Hallo Shard, hallo Schoersch, hallo StoneMan,
ich danke Euch für die rege Teilnahme an meinen Themen. Jetzt mache ich ein weiteres Thema auf, weil es – so denke ich – einfach so übersichtlicher bleibt. Ich versuche dabei Eure Fragen und Hinweise nacheinander abzuarbeiten. Im Teil II ging es u.a. um die Steinspitze (Speerspitze?) aus Schiefer. Shard meinte, dass sie „als Werkzeug/Waffe vollkommen ungeeignet wäre“. Damit hat er auf den ersten Blick zweifellos recht. Der Schiefer besteht aus dem versteinerten Meeresschlamm des Devon-Meeres (400 Mio Jahre). Das Mit
telrheinische Schiefergebirge hat sich wie ein Kuchen, wie ein„Blätterteig“, gefaltet. Der Stein ist deshalb fragil, blättrig und „schiefrig“. Aber er hat auch viele Vorteile. Er ist leicht zu verarbeiten und auf seine Art stabil, wenn man ihn richtig verwendet. Im Rheinland sind damit traditionell die Dächer gedeckt, die oft hundert Jahre und länger halten.
Aber vorab möchte ich einen kleinen Exkurs zur Waffentechnik machen - und die Frage stellen: „Muss es immer Feuerstein sein?“
Lassen wir den Überlebensspezialisten Gerhard Buzek zu Wort kommen, der in seinem umfangreichen Buch u.a. folgendes über die Herstellung von Jagdwaffen schreibt:
„Speer – Seine Länge sollte zwischen 1,50-2 m liegen, sein Durchmesser, je nach Material, zwischen 2,5-3 cm. Die Spitze kann durch einfaches Härten widerstandsfähig gemacht, durch Einsetzen von Stein-, Knochen- oder Stahlspitzen jedoch in der Eindringtiefe wesentlich verbessert werden.“ Stahlspitzen hatten unsere Eiszeitleute noch nicht, aber genügend Knochen und Steine.
„Pfeile - „Fertigen Sie den Pfeilkopf, am besten aus Hartholz. Dazu nehmen Sie Holz, nach Möglichkeit in der Stärke des Schilfschaftes, ca. 15-20 cm lang. Härten Sie die Spitze (es kann auch eine Knochen-, Stein- oder sonstige Spitze eingefügt werden. Schneiden Sie das Ende entsprechend zu, und kleben Sie die Spitze mit Harz in den hohlen Schilfschaft.“ Hartholz war in der Eiszeit noch nicht zu finden, aber Kiefernholz war auch gut zu verwenden. (Quelle: Buzek, Gerhard – Das große Buch der Überlebenstechniken, Orbis Verlag)
Unsere Vorfahren waren sicher ebenso praktisch veranlagt wie wir heute. Wenn es keine Feuersteinvorkommen vor Ort gab, dann spricht nichts dagegen für die Jagd einheimisches Steinmaterial zu verwenden. Warum sollten sich die Jäger die Mühe machen und komplexe Feuersteinklingen herzustellen, wenn geeignete Steine, die schon eine entsprechende Form haben, vor ihren Füßen lagen? Während der Jagd gingen die Waffen zumeist verloren. Sollten wir deshalb bei den Steinfunden nicht nur fragen, ob sie bearbeitet worden sind? Sondern auch fragen, ob sie nutzbar/nützlich für die Jagd sein könnten? Oder ob sie gar von den Jägern „benutzt“ wurden? Wie oben beschrieben sind Feuersteinspitzen für die Jagd vielleicht besser geeignet, aber nicht notwendig. War der Feuerstein vor Ort nicht vorhanden, dann musste er verhandelt werden, also war er für die Jäger auch „teuer“. Ich bin überzeugt, dass es damals (wie heute) schon unterschiedliche Werkzeug- und Waffenqualitäten gab.
Die Jagd in der Eiszeit war recht einfach. Sie unterschied sich grundlegend von der Jagd im modernen europäischen Wald. Bis ins 20. Jahrhundert hat sich die Jagd in den Eis- und Nordländern nicht verändert. Der amerikanische Arktisforscher Vilhajalmur Stefansson hat um 1910 auf seinen Reisen zum ersten Male nachgewiesen, dass man „vom Lande“ leben kann, und dass die Arktis ein Gebiet voller Leben, ein Land voller jagdbarer Tiere ist. Er schreibt: „Die arktischen Grasländer enthalten Karibuherden von Zehntausenden und ab und zu von Hunderttausenden in einer einzigen Schar und eine geringere Anzahl Moschusochsen hier und dort. Wölfe, die von den Karibus leben, treiben sich einzeln und in Rudeln von zehn oder weniger umher. Ihre Gesamtzahl in den arktischen Prärien der beiden Halbkugeln muss in die Zehntausende gehen. Es gibt Polarfüchse, weiße und blaue, die im Sommer von den unglaublichen Schwärmen von Lemminge leben, die auch die Nahrung von Hunderttausenden von Eulen, Habichten und Möwen bilden. Ferner gibt es Gänse, Ringelgänse, Schwäne, Kraniche, Taucher und verschiedene Entenarten. Zur Mauserzeit ist der Boden auf einigen Inseln, wie zum Beispiel auf Banksland 500 bis 600 Kilometer nördlich vom Polarkreis, buchstäblich weiß von Millionen von Schneegänsen…“ (Quelle: Stefansson, Vilhjalmur, Länder der Zukunft, Brockhaus 1923)
Mit den einfachsten Waffen konnte die Jäger reiche Beute machen. Die Eskimos lenkten die riesigen Herden der Rentiere – so berichtet Stefansson – in regelrechte „Bahnen“ und dabei in Furten und Engstellen, indem sie Steintürme in Menschengröße an den Seiten aufstellten, vor denen die Tiere sich fürchteten. Von den Seiten aus warfen sie ihre Speere und konnten die Tiere gar nicht verfehlen. Die Moschusochsen (Ovibos) waren noch einfacher zu erlegen. Die Herden dieser Tiere hatten die Gewohnheit nicht zu fliehen, sondern sich in einer Igelform aufzustellen, die stärksten Tiere nach außen. Näherten sich die Jäger, so gab es zwar einzelne Angriffe der stärksten Tiere, die sich aber dann schnell wieder zurückzogen. Die Eskimos konnten oft bis 10 Meter herankommen und die Tiere einfach aufspießen. Einige Eskimos jagten die Ovibos gemeinsam mit Hunden. Die Hunde lenkten dabei die Tiere ab. Interessant ist hier in diesem Zusammenhang das 2017 (?) gefundene Grab von Bonn-Oberkassel (-14.700) in dem ein 40jähriger Mann und eine 25jährige Frau mit einem Hund begraben wurde.
Ich musste so weit ausholen, um meine These zu untermauern, dass meine Schieferspitze (PF 3, siehe auch Teil II) als Speerspitze gedient hat, oder dafür vorbereitet wurde. Ebenso, dass meine Pfeilspitze (PF 1, siehe Teil I), als Pfeilspitze gedient hat, oder dafür vorbereitet wurde.
Mit der Überfülle der Tierwelt in der Arktis und in der arktischen Eiszeit war die Jagd mit den einfachsten Waffen und Werkzeugen machbar und vernünftig, weil sie kraft- und zeitsparend war. Schon die richtige Form eines Steines konnte ihn zur Waffe oder zu einem guten Werkzeug machen.
Auch an der Schieferspitze, die symmetrisch bearbeitet worden ist, befinden sich Reste von einem Harzkleber, wie man deutlich an der Mikroaufnahme (20-fach) erkennen kann.