Terminologie Archäologie Steinzeit

Moin,

für Shard - Ergänzungen (Definitionen) der Zitate von Joachim Hahn.

Definition
Ein Schaber weist mindestens eine retuschierte Kante* oder ein retuschiertes breites
Ende auf. Die Retusche ist gewöhnlich recht ausgedehnt und erzeugt eine mehr oder
weniger breite Arbeitskante.

Ergänzung StoneMan: * Kante = lange Seitenkante (Laterale). Diese Seitenkante weist Retuschen auf.

9.6.1.1 Kratzer
Kratzer gehören zu den charakteristischen Werkzeugformen des Jungpaläolithikums,
treten vereinzelt aber bereits viel früher auf und können auch in neolithischen Inventaren
sehr hohe Anteile erreichen.

Definition
Kratzer sind an einem Ende* der Grundform durchgehend gebogen retuschiert mit einer
dorsalen Stirnretusche, die keine Rückenretusche ist, aber gewöhnlich die gesamte
Grundformdicke erfaßt. Der Winkel zwischen Ventralfläche und der Retusche schwankt
um etwa 60°.
Übergänge bestehen zu den Schabern, vor allem zu den schmalen Breitschabern einerseits
und den Endretuschen andererseits.

Ergänzung StoneMan: * Ende = Schmalseite am Ende (basal / terminal). Dieses schmale Ende ist bogenförmig modifiziert / retuschiert = Kratzerkappe / Kratzerstirn.

Vielleicht hilft das schon. Eigene Beispiele / Funde muss ich erst sichten.

Gruß

Jürgen

Ich glaube ich verstehe es langsam. Habt ihr noch das Bild eines Schabers in den verschiedenen Ansichten?

Gruß Shard

Von dem oben gezeigten Schaber in der seitlichen Ansicht habe ich noch die Dorsalseite (Rücken):
dorsal
Und die Ventralseite mit ausgeprägtem Schlagkegel (Bulbus):
IMG_20230715_083502
Schlagkegel:
IMG_20230715_084057

Ich glaube ich verstehe es langsam. Habt ihr noch das Bild eines Schabers in den verschiedenen Ansichten?

Gruß Shard

Moin,

@ Shard,

die verschiedenen Ansichten sind nicht das Wesentliche.

Auf die Schnelle hier mal eine Skizze, was den Unterschied ausmacht.

Gruß

Jürgen

Edit > Skizze ausgetauscht

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Super Jürgen, jetzt hab ich’s auch verstanden!

Gruß Shard

Moin Shard,

prima, ich verspreche Dir, damit ist das Problem nicht für alle Fälle beseitigt :sunglasses::wink:, nicht nur für Dich, selbst Leute vom Fach müssen mitunter die Schultern zucken.

Schaber können auch bilateral, an beiden Kanten, eine Arbeitskante aufweisen.
Kratzer gibt es auch als Doppelkratzer.

Es gibt leider nicht immer die klar “genormten” Geräte.

Gruß

Jürgen

Ja, hab ich mir schon gedacht. Aber jetzt weiß ich schon mal den grundsätzlichen Unterschied. Bei den Spezialfällen bin ich eh raus. :sweat_smile:

Gruß Shard

Hallo Steinefreunde :slightly_smiling_face:
was ich aber vermisse oder habe ich es überlesen ist die Funktionserläuterung von Schaber/Kratzer.
Ein Schaber ist weitestgehend als Schneidewerkzeug also als Messer anzusehen. Ein Kratzer hat eine gänzlich andere, also eine nicht schneidende Funktion.
Beste Grüße

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Hallo Bucentaur,

mit gänzlich anderer Funktion meinst du dann tatsächlich schabend/kratzend? Also zum Beispiel um Fleisch von Fell zu schaben? Wobei da ja so kleine Dinger etwas unpraktisch sind…

Gruß Shard

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Hallo,
mir ist das mit den Kratzern im Neolithikum auch schon längere Zeit unklar. Auf meinen bandkeramischen Fundstellen ist n Mitteldeutschland stellen Kratzer die häufigste Art der Geräte-Funde dar. Lateral retuschiere Klingen sind, entgegen meiner Erwartung, eher selten, meist weisen sie Gebrauchsglanz auf, welcher sie als Erntegeräteeinsatz ausweist. Auch diese haben meist eine Endretusche. Diese sind gerade, schräg und konkav angelegt, aber auch seltener konvex, was manchmal auf eine Zeitverwendung hinweisen könnte. Ich habe aber auch Mal die Kratzerfunde ohne Sichelglanz durchgesehen. Viele der Kratzer wären auch als Sicheleinsatz zu verwenden gewesen. Das heißt, viele konvexe Endretuschen sind eventuell gar keine zum Kratzen verwendeten Geräte gewesen.
Zum Gebrauch von Kratzern gibt es sicher etliche Möglichkeiten. Neben der Fellbearbeitung fällt mir da noch Holzbearbeitung ein. Unter anderem könnten Löffel damit gefertigt worden sein, die man zum Löffeln von Brei sicher gut verwenden konnte.
Was aber bemerkenswert ist, es gibt wohl im Neolithikum recht wenig Schneidegeräte wie Klingen zum Schneiden von Fleisch. Was natürlich an der vorwiegend vegetarischen Ernährung liegen kann.

Viele Grüße

Servus,

theoretisch braucht man ja nicht viele Schneidwerkzeuge. Eine Klinge pro Sippe würde theoretisch reichen. Zumindest wenn es nicht gerade um Mammuts geht. Ein langer Schnitt um das Tier zu öffnen, Eingeweide raus, Fell abziehen und dann ab aufs Feuer. Sobald es gar ist, braucht man keine Klinge mehr, das geht auch mit Fingern. Oder einer mit der Gemeinschaftsklinge schneidet jedem was ab.
Und mehr als eine Person an einem Tier würde bedeuten, dass man sich gegenseitig behindert.

Gruß Shard

Hallo Shard,

da hast du natürlich Recht. Und Mammuts gab’s im Neolithikum nicht mehr.

Ich trinke weiter Kaffee um im
Satz zu lesen!

Hallo,
ein weiterer Unterschied zwischen Schaber/Kratzer.
Der Schaber war in seiner schneidenden Funktion ein “reines” Handwerkzeug, der Kratzer hingegen fand wohl vorwiegend geschäftet Verwendung, daher rührt auch relativ häufig ein Schäftungsglanz der aber durch lose hin und her Bewegung in der Schäftung entstanden ist. Gebrauchsglanz an einem Kratzer konnte ich jetzt bei den vielen hundert aufgelesenen Kratzern erst an einem einzigen feststellen. Anscheinend gibt es doch relativ große Unterschiede zwischen Nord und Süd.
Die große Anzahl vorliegender Klingen aus den neolithischen Siedlungsbereichen dienten kurz und zusammenfassend ausgedrückt meist zum schneiden von Schilf und Getreide.
Beste Grüße

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Hallo und Danke an euch für die wirklich sehr interessante Erläuterung. Die Frage hat sich sicherlich schon fast jeder Steinzeit Enthusiast mal gestellt. Es scheint zumindest etwas verständlicher.
LG
Schoersch

Moin,

“Kurzfassung für Shard”

Diese willkürliche Auswahl von Schabern und Kratzern soll aufzeigen, dass die “Typisierung” von Artefakten zwar sinnvoll ist, aber die Bestimmung von Alltags- und Ad-Hoc-Geräten dennoch weiterhin schwierig bleibt.

Grundformen von Schabern und Kratzern werden in Joachim Hahns Artefaktmorphologie, sowie Jürgen Richter im Floss zwar genannt, aber nicht fixiert.

Es wird sogar angestrebt keinen Unterschied zwischen Schabern und Kratzer vorzunehmen. ( “AG Steine – Definitionen zum Silexmaterial des Neolithikums in Norddeutschland”, von Moritz Mennenga et all. 2013, Lübke 2000) .

Oft bleibt es mitunter offen, für welche Arbeiten Schaber oder Kratzer (wie wir sie als solche benannt haben) verwendet wurden.

Schabende, kratzende oder schneidende Funktionen könnten allenfalls mittels Gebrauchsspurenanalyse ermittelt werden.

Berücksichtigen muss man, dass das vorgestellte Fundspektrum aus einem neolithischen bis mesolithischen Zeithorizont im Norden Deutschlands (Ostsee) stammt (Ausnahmen der kleine Klingenkratzer K07 aus DK / Møn, der Doppelkratzer K08 aus Niedersachsen).

Der Zeithorizont ändert sich geografisch Richtung Süden das Inventar ebenfalls.
Beispiel, die im Norden sogenannten “Löffelschaber” und auch “Scheibenbeile” fehlen im Süden Deutschlands anscheinend gänzlich.

Im Kontext von vorgestellten Artefakten mittels Beschreibung und Bildern, ist die “exakte” Bezeichnung ja doch zweitrangig – wir sehen, um was es sich handelt.

. . . . .

Alle Artefakte zeigen die Dorsalseite. Die Grundformen sind nicht alle klar zu bestimmen.

Die Arbeitsbereiche sind farbig markiert.

Detailansicht zu Schaber S 01

Detailansicht zu Kratzer K 05

Die Bilder können durch Antippen mit der linken Maustaste vergrößert werden.

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Super Jürgen,

Ich denke die Erläuterungen dürften nicht nur für mich interessant sein! :clap::smiley:

Gruß Shard

Hallo,
Jürgen, sehr schön aufbereitet!
Das man keinen Unterschied zwischen Schabern und Kratzern anstrebt kann man so pauschal für den Süden jedenfalls sicher nicht feststellen!
Meine Verbindungen zu aktiven Paläolithikern und deren Aussagen lassen dies so pauschal einfach nicht zu. Der diesbezüglich zu beachtende Zeithorizont im Süden, belegt durch Schaber (bis 300.000Jahre alt) bis zu den Kratzern des Neolithikums lassen dahingehend eine “Gleichstellung” einfach nicht zu. In Bayern ist mir bislang jedenfalls noch kein Schaber aus dem Neolithikum bekannt. :wink:
Ich glaube das wird noch ein sehr zähes ringen und ein Ende werden wir nicht mehr erleben. :slightly_smiling_face:

Beste Grüße

aber, demnächst, also spätestens im August 23 soll wohl das Buch von Prof. Uthmeier, Thorsten / Mischka, Doris die “Steinzeit in Bayern” erscheinen.
Ein die kompletten “Steinzeiten” umfassendes Werk.
Ich bin gespannt wie man sich zu Schabern und Kratzern äußert, aktueller geht es dann ja nicht mehr.

Beste Grüße

Moin,

@ Shard, Bucentaur, Danke fürs Lob.

@ Bucentaur,

“AG Steine” bezieht die Definitionen ja lediglich auf das Inventar des Neolithikums in Norddeutschland.
Doris Mischka ist da ja sogar auch eingebunden.

Diesem Vorhaben sehe ich gelassen entgegen. Was ich mir aufgrund meiner persönlichen Erfahrung mit dem archäologischen Umfeld im Norden überhaupt nicht denken kann, dass aus unseren “Löffelschabern” (in DK skeskraber") ein “Löffelkratzer” wird.

In dem Artikel " AG Steine – Definitionen zum Silexmaterial des Neolithikums in Norddeutschland”, wird ja auch das Problem der Verwechslung aufgegriffen.

Zitat: Außerdem soll so einer Verwechslung mit mittelpaläolithischen Schabern vorgebeugt werden.

Bei euch da unten wird alles beim Alten bleiben.

Nur was passiert dann, wenn das Mittelpaläolithikum immer öfter gefunden wird - was zurzeit ja im Norden Schleswig-Holsteins passiert.
Was für einige als unvorstellbar galt, ist gerade vollbracht. Der Neandertaler ist im Norden durch neue Funde belegt (ich hatte sie in der Hand).
Das Mittelpaläolithikum verschiebt sich immer weiter nach Norden bis nach Skandinavien und gar Eurasien.

Es bleibt spannend.

Servus

Jürgen

Hier einmal der Link zur erwähnten Arbeit > Klick <

:blush: