Vom Nomaden zum Pflanzer ???

Hallo alle Zusammen, neulich ergab sich in meinem Bekanntenkreis eine Diskussion,zu der ich hier vielleicht die eine oder andre Information bekommen könnte !?:slight_smile: Es ging um den Übergang unserer Urahnen vom Mammutjagenden Nomaden zum Ackerbau treibenden sesshaften Dorfbewohner. Es ergab sich schlicht und ergreifend die Frage wie (!!!) die Steinzeit(?)menschen überhaupt auf die Idee gekommen sind Pflanzen zu kultivieren und gezielt anzubauen?Bei Viehzucht erscheint es mir eher einleuchtend geschieht es doch auch heute noch,daß verwaiste Tiere durch Menschen aufgepäppelt werden und an den Menschen gewöhnt werden. Aber bei Pflanzen ??Das setzt ,meiner Meinung nach eine umfangreiche Kenntnis der Jahreszeiten,der Entwicklung der jeweiligen Pflanze ,der notwendigen Witterungsbedingungen sowie eine erhebliche Vorratshaltung und eben eine daraus resultierende Sesshaftigkeit voraus.[:|]Alleine die Auswahl der Zuchtpflanzen,deren Auslese u.s.w. würde doch schon Jahre in Anspruch nehmen,bevor die erste ernst zu nehmende Ernte erfolgen könnte,oder ?Schlicht und ergreifend ausgedrückt;wie kommt jemand,der mit dem täglichen Kampf ums Überleben beschäftigt ist auf die Idee Pflanzen zu beobachten und das Risiko auf sich zu nehmen jahrelang (!!!) an der selben Stelle zu bleiben? Dieses Problem erinnert meines Erachtens ein wenig an die uralte Frage;wer war zuerst da,die Henne oder das Ei B-) Ich konnte aber zu diesem Thema auch in der Literatur und WWW keine (sachdienlichen) Hinweise finden. Vielleicht kann mir hier ja jemand eine erschöpfende Auskunft geben.:slight_smile: In diesem Sinne Gruß Glaubnix

Hallo Glaubnix. also, ich habe in der Schule im Geschichtsunterricht auchmal darüber gesprochen. Das ist allerdings schon ne Weile her und ich kann mich leide nicht mehr an viel erinnern. Ich habe keine Ahnung ob es wirklich so war wie ich heir glich schreiben werde ok. Aber das ist so zu sagen einfach mal meineTeori zu diesem Thema. Die Steinzeitmenschen waren immer in sehr kleinen Gruppen unterwegs. Ich glaube so zwischen 5 und 10. Um so mehr Familienmitglieder in der Gruppe waren, um so mehr musste man essen und um so größer musste das Gebiet sein in dem die Männer auf die Jagd gehen konnten. Man wanderte also den Tieren hinterher und hatte so genügend Nahrung, solange die Gruppe nciht zu groß wurde. Es konnten daher auch nicht mehrere Gruppen/ Familien auf einer Stelle leben weil dann ja wieder zu wenig Nahrung da wäre. Irgendwie klappte es aber nicht s ganz mit dem, die Gruppe so klein wie möglich halten. Die Männer waren also immer länger auf der Jagd, und ich könnte mir vorstellen, dass dann die Frauen und evt. Alten anfingen Ersatzessen zu finden und das waren nun mal die Pflanzen. Die Population wuchs auch irgendwann. Sie hatten so zu sagen keine andere Wahl, als sich noch eine zweite Nahrungsquelle zu suchen. Ausserdem hatte dies einen Vorteil. WEnn man nun immer an einer Stelle lebte musste man nicht mehr so hart leben. Ich könnte mir vorstellen, dass sie auch älter werden konnten. Man hatte eine verhältnismässig sichere Nahrungsquelle und konnte nun auch riskieren die Gruppe zu vergrössern, was das Überleben der Familie steigerte. Das ist meine Teori zu deiner Frage. Ich hoffe du kannst damit was anfangen. GLG Annine

Hallo Glaubix und Anni, der Uebergang von jagenden und sammelnder Lebensweise zum Ackerbau ist ein Prozess der sich nach derzeitiger Erkenntnis ueber Jahrhunderte hinweg entwickelt hat und Archaeologen haben sich ueber diese Entwicklung seit mehreren Jahrzehnten das Gehirn zermartert. Wir sind derzeit leider noch weit von einer endgueltigen Antwort entfernt. Allgemein wird die Epoche des fruehen Ackerbaus als “Neolithikum” bezeichnet, welches sich auf die Einteilung der Steinzeit in Palaeolithikum (aelteste Steinzeit), Mesolthikum (mittlere Steinzeit) und Neolthikum (neuere oder juengste Steinzeit) stuezt, die von Montelius auf der Basis von Steinwerkzeug Typologien vorgeschlagen wurde. In verschiedenen Teilen der Welt ist dieser Prozess unterschiedlich abgelaufen und der Ackerbau hat auch nicht nur einen Urpsrungsort. Nach derzeitigem Kenntnisstand sind der Nahe Osten, Lateinamerika, China und Neu Guinea als Orte identifiziert worden wo Ackerbau unabhaengig voneinander entwickelt wurde. Die Entwicklung des Ackerbaus in Europa erscheint Archaeologen heute als eine komplexe Kombination verschiedener sozialer und wirtschaftlicher Entwicklungen deren Urpsrung im so genannten “Fruchtbaren Halbmond” des Nahen Ostens zu suchen ist. “Fruchtbarer Halbmond” beschreibt eine halbmondfoermige Zone im ittleren und Nahen Osten in der die Wildformen der heutigen bekannten domestizierten Getreidearte verbreitet sind, die sich entlang der Kueste Israels und Libanons erstreckt und dann bogenfoermig entlang des Taurus und Zagros verlaeuft. Der Prozess der wirtschaftlichen und auch sozialen Wandlung hin zum Ackerbau beginnt hier mit dem spaeten Epipalaeolithikum (End-Palaeolithikum) vor c. 15.000 Jahren. Die menschlichen Gruppen die diese Gegend waehrend dieser Zeit besiedelten werden kollektiv als “Kebaran” bezeichnet, welches aufdem Namen der Silexgeraete basiert, die mit dieser Kultur assoziiert sind. Nur als Anmerkung, Menschen haben zu diesem Zeitpunkt schon seit c. 10.000 Jahren keine Mammuts mehr gejagt (die auch nie im nahen Osten verbreitet waren). Auch sind die menschlichen Gruppen im Naheh Osten zu dieser Zeit ein wenig zahlreicher als wie von Anni angenommen. Man schaetzt das solche Gruppen aus c. 30-50 Individuen bestanden. Die Zahl von 5-10 Individuen trifft eher auf das mittlere und aeltere Palaeolithikum zu. Im mittleren Palaeolithikum, welches mit dem alt-bekannten Neanderthaler assoziiert ist, sind Gruppen recht klein und mobil, wobei dies allerdings auch eher grobe Schaetzungen sind. Desweiteren, Glaubnix, muss man vorsichtig sein Jaeger und Sammler Gemeinschaften in einem Licht zu sehen in dem diese es gerade mal so schaffen zu ueberleben. Dieses Bild, welches mehr mit den europaeischen Fantasien des 18. und 19. Jahrhunderts von Jaeger und Sammler zu tun hat, erscheint heute ein wenig simplistisch. Im Gegenteil Jaeger und Sammler Gemeinschaften sind meisst hervorragend an ihre jeweilige Umwelt angepasst und haben vielerorts genuegend Nahrung und Resourcen zum Ueberleben zur Verfuegung. Die !Kung San der Kalahari Wueste zum Beispiel arbeiten taeglich meist vier Stunden um die Nahrung fuer einen Tag zu finden. Desweiteren haben viele Menschen in diesen Gemeinschaften ein Wissen von Pflanzen und Tieren welches dem eines modernen Biologen oder Botanikers durchaus gleichwertig ist. Nun aber zurueck zum “Fruchtbaren Halbmond”: Zwischen 14,000 und 12,500 Jahre vor unserer Zeit kommt es zu bedeutenden klimatischen Veraenderungen im Nahen Osten in folge deren natuerliche Resourcen, wie bestimmte Getreide Sorten und Jagdwild, weit verbreitet sind. Diese Beobachtung basieren auf verschiedenen Quellen, wie z.B. Pollenproben, Geomophologie,Tiefsee Bohrkerne und auch archaeologische Funde. Diese reichhaltige Resourcenvielfalt erlaubt menschlichen Gruppen fuer laenger Zeitraeume an einem Ort zu verweilen da die Umgebung zu den Fundstellen nun genuegend Nahrung zur Verfuegung stellt. Menschen beginnen die ersten Haeuser zu konstruieren, begraben ihre Toten mit einer Reihe von Riten, sind semi-sesshaft und kreieren kunstvolle Objekte. Diese Kultur wurde in den 30er Jahren entdeckt und wird seitdem als Natufian bezeichnet (nach dem Wadi en-Natuf in Palaestina, wo sich die erste solche Fundstelle befindet) und sogenannte “Sichelklingen” aus Silex, sowie Moerser und Mahlsteine deuten an, dass Pflanzen einen wichtigen Teil der taeglichen Nahrung dargestellt haben. Das heisst also bevor Ackerbau, wie wir es uns vorstellen, sich entwickelte haben Menschen intensiv Getreide und andere Pflanzen gesammelt und verzehrt. Was hier noch nicht geschah ist das ein Feld intentional angebaut wurde. Allerdings ist es recht wahrscheinlich, dass Menschen Wildbestaende von Pflanzen ‘ge-managt’ haben. Dies koennte zum Beispiel bedeuten das Gruppen in einem Jahr in dem die Pflanzen in einem Wildbestand nicht so zahrleich waren diesen nicht geerntet haben, sondern ihn fuer ein Jahr in Ruhe liessen bis er sich erholte, oder Tiere von diesen Bestaenden fernhielten. Nun, die Getreidepflanzen die wir heute von unseren Feldern kennen und als ‘domestiziert’ bezeichnen, sind im Grunde eine genetische Mutation. Bei domestizierten Getreiden oeffnet sich die Rachitis der Pflanze - da wo die sich die Samen befinden - nicht von selbst. D.h. diese Getreideart kann sich nicht selbststaendig fortpflanzen, weswegen der Bauer eben auch dreschen muss. In einem Wildbestand wuerde eine solche Mutation nicht weiter fortbestehen. Kommen nun aber Gruppen von Menschen und sammeln diese Pflanzen, dann kann es passieren, dass beim oeffnen der Rachitis durch Menschenhand einige dieser Samenkoerner nun eben doch in den Boden kommen und in Folge dessen waechst eine neue Pflanze. Zu igendeinem Zeitpunk ist es also vorstellbar, dass Menschen diesen Vorgang erkannt haben und ihn sich zu Nutzen gemacht haben, indem sie begannen intentional Pflanzen anzubauen. Dadurch wurde die gentische Form der domestizierten Getreidearten geschaffen. Dies erscheint jedoch noch nicht im Natufian stattzufinden. Gegen Ende des Natufian vor c. 11,000 Jahren kommt es zu weiteren klimatischen Veraenderungen. Diese Veraenderungen bewirken dass es kaelter und auch trockener wird. In Folge dessen schwindet die Resourcenvielfalt. Die Menschen des Natufian scheinen sich nun wieder mehr auf die Jagd, speziell die Gazelle, anstatt als auf das Sammeln von Pflanzen zu konzentrieren. Um 10,000 vor unserer Zeitrechnung setzt das Holozaen ein, welches die klimatische Periode ist in der wir uns noch immer befinden (ein Interglazial um genau zu sein…die naechste Eiszeit kommt bestimmt!). Mit der globalen Erwaermung und dem Schmelzen der Gletscher setzen nun klimatische Bedingungen ein, die aehnlich denen des fruehen Natufian sind und wir bekommen mit einem Male die ersten Funde domestizierte Pflanzen. Es scheint also als ob die intensive Sammlung von Pflanzen waehrend das Natufian dazu fuehrte, dass Menschen sich nun entschieden Pflanzen anzubauen. Diese Epoche wurde als Pre-Pottery Neolithic A bezeichnet (uebersetz Prae-Keramisches Neolithikum A). Die Bezeichnung bezieht sich auf die Praesenz bestimmter Merkmale Neolithischer Kulturen (also Bauern-Kulturen) wobei allerdings noch keine Keramik vorhanden ist. Es kommt also zu dieser Zeit zu der Wideraufnahme und Verfeinerung vorhergehender kultureller Traditionen, welche angewand werden um eben Pflanzen nun intentionell anzubauen. Allerdings sind sich Archaeologen wiederum unenige ueber die Gruende fuer die Entstehung. Die einen sehen es einfach als Reaktion auf sich veraendernde klimatische Bedingunge oder als Notwendigkeit um im die im Natufian gestiegenen Bevoelkerungszahlen zu erhalten, wobei andere sagen wuerde, dass diese Bedingungen eben nur Bedingungen sind, aber keine Gruende die diesen Vorgang erklaeren. Man hat daher argumentiert, dass Menschen Getreide anbauten um soziale Kontakte aufrecht zu erhalten oder das die Domestizierung von Planzen und Tieren (die dann im Prae-Keramischen Neolithikum B stattfindet) mit einer Domestizierung von Menschen selbst zu tun hat, die sich weiter von der ‘natuerlichen’ Lebensweise der Jaeger und Sammler entfernen. Es ist zum Beispiel vorstellbar, dass Status in der Gruppe davon abhing wieviel Nahrung ein Anfuehrer der Gruppe auf den Tisch bringen konnte. Um diesen Status zu bewahren ist es moeglich, dass eben Ackerbau entwickelt wurde. Hierfuer gibt es bestimmte Ethnographische Quellen, die nicht notwednigerweise auf die Situation in der PPNA zutrefen muessen. Was auf jeden Fall gesichert erscheint, was nun auch immer die Gruende sein moegen, ist das mit dem Beginn des Ackerbaus auch eine symbolische Revolution stattfindet, in der Menschen zahrleiche religionsartige Rituale entwickeln, spezielle, ritualbezogenen Gebaeude errichten und ihre Toten in spezieler Art und Weise behandeln, welche alles darauf hindeutet, dass sich nun einige wichtige sociale Prozese abspielen, die anscheinend mit dem Ackerbau verbunden sind. Du liegst ganz richtig, Glaubnix, zu Beginn des PPNA wuerden Getreidernten wahrscheinlich kaum genuegend Nahrung abwerfen um die ganze Gruppe zu ernaehren. Man darf sich den Beginn des Ackerbaus nicht so vorstellen wie wir unsere modernen Getreidefelder sehen mit weiten, gold-gelben Weizenfeldern, die sich im Winde wiegen. Es ist eher anzunehmen, dass dies alles eher mit dem kleinen Feld began und sich nur sehr, sehr langsam zu einer nuetzlichen Nahrungsquelle entwickelte. Andere Nahrungsquellen haben fuer eine sehr lange Zeit immer noch eine bedeutende Rolle gespielt. Es ging also nicht von einem Tag auf den anderen zum Ackerbau, sondern es hat Jahrtausende gedauert. Im uebrigen ist Ackerbau uebrigens eine recht ‘dumme’ Art der Nahrungsbeschaffung. Zum einen bringt die sesshafte Lebenweise, die mit Ackerbau einhergeht, allerlei hygienische und gesundheitliche Probleme mit sich. Desweiteren war das gewonne Mehl angereichert mit allerlei feinem Gesteinsstaub, welches durch das Mahlen auf Basalt- oder Kalksteinen in die Nahrung gelangte. Folge: schnelle Abnutzung der Zaehne und Karies! Desweiteren sind sesshafte Populationen viel anfaelliger fuer natuerliche Desaster, wie z.B. eine schlechte Ernte, fuer die dann eventuell nicht mehr kompensiert werden kann. Sei dem wie es sei, der Ackerbau entwickelt sich recht schnell zu einer dominanten Wirtschaftsform und erreicht so c. 6500-6000 vor Christus Griechenland. Von hier werden der Balkan und Sueditalien Teil der “Neolithischen Welt”. Da es in Europa keine Wildformen von manchen der gefundenen Getreidesorten gibt, muessen diese vom Nahen Osten importiert oder von 'Kolonisten" mitgebracht worden sein. Das Neolthikum breitet sich in den folgenen 2000 Jahren ueber Europa aus und erreicht um 4000 vor Christus die Britischen Inseln. Ich muesste hier noch einiges mehr schreiben, wollte ich diesen Prozess in ganz Eurpa beschreiben, aber es ist wichtig anzumerken, dass diese Verbreitund recht unterschiedlich von Gegen zu Gegend ablief. In manchen Gegenden scheint es recht deutlich zu sein, das Kolonisten von anderen Gegenden den Ackerbau mitgebracht haben. Lokale Jaeger und Sammler Gruppen des Mesolithikums wurden verdraengt oder in die neuen Gemeinschaften integriert. In Deutschland ist der Prozess der Neolthisierung mit der so genannten Linearbandkeramik assoziiert, die zuerst in Ungarn erscheint. In recht schneller Folge breitet sich diese von Ost nach West ueber Deutschland und die Nachbarregionen aus (bis hin in Pariser Becken, Niederlande und Polen).Obwohl es sich hier vielerorts um eine recht gradliniege Kolonisierung handelt, gibt es doch Anzeichen fuer Interaktion zwischen Jaegern und Sammlern und Ackerbauern, bis es schliesslich erscheint das alles Jaeger und Sammler diese neue Wirtschaftsweise angenommen haben. Im Norden Deutschlands und in Daenemark haelt sich allerdings die jaegerische und sammelnde Lebenweise bis c. 3500 vor Christus, waehrend der Ackerbau in Deutschland um c. 5000 vor Christus erschien. Zusammenfassend laesst sich also sagen: der Ackerbau entseht im “Fruchtbaren Halbmond” des Nahen Ostens vor c. 12,000 Jahren aus Traditionen die vom Natufian bekannt sind. Die Gruende fuer diese Entwicklung sind derzeit noch nicht eindeutig. Klimatische Bedingungen waren guenstig und machten die Domestizierung von Tieren und Pflanzen moeglich. Wenn man allerdings akzeptiert das Menschen denkende und fuehlende Wesen sind, dann haben sie diesen Schritt sicherlich nicht autmatisch, in einem evolutionaeren Sinne, getan. Andere Einfluesse, so wie soziale Umstaende, muessen auch beachtet werden. Es ist bedeutsam, dass sich Religion, symbolisch-kuenstlerische Ausrucksweise, Sesshaftigkeit und Ackerbau zusammen entwicklen. Ein singulaerer Grund fuer die Entwicklung zum Ackerbau ist zu simplistisch und es handlet sich wahrscheinlich um einen Schritt in der menschlichen Geschichte der seinen Urpsrung in einer Reihe verschiedener Prozesse hat. Der Ackerbau breitet sich vom Nahen Osten nach Europa aus und kommt hier einmal als ein Resultat der Kolonisierung von Ackerbauern an, oder wird lokal von Jaeger und Sammler Gruppen uebernommen. Wiedereinmal sind die genauen Gruende unbekannt. Wenn man sich vorsellt, das Ackerbau nicht nur eine wirtschaftliche Entwicklung, sondern auch eine soziale und ideologische Veraenderung war, dann kann man sich vorstellen, dass die Veraenderungen nicht nur damit zu tun hatten wie Menschen sich ernaehrten. Ich hoffe dies hilft ein wenig weiter (oder wirft noch mehr Fragen auf?). Hier ein paar Literaturtips: Martin Kuckenburg’s “Vom Steinzeitlager zur Keltenstadt. Siedlungen der Vorgeschichte in Deutschland” ist eine zugaengige und leicht verstaendliche Zusamenfassung der Siedlungsgeschichte Deutschlands. Norbert Benecke’s “Der Mensch und seine Haustiere. Die Geschichte einer jahrtausendealten Beziehung” habe ich selbst nicht gelesen, aber soll ganz gut sein. “Illustrierte Geschichte der Menschheit, Die Menschen der Steinzeit” von Göran Burenhult ist eine gute Einfuehrug in Steinzeit. In der englischsprachigen Literatur gibts mehr: Jacques Cauvin “The Revolution of Symbols” (Original in Franzoesich "Naissance des divinites, Naissance de l’agriculture) ist eine interessante Zusammenfassug der Neolithischen Entwicklungen im Nahen Osten, die sich vor allem mit der ‘symbolischen Revolution’ beschaeftigt. Ian Hodder’s “Domestication of Europe” geht in die gleiche Richtung, wendet das gleiche Thema allerdings fuer ganz Europa an (ein umstrittenes Buch!). Alaisdair Whittle’s “Europe in the Neolithic, Creation of New Worlds” ist die umfangreiste Zusammenfasung die mir bekannt ist. In Sachen links gobts bestimmt einiges auf dem WWW, wenn man bei archaeologie-online mal unter Epochen Neolihikum nachsieht. Alles Gute Tobias

Respekt, eine super Übersicht.

Hallo Glaubnix, in deiner Anfrage steckt bereits die Antwort. Nur gingst du von der falschen Voraussetzung aus, die Menschen der Steinzeit hätten keine Ahnung von Pflanzen. Genau das Gegenteil war der Fall: Pflanzen bildeten den wesentlichen und sicheren Anteil bei Ernährung. Die Kenntnis, wo zu welcher Jahreszeit Früchte reifen, Wurzeln, Gräser, Pilze zu finden sind, erlaubte eine sichere Versorgung. Die Leute waren Jäger u n d Sammler, in erster Linie letzteres. Jagdbeute war ein willlkommenes Zubrot, wichtiger Lieferant für tierisches Proteine, die sich allerdings auch durch Sammeln von Muscheln ( großen Muschelhaufen an Lagerplätzen am Meer !) , Regenwürmern und Heuschrecken gewinnen ließen. Die Vorstellung von der Mammutjagd halte ich für fraglich, eindeutige Befunde dafür gibt es nicht. Und überhaupt, warum sollte sich Mann und Frau dem Risiko der mammut jagd aussetzen, wo jeder Verlust eines Menschen eine Gruppe in Gefahr bringen konnte. Geht man nun von guten Naturkenntnissen der Menschen aus, ist es durchaus plausibel, dass den Bewohnern des Fruchtbaren Halbmond nicht entgangen ist, dass Grassamen, die sie zum Essen sammelten, und die irgendwo liegengeblieben sind oder eingelagert wurden, dort wieder keimten und als neue Halme wuchsen. Aus großen Samen wuchsen starke Halme, die wiederum große Samen trugen. War diese Beobachtung einmal gemacht, lag der Schritt zur Pflanzenzucht in der Luft. Das war vor 11 000 Jahren im Vorderen Orient. Erst ab 5600 v. Chr. war bei uns das Klima für den Anbau von Getreide geeignet, genauso wie für die ebenfalls im Vorderen Orient gezücheten Schafe, Ziegen und Rinder. Im Übrigen hatten gerade die “Muschelhaufen-Kulturen” an der Nordsee und andernorts -klimatisch bedingt- in Hülle und Fülle zu essen ein Beispiel dafür, dass das Klischee vom 'Kampf ums Dasein ’ nicht zutrifft. Es ist durchaus zu überlegen, ob eine Ackerbau und Viehzucht treibende, sesshafte Lebens weise bei jedem Klima und überhaupt von Vorteil gegenüber einer Lebensweise der Jäger und Sammler war . Arne

Hallo Tobias, deinem ausführlichen Beitrag kann ich im Wesentlichen nur zustimmen. Das Buch von Norbert Benecke kann ich empfehlen. Ergänzend möchte ich noch folgendes Buch empfehlen: Udelgard Körber-Grohne: Nutzpflanzen in Deutschland. Beide Bücher werden zur Zeit als günstige Sonderausgaben angeboten, evtl. im modernen Antiquariat. Was behauptet denn Ian Hodder umstrittenes ? Gruß. Arne

Hallo Arne, na klar, Koerber-Grohnes’ Buch war mit glatt entfallen! Kenne mich miesst mehr mit der englischsprachigen Literatur aus. Hodders’ Domestication of Europe ist dafuer kritisiert worden eben auch ein wenig mono-kausal zu sein. Fuer ihn scheint alles auf eine ideologische Domestizierung der Gesellschaft hinauszulaufen, die ueber dasMedium des ‘Domus’ stattfand. Der Domus beschreibt eine Sammlung von Merkmalen die mit dem Neolithikum erscheinen, also z.B. domestizierte Pflanzen und Haustiere, das Haus, organisierte Siedlungen und auch Figurinen und Kunst. Er setzt diesen Domus in einen Gegensatz zu ‘natuerlichen’ Merkmalen welche er ‘Agros’ nennt. Das ganze basiert auf den Strukturalismus von Levi Strauss, der argumentierte das der menschliche Geist die Welt in Kategorien einteilt die in Opposition zueinander stehen. Im Prinzip wendet Hodder dies auf die Neolithisierung an und argumentiert, dass der Domus als Resource fuer den ideologischen Machtkampf in diesen Gesellschaften verwendet wurde. Das heisst er favorisiert soziale Auseinandersetzungen um Machtbeziehungen gegenueber der eher simplistischen “die Umwelt ist dran schuld”-Theorie. Obwohl er also versucht eine soziale Ursache fuer die Entwicklung und Verbereitung des Ackerbaus zu finden, welchem ich im Grunde genommen absolut zustimme, gibt es ein paar Probleme. Auf der einen Seite fragt sich ob Levi Strauss’ strukturalistischer Ansatz zutrifft oder nicht. In den letzten 20 Jahren haben Psychologen, Linguisten und Ethnologen vermehrt argumentiert, dass der Mensch konzeptionell zwar in Kategorien denkt, aber das diese Kategorien nicht so sehr klar trennbar sind, wie von Levi Strauss angenommen wurde (ein gutes Buch hierzu ist “Women, Fire and Dangerous Things” von George Lakoff). Folgedessen heisst das, dass die Oppositionen die Hodder darstellt eventuell nicht so oppositionell sind wie angenommen. Desweiteren fragt sich inwiefern die Unterteilung von “Natur” und “Kultur” ueberhaupt zutrifft. Wo zieht man die Trennlinie zwischen was natuerlich ist und was nicht? Wenn dies nun schon schwierig fuer uns, in der modernen Zeit ist, inwiefern war diese Konzeption noch unterschiedlicher in der Vergangenheit? Wie koennen wir wissen, was fruehe Ackerbauern und spaete Jaeger und Sammler als ‘natuerlich’ angesehen haben und was nicht? In Sachen Methodik muss man sich auch einige Fragen stellen, denke ich. An manchen Stellen des Buches erscheint es mir oft so, also ob Funde ueberinterpretiert werden, obwohl manche Dinge durchaus einleuchtend sind. Gleichzeitig aber ist das Buch auch eine indirekte Kritik am Strukturalismus, da Hodder dem Individuum und der Gruppe viel mehr Freiheit zugesteht, als dies in Strauss’ Arbeiten zu sehen ist. Fuer Hodder ist der Mensch aktiv am Wandel von Geschichte und Gesellschaft beteiligt, anstatt von der Seitenlinie zuzuschauen. Nichtsdestotrotz ist es ein unheimlich wichtiges, wenn auch nicht ganz einfaches Buch, dessen Grundgedanke ich im Allgemeinen zustimme. Ich meinte daher mit ‘umstritten’ eher das manch andere Archaeologen es total zerrissen haben, als dass ich selbst nicht dem Buch zustimme. Gruesse, Tobias

Hallo Tobias, von dieser Methodik- Diskussion habe ich bisher noch nichts mitbekommen, finde aber, was du darüber schreibst, ziemlich interessant, ohne alles zu verstehen, oder gar bewerten zu können. Ich vermisse es, dass die Frage, welche Methoden und erkennistheoretischen Vorgehensweisen angewendet werden können, um vom archäologischen Befund zu einer nicht nur für uns plausiblen, sondern auch der Realität nahekommenden Interpretation zu gelangen, im deutschsprachigen Raum ausreichend diskutiert wird. Aber vielleicht fehlt mir da der Überblick. Ich werde mal versuchen, anhand der von dir genannten Literatur , einen Einstieg in die englischsprachige Diskussion zu erhalten. Zu ‘Kultur’ und ‘Natur’ : Beide bilden eine Einheit, wenn man Kulturlandschaft nicht nur über den gestalterischen Eingriff der Menschen, also über Ackerbau und Viehzucht, definiert, sondern bereits über die Belegung von plätzen und Orten in der Natur mit Geschichten, Mythen, Erinnerungen und Namen. Diesen Gedanken hab ich so oder ähnlich in einem Vortrag von Clemens Pasda, Uni Jena, mitbekommen. Gruß. Arne

Die Kultur ist ein Teil der menschlichen Natur. Insofern ist eine Trennung eigentlich nicht möglich, wohl aber eine Unterscheidung. Das Problem ist, daß heute viele die Natur der Kultur als vorgängig betrachten, was natürlich ein Schwachpunkt der Naturtheorie ist

Hallo Arne, ja, auch mir erscheint leider ist die Diskussion diesbezueglich in Deutschland unterentwickelt. Allerdings bemuehen sich manche dies zu aendern. Schau doch mal bei www.theorie-ag.de vorbei. Ich weiss nicht wie aktiv die derzeit noch sind? Falls du einen Einstieg in die englischsprachige Theorie-Literatur suchst kann ich Dir, und allen anderen, nur waermstens Matthew Johnsons’ Buch “Archaeological Theory: An Introduction”, erschienen bei Routledge: London, 1999, empfehlen. Er befasst sich in diesem Buch mit allen gaengigen Stroemungen in neutraler Art und Weise und es ist zudem verstaendlich und zugaenglich geschrieben. Dazu hat es eine kommentierte Literaturliste, welche den Einstieg dann noch leichter machen sollte! Ich stimme da Herrn Pasda vollkommen zu. Derartige Ideen sind in Grossbritannien zumindest schon seit einiger Zeit verbreitet. gerade in der Praehistorik hat sich hier Richard Bradley herausgetan. Empfehlenswert sind da “Altering the Earth” (1993, Soeciety of Antiwuaries of Scotland, Edingburgh), “The Significance of Monuments” (1998, London: Routledge) und “An Archaeology of Natural Places” (2000, London: Routledge). Desweiteren hat der Anthropologe Tim Ingold sehr viel zu dem Thema geschrieben. Eine gute Uebersicht bietet sein Aufsatz “The temporality of the Landscape” der in World Archaeology 25,1993, Seiten: 152-174, erschienen ist. Auch sein letztes Buch “The Perception of the Environment” erschienen 2000 bei Routlede, bietet einen interessanten Standpunkt diesbezueglich. In Sachen Landscape Archaeology kann ich ansonsten noch die Arbeiten von Christopher Tilley und Julian Thomas empfehlen. Gruss Tobias

Hallo Glaubnix, es ist eigentlich ganz einfach zu erklären. Die Steinzeit verlief ja nicht überall gleich. Am Ende der Eiszeit lebten in Europa die Menschen noch Jahrtausende als Jäger und Sammler. In Vorderasien (im “Fruchtbaren Halbmond”) beginnt in der Zeit, die in Europa als Mesolithikum bezeichnet wird, die Domestikation von Pflanzen und Tieren. Die Domestikation von Pflanzen hängt mit dortigen Umweltbedingungen zusammen. Es gab dort viel Offenland, kaum dichte Wälder und sehr große -naja “Wiesen”- deren Gräser (Getreide ist im Prinzip ja auch nichts anderes) geerntet werden konnten. Mit der Zeit hat man einen Teil der Körner selbst ausgesät und mit wachsender Erfahrung dann auch gezielt Körner ausgesucht, die eine gute neue Ernte versprachen. Der Ackerbau hat sich über einen recht langen Zeitraum entwickelt. Gezielter Ackerbau erforderte natürlich die Seßhaftigkeit. Dabei ist zu beachten, daß die Menschen damals nicht wie wild umhergezogen sind, sondern über verschiedene Lager und Stationen verfügten, die bestimmte Zwecke erfüllten und die auch jahre- oder auch jahrhundertelang immer wieder aufgesucht wurden. Später kam dann noch die Domestikation von Tieren hinzu. Ich vermute mal, daß umfangreiche, den Fleischbedarf deckende, Jagd bei intensivem Ackerbau zu zeitintensiv wurde. Dieses “Fertigprodukt” wurde exportiert. In Europa (S/SO) kann man mit Ackerbau seit etwa 7000 v. Chr. rechnen. Im mitteleuropäischen Raum gibt es um etwa 5500 v.Chr. die Linienbandkeramik - die erste jungsteinzeitliche Kultur in diesem Raum. Norddeutschland und Nordeuropa waren dann noch mal 1000 bis 1500 Jahre später dran. Dort gibt es auch Mischformen von Meso- und Neolithikum. Für Europa fällt das Auftreten von Landwirtschaft und Keramik zusammen (so in etwa), daher wird das Vorhandensein von Keramik oft mit dem Beginn des Neolithikums gleichgesetzt. Was es wiederum für den Norden schwierig macht. Die dortigen Kulturen (Ertebölle) verfügen über Keramik, sind aber nicht im eigentlichen Sinne seßhaft. Wie nun die domestizierten Pflanzen (Emmer, Einkorn, Gerste, Linse, Erbse, Lein) und die Kenntnis von der Domestikation von Wildtieren (im Nahen Osten - Schaf/Ziege bevorzugt; in Mitteleuropa - Schwein/Rind) nach Europa gelangte, ist eine schwierige Frage. Einerseits gibt es die Möglichkeit, daß Menschen eingewandert sind, andererseits kann es reiner Technologietransfer gewesen sein. Gegen letzteres spricht allein schon die Tatsache, daß es die Getreide und Hülsenfrüchte in unserem Raum gar nicht als Wildform gab, sie also hier auch nicht hätten kultiviert werden können. Es muß also eine Gruppe von Menschen unterwegs gewesen sein und es muß intensive Kontakte gegeben haben. Nicht unbedingt vom Nordzipfel des Taunus bis in den Libanon, sondern über zahlreiche Zwischenstationen. Vielleicht kann man beide Möglichkeiten zusammennehmen. Das “Rohmaterial” und die Kenntnis von der Verarbeitung wurden inklusive fähiger Menschen nach Europa transportiert, dort machte sich die Idee dann irgendwann selbständig. Sobald an mehreren Stellen Erträge erzielt wurden, konnten auch andere Gruppen einbezogen werden. Was aber nicht bedeutet, daß alle Nichtseßhaften nun zwangsläufig “bekehrt” wurden, sie lebten durchaus jahrhunderte- wenn nicht jahrtausendelang nebeneinander. Es ist auch nicht auszuschließen, daß sie in einem gewissen Tauschhandel zueinander standen. Unklar ist mir allerdings bis heute, wie sich diese Wirtschaft überhaupt durchsetzen konnte. Es war eine mühsame Arbeit und sehr riskant dazu. An Inventaren von Gräberfeldern dieser Zeit lassen sich starke Mangelerscheinungen (v.a. bei Kindern) nachweisen. Dagegen war eine Jagd- und Sammelwirtschaft bei weitem nicht so riskant und brachte auch recht gute Ergebnisse. Es ist nicht wirklich ein tagtäglicher Kampf. Es sind ja keine riesigen Gruppen, die ernährt werden mußten. Und die Ernährung konnte auf vielerlei Wegen erfolgen, während die der Ackerbauern recht eindimensional war und stark vom Wetter abhängig war. Ich hoffe, das hilft dir etwas Schönen Tag noch Anni

Hallo Glaubnix Die Antwort, die Du von Toby bekommen hast, hätte man nach derzeitigem Wissensstand wohl nicht besser formulieren könnnen. Doch läßt für mich gerade diese “alte Theorie” ganz entscheidende Fragen offen. Zum Beispiel: Warum sollen wohlgenährte Jäger und Sammler eine Ernährungsart entwickeln, die mühsamer, ungesünder, gefährlicher und riskanter ist, als ihre bisherige Ernährungsweise ? Klimaschwankungen usw. gab es nicht nur vor 10, 12 oder 14.000 Jahren, sondern auch schon die 90.000 Jahre zuvor, in denen sich der moderne Mensch bereits im Fruchtbaren Halbmond befand. Und jedes mal behielt er sein Nomadendasein als Jäger und Sammler, weil er es beherrschte. Warum hat er das aber dann vor 10.000 Jahren nicht getan ? Meine Antwort lautet: Die Menschen, die den Ackerbau entwickelten, waren gar keine Jäger und Sammler mehr. Sie waren bereits längst sesshafte Menschen, und hatten das Jagen und Sammeln längst verlernt. (so wie wir heute auch) Ihre Nahrungsgrundlage war nicht das Korn, sondern eine andere dauerhaft verfügbare Nahrungsquelle. Erst als diese aufgrund der Klimaveränderungen nicht mehr zur Verfügung stand, mußten Sie eine andere Art der Essensbeschaffung entwickeln. Das führte die Menschen hin zur Landwirtschaft. Welche Art der Ernährung die erste Sesshaftigkeit ermöglichte usw. kannst du hoffentlich bald in meinem Buch “Beginn der Zivilisation - Die neue Theorie” lesen. Es ist bald fertig und ich muss nur noch einen Verleger suchen. mfg Wörns

Mit der Frage nach dem Warum triffst du einen wichtigen Punkt, der sicher noch offen und viel diskutiert ist. Es ist durchaus möglich, dass für die Menschen vor 90 000 Jahren, manche Überlebensstrategien im wahrsten Sinne des Wortes noch nicht *denk*bar waren. Dass für Jäger und Sammler der Übergang zur Sesshaftigkeit mit einer reichhaltigen Verfügbarkeit der Nahrungsressourcen vor Ort einhergehen muss, ist eine notwendige Bedingung, die wohl im Natufien gegeben war, eine hinreichende Erklärng ist das allerdings nicht. Da bleiben noch Fragen offen. Aber die wirst Du uns ja bald beantworten:

Tja, Wörns, hier wirst Du rätselhaft und geheimnisvoll … wenn uns da nur keine esoterische Enttäuschung erwartet. arne PS. Zivilisationsbeginn = Beginn der Sesshaftigkeit ?

Hallo Alle zusammen, ich möchte Euch und besonders Toby für die ausführlichen Erklärungen danken,die dann aber doch noch mehr Fragen aufwerfen…:-). Einerseits gab es keinen “täglichen Kampf” ums Überleben,anderseits werden Risiken (Mißernten,Unwetter,"zivilisationsbedingte"Krankheiten e.t.c. ) in Kauf genommen um eine (s.o) ungesunde Ernährungsform zu entwickeln?Irgendwie beißt sich hier die Katze in den Schwanz.Kann man vielleicht davon ausgehen,daß es einen,vielleicht noch nicht erkannten,Zwang gab,das Jagdverhalten dahingehend zu ändern und zu Ackerbau und damit verbundener Sesshaftigkeit überzugehen ?Es wurde ja schon einige Male die Klimaveränderung angesprochen,ist es vielleicht möglich,daß es,bedingt durch diese Veränderungen zu “Massensterben” b.z.w. Aussterben relevanter Tierarten kam ? Zu der anderen Problematik tun sich für mich weitere Fragen auf : Um,für eine "nomadisierende"Gruppe von 30-50 Menschen,den täglichen (im weitestenSinne) Bedarf an Getreide zu decken ist doch schon ein erheblicher logistischer Aufwand notwendig.Angefangen vom Transport (Mitschleppen) des Saatgutes über die Verarbeitungswerkzeuge bis hin zum eigentlichen (Verbrauchs)Getreide.Ebenso betrachte ich es als recht unwarscheinlich,daß die Nomaden (so sie noch welche waren) lange genung an einem Platz blieben um die Entwicklung ihrer “Versuchskultur” beobachten zu können. Vorausgesetzt die anfänglichen “Bauern” waren noch Nomaden;wie konnte unter den o.g.Umständen die Beweglichkeit der Gruppe/Sippe gewährleistet werden,die notwendig war um den Tierherden zu folgen ? @wörns Du schreibst : Meine Antwort lautet: Die Menschen, die den Ackerbau entwickelten, waren gar keine Jäger und Sammler mehr. Sie waren bereits längst sesshafte Menschen, und hatten das Jagen und Sammeln längst verlernt. (so wie wir heute auch) .Zitatende Ok,aber wovon haben sie sich ernährt ? Wie weiter oben recht umfangreich geschildert wurde,dauerte die Entwicklung des eigentlichen (den täglichen Ernährungsbedarf deckende) Ackerbaus relativ lange.Ergo kann es sich,unter diesen Umständen,defintiv nur um einen “fließenden” Übergang gehandelt haben.Meine daraus resultierenden Fragen —>s.o. @ arne : meines Wissens nach gibt es doch diverse Felszeichnungen über die (Mammut)Jagdarstellung. @anni: Du schreibst das es erst zu Ackerbau kam und dann zur Tierzucht.Kann es vielleicht sein das es andersrum war ?Erst die Tiere und dann die Pflanzen?Kann es sein (?) daß hier der Schlüssel liegt ?Erst werden Tiere domestiziert und dann die Pflanzen ? Galt doch Obst und Gemüse (in unseren Breiten) bis vor einigen Jahrhunderten als “Schweinefutter”.Vielleicht mal so als “Denkanstoß” an die Fachwelt;-) : Erst jage ich Tiere,dann fange ich sie und züchte sie,um sie zu ernähren sorge ich für ausreichenden Vorrat an (Tier) Nahrung und aus dieser Vorratshaltung entsteht nach und nach eine "Acker"Kultur.Änlich unseren heutigen Klee-und Rapsfeldern.Der “fruchtbare Halbmond” beschränkte sich doch in erster Linie auf das Zweistromland und Ägypten,sprich auf diverse Flußläufe.Wie in einschlägiger Literatur nachzulesen ist konnte ein (effektiver) Anbau nur mit Hilfe diverser Bewässerungen erfolgen.Diese wiederum setzten ein festes und vor allem sesshaftes Gemeinschaftsverhalten voraus.Was wiederum eine größere Menschansammlung als die oben angenommenen 30-50 voraussetzt.Ergo ist es für mich:-*>nur logisch das die Menschen sich erst eine sichere Nahrungsquelle schaffen mußten bevor sie mit Bewässerung und Mißernte rumexperimentierten. Aber das sind nur meine (Laienhaften)Gedanken dazu.:wink: in diesem Sinne und nochmals Danke Gruß Glaubnix

Hallo Arne Danke für Deine Antwort. Keine Angst. Ich halte nichts von esotherischen oder intergallaktischen Aussagen in der Archäologie. mfg wörns

guten abend liebe freunde, guten abend wörns, natürlich wünsche ich dir erfolg mit deinem interessanten buch. ein erfolg wird allerdings nur möglich sein, wenn a.) spektakuläre inhalte dargestellt werden, oder b) die erkenntnisse auf fundierten wissenschaftlichen ergebnissen beruhen. die fassung b kann ich zur zeit noch nicht erkennen wenn ich deine bisherigen äußerungen zu grunde lege. es gab keine gut genährten jäger und sammler, welche sich aus unerklärlichen gründen entschlossen seßhaft zu werden. evidente mangelerscheinungen der jäger und sammlerkulturen lassen sich aus nahezu jeder fachveröffentlichung herauslesen. toby hat dies in einem ganz vorzüglichen beitrag am 12.7. bereits klar gemacht. da bleiben im grunde nur sehr wenige fragen offen. was wir hier “neolithische revolution” nennen, die sesshaftwerdung des menschen ist ja ein prozess, welcher sich über jahrhunderte, jahrtausende hinweg abspielte. die frage welche pflanze jetzt zuerst angebaut wird, oder ob der stamm nicht lieber doch erst domestizierte tiere züchtet hat sich so zu keiner zeit gestellt. es war ein langsamer, oft paralell verlaufender entwicklungsstrom. nomaden lebten mit bauern nebeneinander und lernten voneinander. natürlich haben die bauern niemals das jagen verlernt, es wurde gejagt, es wurde angepflanzt und es wurde gezüchtet. durch ziehende völkerscharen, die dann natürlich an einem anderen ort wieder sesshaft wurden, konnte das wissen um die einzelnen belange in die verschiedensten erdteile getragen werden. je nach landschaft und bodenbeschaffenheit konnten dann auch spezialisierungen entstehen. der ackerbau entwickelte sich langsam heraus aus der sammlertätigkeit. erste kenntnisse des pflanzenwesens hatte man sich bereits bei der sammlertätigkeit angeeignet. bereits der nomade hat tierzüchtungen vorgenommen und diese tiere bei seinen wanderungen mit sich geführt. niemals aber haben nomaden getreidesamen mit sich geführt um dort vereinzelt zu sähen. ja, erst aus ersten sesshaften kulturen heraus gelang es dem menschen, seine ernährung auf eine erheblich verbesserte grundlage zu stellen. nur durch den kontinuierlichen anbau von feldfrüchten und dann in verbindung mit der zucht von haustieren war der mensch erstmals in der lage für einen längeren zeitraum vorräte zu schaffen und überschüsse für schlechtere zeiten zu lagern. noch-nomaden, züchter und bauern tätigten untereinander einen schwunghaften handel. erst durch dieses in einander greifen konnte es zu einer erheblich verbesserten lebenssituation und damit auch ausweitung und fortentwicklung des menschen kommen. so entstanden also erste siedlungen überall dort wo zum beispiel idealbedingungen vorlagen. fruchtbarer lößboden zum anbau, flüsse als geber von trinkwasser und fisch, naheliegende wälder mit wildvorkommen und bauholz., flächen mit niederen pflanzen als weidefläche. mit allerbestem gruß max

Hallo Max Vielen Dank für Deine Antwort. Ich beschäftige mich fast täglich mit unserem Thema. Leider konnte ich bisher in Internet oder Bücher noch keine Stellen lesen, in denen über die schlechte Ernährung der Jäger und Sammler berichtet wurde. Jedoch kann man häufig lesen, daß der Homo Sapiens sich optimal an seine Umwelt anpassen und nahezu jede zur Verfügung stehende Nahrungsquelle nutzen konnte. Natürlich werden sie aber auch Notzeiten erfahren haben, wir wollen uns jedoch hier um generelle Situationen “streiten”. Es wird allerdings oft davon berichtet, daß bei den frühen Bauernkulturen anhand von Knochenfunden nachgewiesen werden konnte, daß diese unter Mangelernährung, körperlicher Fehlbelastung (Artrithis,…) und einer kürzeren Lebens-erwartung litten. Dort heißt es ausnahmslos, daß es ihnen schlechter ging, als Ihren Jäger- und Sammler-Vorfahren. Ich wäre Dir dankbar, wenn Du mir mitteilen könntest, wo über Mangelernährung von Jägern und Sammlern berichtet wird. Danke. mfg wörns

Hallo Glaubnix, zu Deiner Bemerkung @ arne : meines Wissens nach gibt es doch diverse Felszeichnungen über die (Mammut)Jagdarstellung. möchte ich sagen, dass die Interpretation von Höhlenmalerei als “Jagdzauber” bis auf Einzelfälle als veraltet gilt. Untersuchungen und Vergleiche von Jagdbeute und dargestellten Tieren zeigen, dass diese überwiegend nicht übereinstimmen. D.h. z.B. waren Rentiere die bevorzugte Jagdbeute, überwiegend dargestellt sind aber Wisente und Pferde. Folglich kann man die Mammutdarstellung nicht mit Mammutjagd gleichsetzen. schöne Grüße Anja

guten tag liebe freunde, guten tag auch an dich lieber wörns, in meinen ausführungen vom 11.8.2003 schrieb ich: evidente mangelerscheinungen der jäger und sammlerkulturen lassen sich aus nahezu jeder fachveröffentlichung herauslesen. zu recht fragte der freund wörns nun nach, ob ich dies denn nun auch belegen könne. leider läßt sich dieses in dieser form überhaupt nicht nachweisen. insbesondere wollte ich damit auch nicht gemeint haben, daß es den sammler-und jägerkulturen schlechter ging als den sesshaften neolithischen bauern. ein paläopathologischer beweis dieser noch jungen wissenschaft kann ja auch nur insofern diagnostiziert werden, indem eine mögliche krankheit veränderungen an knochen oder gebiss verursacht hat. wir haben die situation, daß aus nichtsesshafter zeit keine aussagekräftige menge an skelettresten für solche untersuchungen zur verfügung steht. zum beispiel steht hier für den norddeutschen raum, daß von den ahrensburger jägerkulturen oder auch aus der federmesserkultur nicht ein einziges menschliches knochenteil bisher gefunden werden konnte. wenn er dann als beleg gelten kann, so schreibt ernst probst, in “deutschland in der steinzeit”, absatz, mittelsteinzeit,seite 170:" nach den skelettresten von mesolithikern aus mitteleuropa zu schließen, litten diese menschen nicht selten unter kiefer, gebiß und zahnkrankheiten. anthropologen haben unter anderem geschwülste an kiefern, arthrosen der kiefergelenke, fehlbiß usw, vorgefunden." dies ist auch weitestgehend die meinung der fachleute. alfred czarnitzki, “stumme zeugen ihrer leiden, paläopathologische befunde”, schreibt:“im neolithikum 15% tumore aller untersuchten individuen. vitamin c-mangel, jedoch immer nur kurzzeitig, auch in den kälteperioden. skorbut in den kaltzeiten, bei mangelnder aufnahme von sammlerprodukten. - vitamin a-hyperostosen, eine übermäßige bildung von knochen bei einem überangebot von vitamin a. vielfach krankheiten durch eisenmangel verursacht durch parasiten”. judith grünberg schreibt in “mesolithische bestattungen in europa, ein beitrag zur vergleichenden gräberkunde”, band 1, seite 183:“in vielen regionen europas deuten die anthropologischen untersuchungen der mesolithischen skelette auf mangelerscheinungen und mangelkrankheiten hin.” seite 189:" degenerative veränderungen", seite 196;" mangelernährung und mangelkrankheiten. in fast allen regionen europas weisen krankhafte veränderungen an knochen und zähnen auf mangelkrankheiten im mesolithikum hin, sie belegen eine unzureichende uv exposition, vermutlich besonders im winter. weiterhin litten einige individuen am eisernen tor an skorbut und allgemeinem nahrungsmangel. karies besonders bei mesolithikern in mittel- und südeuropa. aus all diesen texten ergeben sich natürlich interessante zusammenhänge, bei den es wirklich zu weit führen würde, hier darüber zu diskutieren. selbstverständlich sind mir ebenfalls die hier angeführten texte nicht ausreichend um für den status zwischen sammler- und bauernkultur eine grundsätzliche aussage zu treffen. die unterschiedlichen zeitabschnitte, kulturelle unterschiede, klimatische, geologische und örtliche gegebenheiten sind hierbei völlig unberücksichtigt. und weil dieses so ist, kann es nicht sein, daß es in vielen heilsbringenden botschaften heißt:" back to the roots" - “zurück in die steinzeit”. mit allerbestem gruß max