Graviertes Zeichen auf Bronze-Artefakten

Ich brauche mal Hilfe, um ein Thema aus dem Kopf zu bekommen.

Vorab: Ausgangspunkt meiner Frage ist ein graviertes Zeichen, das mir inzwischen dreimal unter die Augen gekommen ist. Angesprochen wurde es jedes Mal als keltische Rune. Das kam mir schon bei der ersten Sichtung seltsam vor (leider habe ich nur das 2. und 3. Mal einen Screenshot gemacht). Bei meinen Recherchen bin ich dann lediglich auf einen Runen-Fake aus dem 18. Jahrhundert gestoßen.

Die „Runen“-Träger deuten aber auf römische Artefakte. Das hat mich auf die römische Kurzschrift (und die römische Kursive) gebracht. Und leider komme ich auch da nicht recht weiter.

Ist jemand von euch, z. B. im Zusammenhang mit dem römischen Militär (das ist meine Vermutung), schon auf diese Art Zeichen gestoßen? Vielleicht als Zeichen für „aus dem Dienst entlassen“? Denn die einzige sinnvolle Zeichenkombination aus den Tironischen Noten, die ich habe finden können, ergibt „ab/absens iampridem“. Der lange Strich solo könnte allerdings „Graecus“ bedeuten.

Hier meine Links:

supertextus notarum tironianarum (für die Kombination der Zeichen)
Tironische Noten: Rückwärtssuche
The Roman Army’s Company Clerks | Legio I Lynx Fulminata

LG Barbara

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Hallo Barbara.

Vorab: Es gibt keine “keltischen” Runen. Die Runen-Schrift entstammt der Wikingerkultur. Die ältesten bekannten stammen - Irrtum möglich! - etwa aus dem 6.-8. Jhd nach Christus. Zu dem Zeitpunkt war die keltische Kultur in Festlandseuropa längst untergegangen. Die letzten Reste gab es zu dem Zeitpunkt noch auf den britischen Inseln und dort entwickelte sich die Ogham-Schrift, die allerdings nur für Gedenkinschriften auf Steinmonumenten verwendet wurde und keine Bedeutung für die Kommunikation hatte. Die alten keltischen Stämme kannten keine Schrift, lediglich Symbole sind überliefert.

Zu den beiden Artefakten: Es wäre gut, wenn man von den Gravuren Vergrößerungen oder Großaufnahmen hätte. Zumindest beim 2. Objekt habe ich den Eindruck, als wäre die Gravur nachträglich - möglicherweise neuzeitlich - auf das Objekt aufgebracht wurde. Aber das kann natürlich ein falscher Eindruck sein.

lg Uwe

@ Uwe

Hallo Uwe,

was den Zeitraum der “germanischen” Runen anbelangt ist das sicher ein Irrtum ! (siehe unten)
Auch stimmt das mit den “keltischen” Runen nicht ganz, denn bei Lichte betrachtet stammen wohl die ganzen Schriftzeichen von den Phöniziern, die sich dann über die griechischen zu den etruskischen Zeichen wandelten und sich bis zu den Alpen-Runen entwickelt haben. An letzteren waren auch die “Kelten” beteiligt. Daneben gibt es noch die Ohgam-Runen, die offensichtlich “keltischen” Ursprungs sind. Zu den “germanischen” Runen gibt es natürlich noch andere Theorien über ihre Herkunft, aber lies selbst.

Runen

Ogham - Runenschrift
https://kryptografie.de/kryptografie/chiffre/ogham-runen.htm

Kelt-Iberische Schrift

Überblick Schrifftzeichen

Gruß
Kurti

Hallo Kurti.

Wenn du den Artikel “Runen” liest, wirst du feststellen, dass ich “nur” 400 Jahre daneben lag, sie aber in jedem Fall germanischen und nicht keltischen Ursprungs sind. Fakt ist, das die keltische Kultur in unserem Teil Europas aber schon vor Christi Geburt durch die Germanen abgelöst worden war. Z.B. wurde das große Oppidum auf dem Staffelberg v.Chr. aufgegeben und erst später neu besiedelt.

Ähnliches ist von dem Oppidum auf der Ehrenbürg bekannt.

Und das gilt auch für alle anderen bronze- und früheisenzeitlichen Siedlungen in der Region. Man darf nicht den Fehler begehen und die keltische Kultur mit der germanischen verwechseln - das sind zwei völlig verschiedene zeitliche Perioden.

lg Uwe

Hallo Uwe,

es geht hier nicht um die Kulturen an sich, sondern welche Schriftzeichen (Runen) sie benutzten und ob es “eigenständige” Schriftzeichen oder übernommene und weiterentwickelte waren.
“Runen” kannten und benutzten auch die Kelten. Lies doch einfach mal die Links von mir durch.
Wenn du deine Argumentation nur auf den Begriff “Runen” reduzierst, dann sind die natürlich germanisch. :innocent:

ZITAT
Das stärkste Argument für die italisch-etruskische These sind die Buchstabenformen, der Schreibduktus und das Verfahren der Worttrennung durch Punkte. In keiner anderen Schrift finden sich so viele Übereinstimmungen mit einzelnen Runenzeichen. Von kulturgeschichtlicher Seite ist diese These jedoch schwer zu untermauern, denn sie impliziert, dass die Runenschrift sich im norditalienischen, westalpinen oder norischen Raum im 1. Jahrhundert v. Chr. oder im 1. Jahrhundert n. Chr. herausgebildet haben müsste und dann bis gegen 200 n. Chr. bis in den Norden Germaniens verbreitet worden wäre, wo sie deutlich ins Licht der Geschichte tritt. Der Altertumswissenschaftler Jürgen Zeidler hat versucht, im Bereich der keltischen La-Tène-Kultur eben jenes fehlende Zwischenglied (zwischen 100 v. und 100 n. Chr.) nachzuweisen.[12] ENDE

Was jetzt Kelten und Germanen angeht, so ist das ein anderes und umfangreiches Thema. Fest steht aber, dass weder die Kelten noch die Germanen Schriftzeichen mitbrachten und zur Zeit der Schrift lebten sie nebeneinander und zur Römerzeit siedelten immer noch Kelten an rechtsrheinischen Flüssen wie z.Bsp. der Sieg. Auch als später die Germanen in Noricum und Rätien einfielen lebten sie mit Kelten zusammen.

Gruß
Kurti

Hallo,

die Sache scheint ziemlich knifflig zu sein… Ich habe bei meiner Recherche weder das Zeichen, noch vergleichbare Artefakte gefunden.
Das einzige was annähernd ähnlich war, war das römische Zeichen für 5000:

Quelle: www.code-knacker.de

Aber so wirklich überzeugt mich das nicht. Wenn man wusste wofür die Artefakte sind bzw. wofür sie genutzt wurden, dann gäbe es einen besseren Rechercheansatz.

Ich hatte mich auch gefragt ob das tatsächlich zweimal das gleiche Zeichen ist. Die Zeichen sehen doch schon sehr unterschiedlich aus.

Ich werde jedenfalls weiter die Augen offen halten.

Gruß Shard

Moin zusammen,

danke für eure Antworten auf meine Frage – und sorry für meine späte Reaktion.

Dass die Bezeichnung „keltische Rune“ so nicht stimmen kann, war mir schon bei der ersten Sichtung klar. „Keltisch“ verkauft sich zur Zeit aber offensichtlich gut. Und die Vermutung, dass die Gravur auf dem zweiten Artefakt neuzeitlich ist, hatte auch ich. Die erste Gravur halte ich aber für authentisch.

Römische Kurzschrift kann ich mittlerweile nach Konversation mit dem Macher der Seite
im zweiten Link meines Eingangs-Beitrags ausschließen. Martin Hellmann kommt zum gleichen Schluss wie ich, dass diese Linienkombination als tironische Noten gelesen werden kann, aber keinen Sinn ergibt.

Es bleibt also ein runenartiges Symbol, das ein Vorbild und eine Bedeutung haben muss. Im Wesentlichen erinnert die Strichführung an ein y.

Im häbräischen Alphabeth sieht von 500 v. Chr. bis etwa 500 n. Chr. der 16. Buchstabe „Ajin“ so aus: Ajin ע - Geistlicher Felsen

Eine weitere Übereinstimmung habe ich bei protobulgarische Runen (und der Herkunft von einzelnen ihrer Zeichen) gefunden (siehe unter 9.): PB Language - Inscriptions from Murfatlar

Eine Bedeutungszusammenhang wäre damit vielleicht im religiösen Bereich und unter Umständen im frühchristlichen Umfeld zu suchen.

Leider hilft das nicht, das Rätsel der Bedeutung des Zeichens eindeutig zu lösen. Aber es vermittelt insgesamt wieder einmal, wie auch Kurti schrieb, dass kulturelle Praktiken oft lange Wege hinter sich haben – Bedeutungswandel eingeschlossen.

LG Barbara

@ RandomHH

Hallo Barbara,

sehr interessant was Du da ausgegraben hast. :+1:

Ich glaube, dass man sich über die Formen des “Y” kaum Gedanken machen muß, denn beide finden sich unter den frühen Schriftzeichen. Bei den Römern (hast du schon erläutert) gibt es ja auch noch die Kursivschrift. Ansonsten muß man bei solchen Zeichen immer beachten, dass es damals noch keine DIN gab ! :innocent:

Was nun die Bezeichnung “keltische Runen” anbelangt, so muß man beachten, dass die Kelten mit dem Alphabet schrieben was in ihrer Umgebung gerade üblich war ! Dazu kommt, dass man den Begriff “Runen” auch allgemein für alte Schriftzeichen gebraucht und nicht nur die “germanischen” damit meint.

Was das “Y” auf den beiden Amuletten (?) sein könnte, so habe ich mal eine Deutung versucht.
Das linke dürfte wohl ein Fisch sein und das könnte auf “Christen” hindeuten. In diesem Zusammenhang könnte man das “Y” als “h Y ios” (griech.Sohn) lesen. Das Stück muß aber deshalb nicht griechisch sein.

Fisch mit Y = Gottessohn

https://www.christen-krems.at/

Eine andere Deutung des “Y” wäre die Pflanze “Ysop”, die im Juden-und Christentum für Reinigung von Sünden steht. Auch der “Essigschwamm” soll Jesus an einem Ysopzweig gereicht worden sein.
Ysop

Bei dem zweiten Stück könnte es sich um eine Muschel handeln. Für Christen war die Muschel ein Symbol für das Grab, in dem man bis zur Auferstehung und zum Jüngsten -Gericht lag. Die allgemeine Vorstellung war dafür aber die Jakobsmuschel. Vielleicht ist das “Y” ja tatsächlich erst später drauf gemacht worden und der,die,das Besitzer*in hat sich gedacht, Muschel ist Muschel ! :yum:
Da ist guter Rat teuer ! :thinking:

@ Shard

Hallo Shard,

da hast du schlecht recherchiert, denn die Zeichen findest du alle hier!

Gruß
Kurti

Hallo Kurti,

wir haben da wohl unterschiedliche Suchparameter. Und das ist auch gut so, dadurch haben wir ja auch unterschiedliche Suchergebnisse. :grin:

Gruß Shard

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@ Shard

Hallo Shard,

so gesehen hast du recht. Wäre ja auch langweilig, wenn jeder zum gleichen Ergebnis kommen würde ! :weary:

Gruß
Kurti

Moin zusammen!

@Shard
Du hast hach dem „Gebrauchszusammenhang“ der Artefakte gefragt. Ich bin mir mit meiner Zuordnung als Schmuckelemente für Gürtel ziemlich sicher. Siehe folgende Vergleichsobjekte.

Linkes Artefakt (roman military belt, strap ends ):

Rechtes Artefakt (medieval mounts, Vergleich siehe oben rechts):

Zum Zeichen:

Ich denke wie Kurti – es gibt für die konkreten (individuellen!) Anwendungen/Ausprägungen solcher Zeichen keine DIN-Norm. Man wird sich auf prinzipielle Ähnlichkeiten beziehen müssen. Da ein Text-Zusammenhang fehlt, und da die angegebene kulturelle Zuordnung zweifelhaft ist, gestaltet sich das Problem um so schwieriger.

Mir gefällt übrigens (@kurti) deine Idee der „Umnutzung“ eines vorgefundenen Artefakts für eine individuelle Gravur.

Das „y“ kann übrigens auch als „philosophischer Buchstabe“ gesehen werden: als bildliche Darstellung

des Abzweigs des Lasters vom Pfad der Tugend.

Noch ein Link, speziell für @Uwe:
Alphabet of the Druids ? – Evidence for the use of a Celto-Etruscan script among the Balkan Celts – Balkan Celts

Und für alle Interessierten hier eine für Schriften unschätzbare Recherche-Quelle (PDF-Download):
Das Buch der Schrift aller Zeiten und aller Völker, Faulmann 1880 (von Google digitalisiert)

Zur Fischform des einen Artefakts:

Da hätte ich noch die keltische Geschichte vom Lachs der Weisheit. Für das Zeichen täte die Rune für „U“ aus dem „Welschen Bardenalphabet“ passen. Leider ist das wohl (zumindest partiell) der Fantasie eines Literaten aus dem frühen 19. Jahrhundert entsprungen.

Tja, Deutugsansätze gibt es viele. Wäre toll, wenn ihr, wie @Shard, die Augen offen halten könntet. Vielleicht taucht das Zeichen ja noch einmal irgendwo auf und bringt mehr Infos mit.

LG Barbara

Hallo Barabara,

um dem Spekulatius noch einen draufzusetzen, hier meine two cents…

Was, wenn dies nicht als Schriftzeichen, sondern als, wegen der sehr kleinen Ausführung, sehr stark stilisiertes und laienhaft eingebrachtes Triskele anzusehen ist… ?

Liebe Grüße
Thomas

@ Irminfried

Hallo Irminfried,

erst mal danke für die informativen Links. Der römische Gürtelanhänger, hier das Pensilium, wie wir Fachleute sagen (wer angibt hat mehr vom Leben :laughing:), hat mich auch überzeugt.
Trotzdem könnte ein Christ dieses Stück als “Fischsymbol” genutzt haben und sein “Y” in einer der beiden Bedeutungen eingraviert haben !?
Bei deiner spekulativen, keltischen “Triskele” habe ich eher an dich, bzw. die germanische “Irminsul” gedacht.
Das “Christen-Y” scheint mir aber wahrscheinlicher! Römisches Pensilium und die beiden Y-Typen würden auch passen. ( frei nach Goethe und kurti ) “Gallorömisch” könnte es aber auch sein und damit wären wir wieder bei den Kelten !
Die keltischen Inschriften unterstützen übrigens die Theorie von Jürgen Zeidler, dass die Kelten die etruskischen Zeichen zu den Germanen gebracht haben und diese machten daraus ihre Runenzeichen.
Wie so oft wissen wir jetzt nichts genaues, aber das wissen wir ganz genau ! :innocent:

Gruß
Kurti

PS
Ich habe mir mal die Geschichte von Fintan, dem Lachs der Weisheit, durchgelesen. Jetzt weiß ich auch warum ich so gerne “Haselnüsse” und “Lachs” esse ! :stuck_out_tongue_winking_eye:

@Irminfried

Eine Triskele ist eine verführerische Idee, weil (zumindest als Spirale) sowas von keltisch! :wink:

Aber ich denke, dass auch für eine sehr starke Reduktion des Motivs wohl jeder drei Striche ansetzen würde. Beim vorliegenden Zeichen ist aber jeweils deutlich ein langer Hauptstrich mit einer Abzweigung zu identifizieren.

Das „Christen-Y“ scheint deshalb auch mir naheliegender.

Und nun wissen wir endlich, woher du deine Weisheit hast! :laughing:

LG Barbara