Römisches Standlager bei Merseburg an der Saale?

Im Geschichtsforum läuft seit geraumer Zeit ein Thread zur Frage, ob Merseburg einstmals eine römische Exklave gewesen sein könnte. Gestern berichtete Hermundure nun, dass er seit 2018 an der Luppe inzwischen mehrere Schleuderbleie aus der römischen Spätzeit und Denare des Marc Aurel gefunden habe. Hermundure nimmt nunmehr an, dass es unweit der einstigen Kreuzung der Via Regia und Via Imperii am Zusammenfluss von Saale und Luppe vormals ein Standlager gegeben haben wird, welches entweder von einer regulären römischen oder von einer einheimischen Auxilia Germanorum angelegt worden sein könnte. Die Aue-Niederung wurde inzwischen Geophysikalisch untersucht und zeigt zum einen eine mehrperiodische Überbauung, sowie eine jüngere rechteckige Grabenstruktur, die bis 1917 noch als Wall Anlage bekannt und gut erkennbar gewesen ist. Haben wir genauere Informationen über das in der Aue-Niederung zwischen Saale und Luppe vermutete Standlager ? Es soll dazu einen interessanten Bericht des Merseburger Chronisten Ernst Brotuff (1497-1565) geben.

Link zur aktuellen Entwicklung War Merseburg einst römische Exklave ? | Seite 15 | Geschichtsforum.de - Forum für Geschichte

Das Thema interessiert mich durchaus und dürfte sicherlich spannend werden !

Gruß in die Runde

But :earth_asia: :sloth:

Google Books hat zumindest einige der Werke von Ernst Brotuff als Digitalisat:
https://www.google.com/search?tbm=bks&q=Ernst+Brotuff

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Schön ! Das dürfte die gesuchte Brotuff Ausgabe sein : https://download.digitale-sammlungen.de/pdf/17182653058888bsb10143331.pdf

Ernst Brotuff, Chronica der Stadt Marßburg, Leipzig 1557 : 'Chronica Vnd Antiquitates des alten Keiserlichen Stiffts der Römischen Burg Colonia vnd Stadt Marsburg an der Salah in Obern Sachssen Mit viel alten sonderlichen seltzamen Historien vnd Geschichten dieser Lande : Sampt einem ordentlichen Cathalogo aller Bischoffe vnd Administratorn zu Marsburg. Jn zwey Bücher mit ... alten Wapen gezieret' - Digitalisat | MDZ

Digitalisierung des MDZ

Ich denke, dass diese vier Textstellen in Hinblick auf die Bestimmung des einstigen Standortes des römischen Castrum bei Merseburg relevant sein dürften. Die erste lautet wie folgt : “Ad Gysalae Drusus castra locavit aquas.” Dies übersetze ich wie folgt : “Das Lager des Drusus wurde bei Gysila am Wasser angelegt.” Diese und drei weitere Textstellen aus Seite IX der Chronik des Brotuff stelle ich hier in den Anhang.

Gruß But :frog:




Aber bitte eines zu bedenken: nur weil er das als Lager des Drusus und römisch einordnet, können es auch nicht-römische Ruinen von irgendwas gewesen sein. Ähnlich wie man Keltenschanzen bis vor ca. 150 Jahren als Römerschanzen in Karten eingetragen hat.
Und Wikipedia schreibt zum Autor: Ernst Brotuff – Wikipedia “Brotuffs Werke sind größtenteils von Fehlern durchzogen.”
Aber ein interessanter Hinweis ist das schon.

Zumal Michael Barkowskis (Hermundures) dortige Funde nach seiner Aussage spätrömisch sind, also nicht von einer Drusus-Armee stammen können.

So faszinierend es wäre, ist doch eher anzunehmen, dass Brotuff hier nach Tacitus-Lektüre die Fantasie durchgegangen ist, und auch Thietmars antiquum opus romanorum schon Wunschdenken entstammte — schließlich ist eine bronzezeitliche Wallanlage ja offenbar nachgewiesen.

Aber es bleibt natürlich trotzdem spannend.

Gruß, Timo

PS: In die von mir vermutete Systematik augusteischer Standorte passt Merseburg ganz im Gegensatz zu etwa Aken und Altenzaun überhaupt nicht hinein.

Die gemachten Einwände sind natürlich berechtigt, aber das was Herr Barkowski im Geschichtsforum dazu zusammen getragen hat ist unter archäologischen Gesichtspunkten absolut bemerkenswert. Seit es zwischenzeitlich zudem eine geophysikalische Untersuchung des Areals gegeben hat, geht man anhand der Ergebnisse davon aus, dass es dort schon in früher Zeit eine mehrschichtige Überbauung gegeben hat und man wird daher damit rechnen dürfen, dass es dort früher oder später ebenfalls einmal zu Grabungen kommen wird. Ich bin gespannt, was dann dabei herauskommt und es würde mich nicht wundern, wenn in der Aue-Niederung auch wieder römisches zu Tage treten würde.

Zu dem von Brotuff beschriebenen Fundort im Geiseltal wird sich möglicherweise aber kein Nachweis mehr führen lassen, weil ungefähr dort vor geraumer Zeit der Tagebau durchgegangen ist und größere Teile desselben nach der Sanierung geflutet wurden. Näheres ist mir dazu jedoch nicht bekannt.

Gruß But :nerd_face:

Seine Beiträge verfolge ich seit vielen Jahren mit großem Interesse und kann dem nur zustimmen.

Meine Daumen sind gedrückt. Aber zunächst wird es im Herbst ja an der Elbe in Aken spannend.

Gruß, Timo

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Das wird richtig gut ! :nerd_face:

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Hi Timo, hast du aktuelle Informationen zum Römerlager in Hachelbich ?

Wie dir sicherlich bekannt ist, stellte Mario Küßner vom Thüringer Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege 2014 in Weimar auf einer Pressekonferenz die ersten Ergebnisse zu einer seit 2010 östlich Hachelbich im Kyffhäuserkreis laufenden Grabung vor. Das dort entdeckte römische Lager war dereinst als unregelmäßiges Viereck angelegt worden und soll, so die Schätzungen von 2016, einen Umfang von 23 Hektar gehabt haben. Die 2014 von Küßner und Schüler gemachten Datierungsvorschläge gingen davon aus, dass das Lager entweder in der Zeit der Chatten-Feldzüge des Domitian (83-84 n. Chr.), oder aber in der Zeit der römischen Unternehmungen des 3. Jh. n. Chr. angelegt worden sein wird. Eine in der obersten Grabenverfüllung gefundene Fibel wurde ihrer Machart entsprechend mit einem Typ aus dem 3. und frühen 4. Jh. n. Chr. identifiziert und datiert. Dies würde bedeuten, dass das in Thüringen entdeckte Lager der Römer in die Zeit des Maximinus Thrax datieren könnte. Leider gehen die Berichte nur bis ins Jahr 2018.

Im Geschichtsforum habe ich im Thread Lager der Römer in Thüringen ebenfalls keine aktuellen Beiträge zum gegenwärtigen Forschungsstand finden können. Ich verlinke hier kurzerhand das von mir dazu recherchierte Material.

Falls jemand Kenntnis über den aktuellen Stand der Entwicklungen in Hachelbich hat, kann er dies gerne hier einstellen, oder dazu ein neues Thema eröffnen.

Gruß But :grinning:

Hallo But,

Hachelbich habe ich natürlich von Anfang an gespannt verfolgt, zumal ich ein Jahr zuvor sehr spekulativ eine Römerroute über Sondershausen und Frankenhausen vermutet hatte.

Und ich stimme dir zu, dass hier nach aktuellem Forschungsstand wie am Harzhorn der Thrax-Feldzug die sparsamste Einordnung wäre.

Falls es da etwas Neues gäbe, hätte Hermundure davon sicher schon berichtet. Aber frag ihn doch drüben einmal an — er sitzt schließlich an der Quelle, bzw. ist sie selbst. :wink:

Nach einer kürzlichen Meldung von ihm werden im Herbst nicht nur Untersuchungen an dem vermuteten Römerlager bei Aken stattfinden, sondern auch noch an einem weiteren, noch größeren mutmaßlichen Lager, dessen Ort bislang noch geheim gehalten wird.

Die Spannung, in welchen Zeithorizont die gehören, ist kaum auszuhalten. :laughing:

Gruß, Timo

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Hermundure bemerkte ganz richtig, dass er in Hinblick auf die im März entdeckte weitere Anlage nicht mit eigenen Ausführungen vorgreifen darf, weil solche die Unberührtheit des Fundortes gefährden könnten. Was sich aber bereits abzeichnet ist, dass sich die Fundsituation in Mitteldeutschland offenbar stetig weiter verbessert und sich allmählich eine systematische Anordnung von Fundplätzen erkennen lässt, an denen römerzeitliche Lesefunde gemacht wurden. Da geht einem in der Tat glatt der Puls :sweat_smile:

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In der Beurteilung der hier aufgeworfenen Fragestellung und ihres Gesamtzusammenhangs könnte die folgende Publikation sicherlich interessant sein :slight_smile:

  • Marita Reichardt : Römische Funde im westlichen Thüringer Becken, Jena 2023.

Inhaltlich stehen offenbar die 2017 in Arnstadt gemachten Funde und ihre Bewertung im Mittelpunkt. Es gibt seitens Archäologie Online einen recht aufschlussreichen Bericht zu den damaligen Ausgrabungen : Archäologische Ausgrabungen in Arnstadt | Nachricht @ Archäologie Online

Leider konnte ich die von Reichardt veröffentlichte Publikation bislang nicht im Netz finden.

Gruß But :koala:

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Hallo Butmir,

Diese Dissertation wurde wie es scheint noch nicht publiziert. Abwarten und Tee trinken ist hier wohl wieder einmal angesagt. :wink:

Gruß, Timo