Kreis entdeckt hat. Leider hab ich mich erst jetzt damit beschäftigt und kann leider keine Details zum Fundort sagen.
Bei dem Fragement handelt es sich um den oberen rechten Teil eines Kreuzes, das Material ist wohl roter Sandstein. Es ist ca. 35cm breit und 40cm hoch. Auf der Vordeseite ist eine beschädigte Inschrift zu sehen, die ich mal mit Streiflicht ein bisschen lesbarer gaemacht habe.
Der Fund ist nicht offiziell gemeldet worden. Vielleicht kann mir jemand etwas Näheres zum Alter und zum Inhalt der Schrift sagen.


Vielen Dank

Hallo und herzlich willkommen im Forum @Flippo

Bei deinem Stück könnte es sich z. B. um ein „Sühnekreuz“ handeln. Da aber die Schrift schon sehr verwittert und auch nur noch fragmentarisch erhalten ist, wird das ein Rätselraten. Dazu müsste man sich auch noch mit solchen Inschriften, ihren Eigenarten in der Schreibweise und möglichen lokalen historischen Hintergründen auskennen. Ein schnell gefundenes Beispiel: Kreuzstein in Ennigloh erinnert an Bluttat im 17. Jahrhundert | nw.de

Ich selber kann aus den zu entziffernden Buchstaben kaum Sinn machen. Zumal wahrscheinlich auch mit Ligaturen (zusammengezogene Buchstaben) gearbeitet wurde.

Aber es gibt für alles Fachleute, an die man sich wenden könnte:

Parallel würde ich mich an die zuständige Stelle für Archäologie wenden:

Bitte halte uns über neue Erkenntnisse informiert.

LG Barbara

Guten Morgen,

vielen Dank für die schnelle Recherche und vor allem für die weiterführenden Links……
Der Begriff Sühnekreuz weckt Assoziationen zu einem, etwas weiter nördlich gelegenen, mittelalterlichen ehemaligen Richtplatz, der heute noch in den Karten als „Galgenkopf“
bezeichnet wird. Allerdings ist das zeitlich nicht genau einzugrenzen.

Besten Dank!

Thomas Nassau

@Flippo

Moin Thomas,

hier doch noch ein Leseversuch. Ich schrieb schon, dass ich meine, Ligaturen zu erkennen. Und “V” wäre als “U” zu lesen.

Es könnte sich um eine niederdeutsche Sprache handeln. “DAVD = DAUD” könnte dann “Tod” heißen.

LG Barbara

Hallo Barbara,

wow, das klingt plausibel!
Wobei ich noch anmerken würde, dass wir uns mit dem Fund im Südwesten befinden und möglicherweise das Niederdeutsche nicht so verbreitet war.
Wenn das V dann U wäre, würde aus NV ja NU und würde evtl. für „nun“ stehen?
Dann wäre die zweite Zeile vielleicht sowas wie „nun hat der“ ?
Echt interessant.

Der zeitliche Kontext wäre noch spannend, weil sich eine alte Burgruine aus dem 12-14 Jahrhundert in der Nähe befindet und ein mittelalterlicher Gerichtsplatz, dessen alte Flurbezeichnung „Am Gericht“ hieß und heute als Galgenkopf bezeichnet wird.
In einer Chronik finden sich ein paar Texte aus dieser Zeit, vielleicht lässt sich daraus auf den verwendeten Dialekt schließen.
Hast du Interesse an einer weiteren Diskussion?
Im Anhang mal ein Google Earth Bild der Lokation…

LG Thomas

Ja, so lese ich das auch. Und auch an einer Diskussion habe ich immer Interesse. Ich werde aber wohl nicht mehr viel dazu beitragen können. Ist nicht “mein” Gebiet, und eine weitere Recherche wird wohl eher lokal anzugehen sein.

Interessant wäre auch eine Einschätzung der in meinem ersten Beitrag genannten Forschungsstelle zu Inschriften.

LG Barbara

P.S.: Schreib mich in weiteren Beiträgen hier im Thread dann bitte mit “@” und “RandomHH” an. Dann bekomme ich per Mail Nachricht.

Alles klar.
Vielen Dank. Ich hab die beiden Adressen angeschrieben.
Mal sehen was draus wird. Trotzdem vielen Dank für die Anregungen und die nette Plauderei.

Beste Grüße
Thomas

Moin Thomas

Was mir noch einfällt:

Das Kreuz scheint eine integrierte Vorrichtung zum Aufhängen zu haben. Ob ursprünglich oder nachträglich eingearbeitet, lässt sich eher nicht beurteilen. Muss also nicht in der Landschaft gestanden haben.

Wenn dein Kreuz im unmittelbaren Zusammenhang mit der Burg oder dem Gerichtsplatz zu sehen wäre, dann käme neben Mundart auch Mittel- oder Frühneuhochdeutsch (in jeweils regionaler Ausprägung) in Frage. Da es aber vor Konrad Duden keine „Rechtschreibung“ gegeben hat, sind schriftliche Zeugnisse im Zusammenhang mit einer Zeitbestimmung ein weites Feld. :wink:

Ich vermute aber, dein Kreuzfragment ist jüngeren Datums. Die von dir zitierte Chronik ist trotzdem ein guter Ansatzpunkt für eine eigene Recherche.

„DAVD“ könnte auch als Adjektiv (= tot) gelesen werden.

Ich bin gespannt, was von den beiden von dir angeschriebenen Adressen kommt!

Dass Recherche mühsam ist, und auch trotz Einschaltung einer Behörde zu nichts führen kann, habe ich schon selber erfahren. Suche mal hier im Forum nach „Holzbohlenfund in einem Bachbett“. :wink:

LG Barbara

Hallo Barbara,

Frau Dr. Kern von der die Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz

„die Deutschen Inschriften“
war so nett und hat das Kreuz auch in Augenschein genommen.
Sie kommt zu folgender Einschätzung:

Unserer Einschätzung nach handelt es sich nicht zwangsläufig um ein Sühnekreuz, sondern wohl eher um ein Grabkreuz. Vergleichbare Kreuze sind - allerdings aus dem Material Basalt - im Mittelrhein/Mosel-Gebiet häufiger zu finden. Die erkennbaren Buchstaben würden wir folgendermaßen auflösen:

H[I]E[R]

RVHET DE[R]

EHREN GE

[AC]H - TE

[…] DAV[DG?]

[…] GEWESE[N]

[…] CHVS […]

(eine eckige Klammer bedeutet nicht lesbare, sondern erschlossene Buchstaben; unterstrichen bedeutet, dass zwei Buchstaben zu einem sog. Nexus zusammengezogen sind)

Es handelt sich also wohl um ein Grabkreuz für einen Verstorbenen (Hier ruht der ehrengeachtete …), in dessen Nachnamen die Buchstabenkette DAVD (= daud) vorkommt. Das GEWESEN (im Sinne von “ehemals”) bezieht sich auf seinen ehemaligen Beruf (oder ein Amt), der in der folgenden, kaum noch lesbaren Zeile gefolgt sein düfte. Ob abschließend eine Jahreszahl mit dem Todesjahr stand, ist nicht zwingend sicher, aber durchaus möglich. Aufgrund der Schriftart und weiterer Indizien gehen wir von einer Fertigung des Kreuzes in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus. Einzelne Buchstabenformen der handwerklichen, aber sehr klaren Kapitalis sprechen ebenso dafür wie das als U verstandene V bei DAVD. Eine Fertigung im 14./15. Jahrhundert (oder früher) können wir jedenfalls definitiv ausschließen.

Die beiden erhabenen (also nicht vertieft gearbeiteten) Ansätze von Balken in der Mitte interpretieren wir als Reste einer Hausmarke oder eines Zeichens, also nicht zwangsläufig als Kreuz im Kreuz. Vergleichbare Zeichen basieren oft auf ähnlichen Grundformen (ein Vergleichsbeispiel aus Müden ist beigefügt).

Ein wenig Unsicherheit und Kopfzerbrechen bereitete uns der Gedankenstrich in Zeile 4, denn so etwas ist schon eher ungewöhnlich. Möglicherweise sollte dies auch ein kleines Kreuz andeuten, das durch den schlechten Erhaltungszustand verloren gegangen ist. Bei einer Aufnahme im Streiflicht ist vielleicht noch mehr zu erkennen.

Wir hoffen jedenfalls, Ihnen weitergeholfen zu haben.

Einstweilen mit freundlichen Grüßen

Ihre

Deutschen Inschriften

Dr. Susanne Kern

Es hat mich sehr gefreut, dass so viel Interesse gezeigt wurde und vielen Dank an alle.

Beste Grüße
Thomas

Servus,

vielen Dank für die Auflösung! Ist doch immer wieder interessant was die Experten da noch rausholen können!

Gruß Shard

@Flippo

Hallo Flippo.

erst mal danke für die Nachricht. Frau Dr. Kern schreibt zu dem “Gedankenstrich” :

Dazu ein Gedanke von mir, wenn man sich die Schriftzeichen im oberen Kreuzteil anschaut, so ist die erste Zeile (HIER ?) größer als die nächsten Zeilen. Bei der Zeile (ACH ?) ist das H aus Platzgründen schmäler. Hier sieht man, dass das kleine Kreuz oder Hausmarke höher in die Zeile ragt.
Hätte der Steinmetz jetzt das H auch noch kürzer gemacht, dann wären die Buchstaben “sichtbar” zu klein geworden.
Ich nehme deshalb an, dass er das “erhabene” Mittelteil zuerst mit Muster, Rand und Schrift versah, denn hier war die Gefahr gegeben, dass etwas abplatzte sehr groß.
Ergo konnte er den oberen Teil des kleinen Kreuzes nicht mehr kürzen und mußte die Umschrift unterbrechen. Dass er hier Pi mal Daumen gearbeitet hat, sieht man eindeutig an den Zeilenhöhen !
Er machte also einen Gedankenstrich oder besser Bindestrich, um anzudeuten, dass das Wort hinter dem Kreuzsteg weitergeht und nicht direkt runter zum linken Kreuzbalken gelesen wird. Dadurch war eindeutig klar, dass es als GEACH - TETE gelesen wurde.
Das sind zwar nur Vermutungen, aber aus handwerklicher Sicht durchaus nachvollziehbar !

Kreuz

Gruß
Kurti