Archäologie im Kreuzfeuer

[Fortsetzung der Diskussion von: http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Kultur_%28Arch%C3%A4ologie%29 ]

Also Kra, machen wir mal versuchsweise hier etwas weiter. Die Technik ist natürlich gewöhnungsbedürftig. Handel: Da würde ich gerne die experimentelle Archäologie oder uns beide bemühen. Jeder geht mit einem Rucksack voller Grand Pressigny Feuerstein, so 50 - 60 kg (sonst lohnt es sich ja nicht) los. So etwa 100 Leute sollten wir mit jeweils 0,5 kg versorgen können. Oder beliefern wir einen Zwischenhändler, der uns die ganze Chose abnimmt? Die Leute im Umkreis von Pressegny haben schon genug Feuerstein, oder sie holen sich ihn selbst. Also werden wir schon 30 oder mehr km laufen müssen - Straßen niente -. Kra schlägt vielleicht vor einen Einbaum zu nehmen. Ich würde gerne dabei zusehen, wie er einen, schwer mit Pressegny beladenen Einbaum flussaufwärts treidelt, um ihn an der nächsten Sandbank zu entladen und anschließend wieder zu beladen. Ich mache übrigens nicht mehr mit, weil ich mir auf den unsichren Pfaden den Fuß vertreten habe. Funktionierte so neolithischer Handel?

Hallo JEW! Na gut, begeben wir uns ganz an die Basis. Ich sehe aber gerade, daß im Renfrew & Bahn (Archaeology, 2nd ed, pp350-357) die verschiedenen Handelsmodelle gut erklärt werden, hier können Sie sich nochmals aus berufener Hand darüber informieren. Der Handel über Wasserwege ist durchaus praktisch und Menschen, die auf natürliche Gewässer angewiesen sind, sollte die Einbaumtreidlerei vor weniger Probleme stellen als uns beide. Unbegradigte Flüsse neigen bei mäßigem Gefälle zur Auffächerung (braided rivers) bei gleichzeitiger Verflachung der Flußarmbetten - das Waten im Gewässerlauf und das Umgehen von Inseln dürften also kein Problem gewesen sein. Aber warum nicht auch auf dem Landweg? Auch als “Landbesteller” kennt man seine nächste Umgebung aufs genaueste und Verbindungen per Trampelpfad zwischen benachbarten Siedlungen waren unter Garantie vorhanden. Die Kommunikation untereinander, und wenn diese nur mit der Handvoll Siedler im Umkreis von 5km geschah, war schon allein aus biologischen Gründen unabdingbar (zur Einhaltung des natürlich angelegten und zumeist kulturell/ideologisch unterfütterten Inzesttabus), nachgewiesen ist sie allemal, sonst hätten wir ja gar keine Grundlagen für das archäologische Kulturkonzept. Die Zeitwahl spielt ebenfalls eine Rolle: Frühjahr bis Herbst binden den Bauern an seine Scholle, aber im Winter hat er nicht nur Zeit, sondern die Landschaft ist auch gangbarer (und evtl. die Gewässer sogar zugefroren) - wichtige Wintermärkte sind zB noch in der Wikingerzeit für Skandinavien nachgewiesen. Und Rucksäcke? Schleifen (Schlitten?) wären doch einfacher - und im Winter noch besser anzuwenden. So wahnsinnig weite Reisen müssen die keineswegs gezwungenermaßen auf den Handel spezialisierten Leute gar nicht unternommen haben. Gesetzt, es gab - sehr vorsichtig ausgedrückt - Plätze von zentraler Wichtigkeit, an denen sich 1-2x im Jahr die Bewohner mehrerer Siedlungen trafen - dann haben Sie Ihre Zielgruppe gleich auf einem Haufen. Diese “Plätze” sind gar nicht so weit hergeholt, denn zB die (schon wieder…) Kreisgrabenanlagen bieten sich dafür, sowohl in ihrer dichten Verbreitung wie ihren Ausmaßen, hervorragend an. Der evtl. Einwand der Bequemlichkeit (im Winter und dann auch noch Wackersteine durch den Wald schleppen…) zieht ebenfalls nicht. Was für uns Konsumjäger und Ü-Ei-Sammler beschwerlich klingt, mag für jemanden, der sich das halbe Jahr die Seele aus dem Leib rackert und dazu noch viel enger mit der Natur verbunden ist, vielleicht sogar eine willkommene Abwechslung gewesen sein. Vielleicht kommt dieser frühe Handel in seiner Struktur sogar einem weit verbreiteten Phänomen gleich: dem Schmuggel und dem Schwarzmarkt. Mein Großvater zog zB in den 50ern regelmäßig mit ein paar Nachbarn und Kollegen des Nachts und auf Schleichpfaden von der sowjetischen Besatzungszone in den “Westen” , u.a. um Grundnahrungsmittel zu besorgen, die es bei uns damals nur auf Marken gab… Wo ein Wille, da ein Weg und wenn es drauf ankommt, organisieren sich Menschen unglaublich schnell. Grüße, kra PS: Ihre Alternative zum Kulturkonzept steht immer noch aus!

Hallo Kra, fast alles was sie da so wortreich beschrieben haben könnte technisch durchaus so stattgedunden haben. Aber sie beschreiben leider eine Einbahnstraße. Denn, was bekommt der Herr, der Pressigny Feuerstein angeliefert hat von seinen Abnehmern. Es sollte ja etwas sein, was der Händler nicht nur braucht, sondern wovon er, oder wenn es Märkte waren, wovon sie vielleicht leben konnten, denn Arbeit dient immer (wenn auch über Umwege) letztlich auch in der Vorzeit der Lebenshaltung. Die Regel lautet: Niemand rührt einen Finger ohne nicht zu müssen. Und es müßte etwas sein, was der Herr aus Pressigny - als Bauer - selbst nicht (zumindest in ausreichendem Umfang) hat erzeugen können. Die Abnehmer des Feuersteins hätten es dagegen - verlässlich im Überfluß erzeugt -, so dass sie es jederzeit abgeben könnten. Ich schleppe doch nicht schweres Zeugs zu Märkten, bei denen ich nicht genau weiß ob sie vom Warenangebot her (z.B. wegen lokaler Mißernten) überhaupt stattfinden können. Zur Ernährung der wandernden Gesellen und zum Rücktransport der getauschten Ware (ggf. verderblicher Art) haben Sie übrigens noch nichts gesagt. Landwirtschaftlich tätige Nebenerwerbshändler (so habe ich sie ja wohl richtig verstanden) wird man mit Nahrungsmitteln oder Fellen (eine seit den Trappergeschichten beliebte Fiktion) keinen Gefallen tun können. So etwas hatten sie im Zweifel alles selbst. Entscheidender ist aber: dies alles ist und bleibt Tausch. Es ist so lange kein Handel, wie der Mensch der es tut, davon nicht 365 Tage im Jahr davon lebt. Und nach wie vor besteht die Möglichkeit, dass sich "jeder" der diesen Prestigefeuerstein haben wollte, das waren also keinesfalls die Herren Hinz und Kunz, den Feuerstein in einer Expedition selbst holen (lassen) konnte. Ich weiß nicht ob sich die internationalen archäologischen Vordenker bereits an ein steinzeitlich frühkapitalistisches Minenbesitzermodell herangewagt haben. Bei Bernstein wird davon ja zumindest (P. V. Glob) gefaselt. Damit klar wird was ich meine: ein Minenbesitzer-(Clan) mußte sich darauf verlassen können, das er jederzeit (Nahrungsmittel) tauschen konnte. Auch von Leuten die wegen Mißernten gar keine abzugeben hatten. Ich denke ja, das die auf diese Prestigeobjekte erpichten, die den Versuch wagen würden das Thema zu solchen Zeiten (und die gab es periodisch immer wieder) anzusprechen, diejenigen sind, die wir mit einem Loch im Schädel und auch ansonsten verstümmelt - das ist natürlich ein Scherz - laufend irgendwo ausgraben. Beim Kulturenmodell lassen wir uns bitte etwas Zeit. Ich bin eigentlich ganz zuversichtlich, dass sie es selbst herausfinden, wenn sie die archäologischen Vordenker völlig außer acht lassen und sich die Frage beantworten warum es frühneolithisch, und Kulturen determinieren sich steinzeitlich richtigerweise über die Keramik, alle 300 - 700 Jahre zu einem totalen Keramikwechsel kam. Wenn wir den frühsteinzeitlichen Mechanismus erkennen (den geschichtlichen kennen wir ja angeblich) können wir auch über die Zwischenperiode besser spekulieren.

Hallo JEW! Wir diskutieren immer noch sehr stark am prähistorischen Detail, dh. mehr spekulativ als mit Fakten belegbar, deswegen ist Plausibilät das einzige Gewicht, was unsere Argumente zum Tragen bringt… Fakt dagegen ist, daß eine fassbare Schichtung innerhalb der Gemeinschaften in ärmere und reichere kaum faßbar ist - genau das wäre aber in deutlichem Maße bei dem von Ihnen vermuteten kapitalistischen System zu erwarten. Unterschiede zwischen Gemeinschaften wird es natürlich gegeben haben, schon allein aus naturräumlichen Bedingungen waren einzelne Ressourcen für die jeweiligen Siedlungen besser oder schlechter zugänglich, die einen saßen vielleicht an einer Salzquelle, während die anderen Feuerstein abbauten, beide brauchten aber Feuerstein und Salz, also wurde gehandelt, oder - sensu JEW - getauscht; wenn Sie weitere mögliche Handelsgüter fordern: denken Sie doch mal an endemische Tier- und Pflanzenarten, an lokale Spezialitäten (die keinesweges eine Erfindung der Touri-Industrie sind) und selbstverständlich Grundnahrungsmittel. Von einer Gleichverteilung der nat. Ressourcen ist nicht auszugehen(?), es bleibt also zu klären, weshalb sich dieser Unterschied gerade nicht auf gesellschaftlicher Ebene - weder innerhalb noch zwischen den Gemeinschaften - manifestiert hat. Innergemeinschaftlich mag die Ressourcenverteilung ideologisch begründbar sein, etwa mit Wertvorstellungen, die die Anhäufung von persönlichem Eigentum verhindern - oder persönliches Eigentum ganz und gar nicht kennen. Zwischen den Gemeinschaften hingegen waren die Abhängigkeiten vielleicht nie so stark, daß einzelne davon stärker profitieren und andere schließlich unterbuttern konnten. Letztlich mag auch der Bedarf entweder nicht so groß gewesen sein, daß man für irgendeine Ressource sein letztes Hemd verkauft hätte oder - was sicher schwerer wiegt - die Ressourcen mögen kleinräumig zwar ungleichmäßig verteilt gewesen sein, großräumig jedoch nicht, sodaß man sich bei evtl. Zicken des einen Handelspartners leichter an einen anderen wenden konnte. Gerade der letzte Umstand, die großräumige Ressourcenverteilung, mag den Anlaß zur Machtergreifung zentraler Gewalten in der Frühbronzezeit geliefert haben, denn da saßen diejenigen, die ein ganzes Kupfer-Abbaugebiet unter ihre Kontrolle bringen konnten, tatsächlich oft auf dem einzigen Vorkommen im Umkreis vieler hundert Kilometer. Zu den Kulturen: Ich sehe nicht genau, worauf Sie hinaus möchten, stelle aber fest, daß Sie sich 1.) auf das Neol. konzentrieren, was gegen ein allgemeines Kulturkonzept und 2.) interpretatorisch argumentieren, wo doch die Basis einer jeden “Wissenschaft” so stark wie möglich auf deskriptiven Inhalten und nicht auf Modellen oder Interpretationen ruhen sollte. Viele Grüße.

Plausibilität, andere sagen dazu ein stimmiges Gesamtbild ist gar keine schlechte Basis. Arm oder reich, die Steinzeitler (im sonst. Europa) sprechen von einem relativ egalitären Fundbild. Ich greife hier mal ein Stück Ihres Nachsatzes auf: “auf das Neolithikum konzentriert”. Ich verstehe Ihr bzw. das kollektive Unbehagen der Gattung dt. Archäologie. Das Neolithikum begann jenseits der Grenzen, sogar ganz weit. Es war der entscheidende Einschnitt “die N. Revolution” und die fand nicht in der Altmark sondern auch noch außerhalb der Fachgrenzen statt. Orientalisten geistern durch die wichtigste Phase der Vorgeschichte, denn das Neolithikum erklärt in Wahrheit alles. Da haben die dt. in der 1000-jährigen Phase von 33 - 45 eine so schöne Adaptionstheorie erfunden. Unsere heimischen Jäger wurden zu Ackerbauern tönt es noch heute durch den publizistischen Dschungel und das ganze Resteuropa hat (fasst) kapiert, das wir die Nachkommen irgendwelcher Levantiner sind, zumindest bis die Indoeuropäer kamen, wenn sie denn kamen. A. Häußler ist da, ganz Europa zum Trotz immer noch anderer Ansicht. Und statt jetzt darauf zu achten wie sich die ganze Sache zwischen 11.000 vor und dem Beginn der LBK entwickelt hat, diskutiert man z.B. darüber, wie viel jägerische Anteil noch in der TBK-Kultur steckt. Das Thema Erwerke hatten wir schon, sie erscheinen übrigens mit der LBK und leider (aber man kann ja nicht alles haben) als kultureller Bruch. Die Vorgänger hatten sie noch nicht, und o Wunder ab der Alpenlinie nach Norden sind sie weit verbreitet ohne sich an heutige nationale oder damalige kulturelle Grenzen zu halten. (Warum) Mich wundert eigentlich nur, dass noch niemand darauf kam, wandernde prädeutsche Architekten für diese Verbreitung verantwortlich gemacht werden. Aber ich will die nationale Karte gar nicht weiter reizen, sondern nur fragen (sie erinnern sich an die Dualismusdiskussion), wer ist für die Verbreitung der Erdwerksidee zuständig? Verbreitung naturräumlicher Ressourcen, ich frage mich ob man dafür Handel braucht, ich glaube nicht einmal Tausch. Vielleicht ist ja bekannt, dass es auf Malta - und Inseln sind wunderbare Beispiele - eine so genannte kupferlose Kupferzeit gab. 1000 Jahre während derer kein äußerer Einfluss, nichts das die Insel erreichte, die von kupferzeitlichen Kulturen umgeben war. Etwa 6000, so schätzt man, völlig abgeschnittene Leute, die trotzdem Lipari oder Pantelleria Obsidian hatten. Sie waren von Sizilien auf die Insel gegangen und “handelten” nicht und mit nichts, obwohl es gerade hier eine endemische Pflanze gab, die später die Ordensritter verhandelten (der Pilz der Johanniter). Schließen Sie daraus was Sie wollen, ich schließe daraus man kam sehr gut ohne Handel aus. Zugegeben ein europäisches kein deutsches Beispiel, aber lernen kann man von überall, man muss nur für alles offen sein und kein Dogma predigen. Dies ist nicht einmal typisch deutsch. Die schwed. Archäologin M. Strömberg fand bei ihrer Grabung in Hagestad etwas was sich mit der herrschenden Meinung nicht in Einklang bringen lässt und Sie sagt in einem Monolog. Die ganzen hervorragenden Wissenschaftler der Vergangenheit, sie können sich doch nicht geirrt haben. Dann dreht und wendet sie Ihren Befund so lange bis er wenigstens annähernd zur gängigen Theorie passt. Kognitive Dissonanz, nennt man so etwas, glaube ich. Zurück zum Handel. Wenn Sie recht hätten ich meine mit den lokalen Spezialitäten, dann fänden wir Kökkenmödinger bei Hannover - und gleich daneben an Muschelvergiftung verstorbene Mesolithiker, bei ihnen gab es wirklich die ggf. unerreichbare lokale Ressource. Feuersteine um zu überleben, gab es überall, nicht in derselben Qualität oder Farbe aber die war nicht für Otto Normalverbraucher interessant. Und die, die wie heute einen Porsche zum Angeben brauchten, holten sich ihn aus damals schon am Werkstor ab, z. B. im Plessigny. Vielleicht schicken sie auch ihren Schwager. Viele liebe Grüße

Hallo zusammen, Sie gestatten, daß ich mich in das “akademische” Streitgespräch einmische und zwar mit der schlichten Feststellung, daß sich die aufgeworfene Frage nicht einheitlich beantworten läßt. Eigentlich zieht sich die einzig mögliche Antwort wie ein roter Faden durch Ihre Diskussion. Zwei Faktoren sind hier m.E. maßgebend. Einmal die Mentalität des Menschen und andererseits die äußeren Umstände. Da beides keine Konstanten sind, kann auch kein konstantes "Schema ef" als generelles Ergebnis dieser Diskussion erwartet werden, sondern nur ein schlichtes, aber zutreffendes:“Sowohl als auch!” :innocent: Das ist auch durch Anwendung einer noch so ausgefeilten, wissenschaftlichen Methodik nicht zu ändern, bzw. läßt sich nur im und für den Einzelfall methodisch erarbeiten. Sorry, aber mehr gibt mein IQ dazu nicht her.:-*> Gruß Kurti

Hallo Kurti, sicher hast Du im Tenor Recht, manches wird sich nicht klären lassen. Allerdings ist das Internet voll mit Artikeln in denen “das erste” oder “der erste” vorkommt. Und hier geht es um den ersten Vorgang den man als Handel bezeichnen kann, weil er die Kriterien erfüllt. Bei diesen Kriterien sind wir (Kra und Ich) allerdings unterschiedlicher Ansicht. Er vergibt das Prädikat Handel auch an einen Vorgang der z.B. Tausch gewesen sein könnte. Aber er blendet auch die Möglichkeit (weitgehend) aus, das sich die Leute die Sachen, die wir gemeinsam als Prestigegüter eingestuft haben, selbst beschafft oder in eigenem Auftrag, durch ausgesandte Trupps, beschaffen lassen haben. Wichtiger erscheint mir, der ich echten Handel (jetzt mal grob gesagt) erst in der urbanen Phase menschlicher Kultur für möglich (auch sinnvoll) halte, so dass sich echter Handel zuerst zwischen frühen Zentren im Orient abspielte und dann als Meer-/Küstenhandel im Mittelmeer (z.B.) zwischen dem Libanon und Ägypten aber auch zwischen Rohstoffquellen und in größeren Gemeinwesen organisierten Verbrauchern (Zypern-Sardinien) ablief. Erst jetzt - also relativ spät - setzte m. E. auch landgestützter Handel ein, bei dem begehrte Güter (in der Regel Metalle) gegen z.B. Bernstein, Weihrauch etc. als Handelsgut beschafft wurden. Natürlich war er lange zuvor im “Tauschhandel” in geringeren Mengen auch schon in den mediterranen Bereich (wo nach allgemeinem Verständnis die Abnehmer saßen) gelangt. Der Streit, wenn man das so sagen will, geht also darum wann Einzelpersonen aktiv wurden und sich auf eigenes Risiko Ware beschafften, von der sie glaubten, sie mit Gewinn (Mehrwert) wieder los zu werden, damit er als Händler davon seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, und wie wir aus späterer Zeit wissen sogar vermögend dabei wurde. Nicht dagegen geht es (zumindest mir) um “gleichwertigen Warenaustausch”, bei dem jeder weiß oder zumindest glaubt, das das erhaltene dem abgegebenen im Wert in etwa entspricht. Es geht also sowohl um die Definition von Handel, bzw. darum wann ein so definierter Handel, z.B. in Mitteleuropa erstmalig als gesichert “anzunehmen” ist. Vielen Dank für deinen Einwurf.

Hallo JEW! Hallo Kurti! Ich danke ebenfalls für den Einwurf, der JEW zu einem neutraleren Diskussionsniveau zurückfinden ließ. Ihre Polemik ist mir zum einen schleierhaft, weil inhaltlich nicht haltbar - von wegen “nationale Karte”, schauen Sie sich mal an, wo die deutschen UFG-Institute ausgraben (Leipzig->Frankreich, Berlin->ex-Yugoslawien,Tübingen->Afrika usw) schauen Sie, wo und worüber Arbeiten geschrieben werden, und schauen Sie, wer z.B. die jüngst publizierten DNA-Analysen von ältest-LBKlern vorgenommen hat… Mit dem Handel sind wir uns ja fast einig, wir streiten uns lediglich um Worte und die Kleinigkeit, ob nun tatsächlich Halbspezialisten durch die Lande zogen, um zu tauschen, oder sich jeder selbst seine Ressourcen am Fundort abholte. Ob “Handel” oder “Tausch”, nennen Sie das Kind wie Sie wünschen, die Verteilungsmuster von Fremdmaterialien sind nun mal gegeben und in meinen Augen durch die genannten Modelle plausibel erklärbar. Es wird immer spannender, was Sie nun aus dem Hut zu zaubern gedenken, nachdem Sie das derzeit verwendete Kulturkonzept ablehnen, die deutsche Archäologie in den Staub getreten und, etwas anderes kann ich kaum schlußfolgern, DAS eine, die gesamte zivilisatorische Entwicklung erklärende Modell in der Neolithisierung, die bei Ihnen unter “Revolution” läuft gefunden haben. Oder nicht? Vorhang auf! Viele Grüße

Hallo Kra, schon vergessen, das Thema heißt Archäologie in der Diskussion. Der Titel ist nicht von mir, ich hätte “in der Kritik” geschrieben, obwohl eine Diskussion nach allgemeinem Verständnis kritisch zu sein hat, sonst hätte es Lobhudelei heißen müssen. Als Polemik bezeichnet man (lt. Wiki) auch den Kampf gegen dogmatische Anschauungen aller Art. Polemisieren heißt, eine Ansicht zu bekämpfen. Polemik sucht nicht den Konsens, sondern will fundamentalistisch niederkämpfen und dabei unterhalten. Ich hoffe Sie fühlen sich zumindest unterhalten, wenn Meinungen, die übrigens virulent sind und nicht nur bei mir (relativ abgewogen wie ich finde) vorkommen, auf Ihre Seele einstürzen. Das dt. Institute im Ausland graben bekräftigt sogar meine Auffassung, und um mehr ging es dabei ja nicht, das ausländischen Ergebnissen misstraut wird. Ich hatte übrigens national und nicht etwa rassistisch geschrieben, das ist schon ein gewaltiger Unterschied. Mit Auslandsgrabungen im Bereich Vor- und Frühgeschichte, (bei anderen Fachgebieten ist das sowieso nicht anders möglich) outet sich die dt. Vor- und Frühgeschichte, wie übrigens auch die anderer Länder, sogar als national, denn er glaubt nur an das was er selbst ermittelt hat. Wer z.B. die jüngst publizierten DNA-Analysen von ältest-LBKlern vorgenommen hat … arbeitet - nicht nur - international, er klärt vor allem ein dt. Problem. Mit Handel sind wir uns, mit Verlaub, insofern nicht einig, weil Sie den Schritt, zu dem was man mittelalterlich Merkantilismus nannte, wenig bis keine Bedeutung zu messen. Dabei gehört der echte Handel (vergleichbar mit der Erfindung der Schrift) zu den ganz großen Schritten der Menschheit und führt direkt zur Geißel dieser Zeit, der Globalisierung. Schlimmer finde ich aber, dass sie Fragen zwar zu Stellen, aber nicht zu beantworten bereit sind. Ich hatte schon mehrfach den Versuch unternommen Antworten auf Fragen zu bekommen, die die Archäologie, so zumindest, noch nicht gestellt hat. Dabei weichen sie stets, geschickt - kann man nicht sagen - aus. Also noch mal gefragt, wer verbreitete (in Person oder Stand) die Idee der Erdwerke über Europa, jene Gattung bei deren Deutung sich die dt. Archäologie oder genauer die mitteleuropäische so schwer tat. Bei den Causewayed enclusores hätte man schon vor Zeiten abkucken und feststellen können, das es sich nicht um Graben- sondern um Grubenwerke handelt, die Keinerlei fortifikative Bedeutung hatten. Im Übrigen zaubere ich nicht, sondern schöpfe aus einem Bündel von Erfahrungen, und über 700 Exemplaren internationaler (primär neolithischer) Literatur, die ich von diversen Inaugenscheinnahmen in Europa mitgebracht habe. Es gehört offenbar nicht zum Ausbildungsprogramm, die künftigen Archäologen mit Fehlleistungen der Vergangenheit (z.B. Kurvenkomplexbauten) groß zu behelligen. Vermutlich kennen Sie daher Leute wie C. Horstmann gar nicht, der 1876 erstmals der Idee widersprach, Megalithgräber als Kollektivgräber anzusehen. Er sah in ihnen eine Art Beinhäuser zur Aufnahme der an anderer Stelle der Verwesung ausgesetzten Leichname. Seine Deutung ist jedoch, so ließt man heute, in der Fachliteratur nicht beachtet worden. Eine interessante Aussage, vor allem da C. Horstmann nicht alleine war. Die Schweden V. Boye und B. E. Hildebrand vertraten schon 1862 respektive 1864 die gleiche Ansicht. Nicht das Sie jetzt denken ich teile deren Ansicht. Sie war zwar auch falsch, erklärte aber den Zustand in den Anlagen weitaus plausibler als die gängige Theorie und wurde zwischenzeitlich von K. Raddatz und E. Schuldt wieder aufgegriffen. Festzuhalten bleibt zunächst, dass die recht plausible These unter den Tisch gekehrt wurde und denjenigen, die sie vertraten, die Anerkennung versagt blieb. Hier muss gefragt werden, welche Mechanismen wirksam waren, es vielleicht noch immer sind, die solche Ignoranz erzeugen? Denn nicht die Fachliteratur verwarf die These, wie K. Raddatz schreibt, sondern jene Gelehrten, die in der Lage waren, mit ihrer gegensätzlichen Meinung die ganze Fakultät zu beeinflussen. So könnte es gewesen sein. Beängstigend finde ich. Vor allem wenn man den Archäologen G. Daniel ließt, der schrieb: „Die fixe Idee eines Gelehrten kann so weit gehen, dass sie von einem Wahn kaum noch unterscheidbar ist. Das ist böse Kritik, nicht das was ich sachlich vorbringe. Ich hoffe es verschlägt Ihnen nicht wieder die Sprache und grüße recht herzlich.

Hallo JEW! Keine Angst, ich lasse den Humor so schnell nicht fahren, habe aber momentan relativ wenig Zeit mich ernsthaft auf meine hiesige, mir zugebilligte Rolle als Apologet der Arch�ologie vorzubereiten und wahrzunehmen. Mir ist schon klar, da� wir uns hier ein bi�chen wie Kasperle und Krokodil (die Rollenverteilung ist zu offensichtlich als da� ich sie hier festhalten m�sste) auff�hren, niveauvoll versteht sich; Stammtisch und verr�ucherte Kneipenatmosph�re w�rden das Bild gelungen abrunden. Ihre Suche nach Schwachpunkten haut in Sachen Internationalit�t der Arch�ologie kr�ftig daneben. Meinen Sie, die Grabungen im Ausland w�rden von einer Art arch�ologischer Kolonialherren gef�hrt, die die Einheimischen nur als Schubkarrenfahrer mi�brauchen? Schauen Sie sich die Autorenlisten an - die internationalen Projekte werden auch international, n�mlich von jeweils einheimischen wie ausl�ndischen Arch�ologen gleicherma�en betreut, bearbeitet und publiziert. Wahrscheinlich halten Sie die deutschen Arch�ologen, die, obwohl nicht vorrangig im Ausland t�tig, trotzdem nicht-globale Fremdsprachen wie tschechisch, polnisch, ungarisch, t�rkisch…beherrschen (allein f�r das Inst. Halle k�nnte ich Ihnen 5 Leute nennen) auch nur f�r hinterlistige Idioten, die sich Neuigkeiten aus ausl�ndischen Publikationen aneignen wollen, um sie dann in Deutschland als eigene Werke zu verkaufen. Die ausl�ndischen Gaststudenten, -dozenten und -forscher werden auch nur nach Deutschland eingeladen, damit sie sich mal richtig satt essen k�nnen, oder? Und ja, mich selbst hat man auf die Insel hier geschickt, um hinter feindlichen Linien zu sabottieren und zu spionieren… In Sachen Menschlichkeit und Wahrheit haben Sie allerdings recht (ich meine Ihre “b�se Kritik”), nur sagen Sie mir, wo Sie den Faktor Mensch aus der Wissenschaft fernhalten k�nnen. Wissenschaft ist nicht demokratischen Regeln unterworfen, Strukturen, Mechanismen und Kommunikationswege haben sich dort parallel zu politischen Systemen entwickelt, aber w�hrend letztere durch st�ndigen Funktions- und Belastungsdruck zur Entwicklung oder Umst�rzen gezwungen sind, sind erstere als selbstregulierendes System nahezu v�llig frei von jeder pr�fenden Instanz (“Freiheit der Wissenschaft”) - Sie als Freund von Kirchenvokabular und �berzeichnender Feder k�nnten jetzt nicht ganz unpassend “Vatikan” dazwischenrufen. Nur hei�en die Dogmen Paradigmen (das klingt nicht ganz so arg) und der scheinbar irrationale Wandel dieser Paradigmen durch die Wissenschaftsgeschichte beruht keineswegs nur auf der G�te jeweiliger Forschungsergebnisse, sondern auch darauf, wie und wo sie publiziert werden (Stichwort Popularit�t) und - jetzt kommt�s - in starkem Ma�e auch auf den sozialen F�higkeiten dessen, der sie anpreist. Wie gesagt, das finden Sie �berall, Mendel mit seinen Bohnen, Huttons Uniformitarismus… Das ist meine schnell skizzierte Sichtweise emischer(!) Beobachtungen, und bevor ich mich hier in selbstzerfleischenden Detailstudien �ber die dunkle Seite der F�cher begebe, schlie�e ich lieber mit B�chner: “Jeder Mensch ist ein Abgrund; es schwindelt einem, wenn man hinabsieht.” und einem Literaturtipp, der die ganze wissenschaftliche Chose mit einem lachenden Auge betrachtet: http://www.amazon.de/…/302-5123521-7199247 (b�te sich als 701. Band f�r Ihre Privatbibliothek durchaus an) Zum Handel: Was denn nun? Sind meine neolith, Feuersteinh�ndler jetzt Merkantilisten(?)? Und “ganz gro�e Schritte” - das klingt schon wieder nach Revolution und von-heute-auf-morgen. Ich habe Ihnen auf diese eine Ihrer Fragen Hinweise zu m�glichen Fr�hformen des Handels gegeben, und nicht die Bedeutung von Kommunikationsnetzen negiert - von denen Handel nur ein Aspekt ist. Ihre Frage nach Erdwerken verstehe ich nicht ganz - m�chten Sie wissen, “wer” die “Idee” in der Vorgeschichte verbreitet hat oder wer sich forschungsgeschichtlich damit befasst hat??? Ihren Fragen habe ich also zu unrecht einen rein rhetorischen Status zuerkannt? D.h. es kommt nun doch keine alles erkl�rende Theorie? Schade, dabei hat doch alles in diese Richtung gedeutet… Viele Gr��e. PS: Sorry, jetzt hat es mir die deutschen Sonderzeichen zerschossen; ich hoffe, Sie sehen den Text vor lauter Fragezeichen noch. PS2: Achso, bin zwar kein Spezi, aber die Monofunktionalität von Megalith"gräbern", wenn man so pauschalisieren möchte, wird doch schon lange in Frage gestellt - gibt es nicht Befunde aus Dänemark, die u.a. für die Deutung als (religiöser?) Versammlungsort sprechen? (habe ich in Midgleys TRB-Culture gelesen, glaub´ ich), oder wollten Sie wieder nur den Deutschen Engstirnigkeit vorwerfen?

Hallo Kra, schön dass Sie es locker sehen (bitte aber nicht vergessen, dass Sie mir in dem anderen „Forum“ noch eine Antwort schuldig sind). Natürlich haben Sie Recht mit der Rollenverteilung, allerdings ist sie - und alles andere auch - selbst gewählt. Bei den Auslandsgrabungen scheinen wir uns missverstanden zu haben. Natürlich gehe auch ich davon aus, dass der dt. Archäologe „nur“ teilnimmt. Mir ging es darum - zu unterstellen-, dass die dt. Archäologie einer - nur von Ausländern - gemachten Grabung (oder Deutung) weniger Respekt gegenüber bringt. Die Sache mit der Menschlichkeit zeigt (Gott sei Dank), dass Sie nicht am Tropf der Fakultät hängen. Noch böser formuliert, dass sie kein Stockholm Syndrom haben. Dafür zolle ich Ihnen Respekt. Obwohl ich z. B. in Prof. Renate Rolle, Hamburg (aber auch in einigen anderen) eine durchaus führsorgliche Bereichsleiterin kennen gelernt habe. Beim Handel (aus dem Merkantilismus und Globalisierung wurden) bleiben ihre möglichen Handelsvorläufer natürlich unberührt, die will Ihnen keiner nehmen. Sie sollen nur nicht Handel zu etwas sagen, was nicht Handel war, sondern günstigsten Falles Tausch. Und nun zu den Erdwerken. Erdwerke tauchen auf, verbreiten sich über weite Teile Mittel- und Nordwesteuropas und verschwinden wieder. Darüber besteht glaube ich Einigkeit. Ich möchte von Ihnen wissen, welche Initialzündung Anfang, Verbreitung und Ende der runden Erdwerke (Viereckschanzen interessieren hier nicht weil wir uns um die Steinzeit bemühen) bestimmt hat. Die Frage ist deshalb (für mich) so wichtig, weil die Archäologie sie, so zumindest, noch nicht gestellt hat, Sie also nicht auf Fakultätswissen zurückgreifen können und somit Ihre eigenen Vorstellungen zu einem Phänomen formulieren müssten. Auch diesmal muss ich Sie ein wenig enttäuschen. Die Erdwerksfrage (als ein Beispiel) führt zu der Antwort auf die „alles erklärende Theorie“, der Kultur in vorgeschichtlicher Zeit. Zu Ihrem Artikel. Es ist wirklich die Frage, ob Sie ihn nicht überarbeiten (ggf. löschen und neu einstellen) sollten. Er ist nur noch sehr schwer entzifferbar und das sollten wir den erfreulich vielen Lesern nicht antun. Viele Grüße JEW

Hallo JEW! Tut mir leid, nur ganz kurz… mein Arbeitspensum ist zyklischen Schwankungen unterworfen, die mir dementsprechend mal mehr, mal weniger Zeit für wilde Internetdiskussionen lassen. Zu den Kreisgrabenanlagen gab´s vor ein paar Monaten eine Tagung in Halle, vielleicht finden Sie in den Zusammenfassungen Antwort auf Ihre Frage: http://www.praehist.uni-halle.de/workshop.pdf Die Frage nach der Verbreitungsweise dieser Objekte ist mE zu früh gestellt, da noch zu wenig über die Anlagen bekannt ist (typisch deutsche Archäologenantwort, ich weiß…). Außerdem sehen sich die Dinger auf den ersten Blick zwar alle ähnlich, Unterschiede, darunter auch regionale, gibt es trotzdem und schließlich gibt es solche runden “Kultgräben”, die Abschnittsweise auf- und zugeschüttet wurden auch in Südosteuropa (Drama, Bulgarien), dort allerdings jünger als in Mitteleuropa → die Funktion (wenn es denn DIE einheitliche/n Funktion/en überhaupt gab), ohne die sich die Verbreitungsmechanismen sinnvoll kaum erklären lassen, liegt also auch noch im Dunkeln. Ich hoffe, morgen habe ich mehr Zeit für mehr Text, und ja, die Wikipedia auch noch - Sie überfordern mich! Viele Grüße, der Kasper

Hallo Kra, ich denke wir sind an einem Punkt angekommen, wo wir das Kreuzfeuer mal wieder etwas lodern lassen sollten – der Titel stammt ja von Ihnen. Akribisch, wie ich nun mal bin, habe ich mir alte Aussagen von Ihnen (aus dieser Diskussion) - als Halbsätze – also zugegebenermaßen ohne Kontext herausgesucht, die wie ich meine ins Kreuzfeuer geschmissen werden sollten. Zitat: Das heißt aber nicht, dass die Methoden und Theorien nicht vorhanden sind - sie werden nur nicht zur Debatte gestellt, sondern implizit genutzt und entwickelt. 1. Die so hoffnungsvoll angetretene Theorie AG scheint ja tot zu sein, oder? Wenn ich mir die mitunter verquasten Beiträge angesehen habe, hatte ich manchmal schon den Eindruck: Das ist doch Sabotage – hier gießt jemand absichtlich Wasser in den Wein. 2. Die Methoden werden nicht debattiert. Schade aber auch. Das klingt nach Herrschaftswissen und herrschaftlichem Entwicklungsvorbehalt. Und genau so, haben wir uns das ja auch vorzustellen. Eine (neue) Theorie entwickeln allein etablierte Herrschaften (i. W. mit EH abgekürzt). Alte (falsche Theorien) wurden seinerzeit auch von EH entwickelt und werden (jedenfalls zu Lebzeiten der EH) nicht etwa revidiert, sondern geraten – immer noch treu und brav als Möglichkeiten der Deutung des Vorgefundenen rezitiert, allerdings mit langsam nachlassendem Volumen, irgendwann außer Mode. Da die neuen Theorien (zum selben Thema) u. U. auch nicht das gelbe vom Ei waren, passiert mit Ihnen (in der Generationenfolge der Archäologen) irgendwann dasselbe. Allein, wir haben, da die EH´s nicht angreifbar sind, Papier voll geschrieben und an Studenten Thesen vermittelt, an die wir selbst schon lange nicht mehr geglaubt haben. All dies ist äußerst pietätvoll und honorig geschehen, nur war es leider nicht im Sinne der Wissenschaft. Die sich jedoch die (wissenschaftliche) Freiheit herausnimmt Zeit zu vertun und Personenkult zu betreiben. Da lobe ich mir die britische Manie der Archäologen übereinander herzufallen und beinahe stündlich alte Theorien anzugreifen und durch neue ersetzen zu wollen. Leider, ist das Ergebnis dieses Tun (von dem wir in Deutschland allerdings klammheimlich profitieren) in toto auch nicht viel besser. Es müsste aber doch eigentlich besser sein – wieso ist es das nicht? Meine Antwort ist ganz klar. Auch der britische Ansatz kann nur die Fragen reflektieren, die gestellt werden. Und es werden offenbar (auch dort) die falschen Fragen oder nur Randfragen gestellt. An die Definition von „Archäologischer Kultur“ wagt sich auch dort niemand. Zwischeneinwurf von mir (dies alles wird von mir) wohlgemerkt immer auf die Phase der Vorgeschichte beschränkt. An unsere Erdwerkdiskussion haben (wir?) m. E. gesehen wo der Hase im Pfeffer liegt. Die Archäologen in England interessieren (wenn überhaupt) auch nicht die Fragen Warum und Wie, die kontinentale Idee der Erdwerke auf die Insel kam, sondern allenfalls Wann und Woher. Selbst das aber nur, bei denjenigen (wenigen) die überhaupt anerkennen, dass je eine Sache oder Idee vom Kontinent auf die Insel gelangt ist. Am Rande bemerkt: Besonders lustig finde ich den irgendwann gemachten Versuch an Lang- oder Rundhäusern festzumachen woher die Einflüsse stammen. Dabei haben sich diese beiden Bauformen überall (auch auf der Insel) periodisch abgewechselt. Das erste Mal vor 10 Jahrtausenden in der Levante. Ebenfalls recht erheiternd: V, Cummings & A. Whittle :2004 Oxbow Book. Places of Special Virtue. Was bedeutet das nun im Klartext? Auch die streitlustigen Briten finden im Schutt der Geschichte (der nur in unvergänglichen Relikten, also nur zu etwa 5% überdauert hat) nicht die anthropobiologische Triebfeder des Handelns, der alle Kulturen bestimmt hat. Dabei hilft es bereits wenn man Darwins Lehre vom Verhalten der Arten ausbaut und auf das menschliche Handeln überträgt oder andere Sinnsprüche (erst kommt das Fressen und dann die Moral) aufnimmt. Jetzt zwei weitere Sätze von Ihnen. Zitat: Mir scheint, Ihnen sagt der Strukturalismus über alle Massen zu - so sehr, dass sie selbst für das Neolithikum die strikte Polarisierung “Welt” und “Anderswelt” vornehmen, die ihr Abbild in der Gewaltentrennung finden soll. Ich darf noch einmal anführen, dass dies einer archäologischen Grundlage entbehrt. Allein ethnologische Analogien sind schön und gut, in meinen Augen aber nur eine willkommene Sicht auf die Vielfalt kultureller Möglichkeiten. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Die Archäologie hat (wörtlich genommen) also eine Grundlage, die ausschließt, das es in der Vorzeit bereits eine einen Dualismus von profaner (Häuptling) und metaphysischer (Schamane) Macht gab. Bei welcher Grabung hat sie den denn gefunden? - Wir sprechen immer noch über die Steinzeit. – Sie wollten vermutlich zum Ausdruck bringen, dass die Archäologie, mit ihren Methoden, nie in der Lage sein wird diesen Beweis oder sein Gegenteil herauszufinden. Da sind wir uns dann einig und wir sind wieder ganz oben, bei den Methoden angekommen, die nicht diskutiert werden. Vielleicht sollte man dies doch mal tun. Gruß JEW

Hallo JEW! Naja, “halbwahr”. EHs gibt es natürlich, auch solche, die ihren Nachwuchs danach selektieren, wie stark jene ihre Fahnen in die vorgeschriebene Richtung hängen.Die Spanne der Druckmittel reicht hier von schlechten Klausurnoten bis hin zu Ablehnungen von Dissertationen oder Habilitationen. Solche Offensichtlichkeiten sind jedoch selten und ineffektiv, denn die Studenten können zu einem anderen Institut ziehen, Arbeiten können bei anderen Gutachtern eingereicht werden. Wichtigere Gründe für mangelndes explizites Entwicklungsinteresse liegen mE. tiefer und sind breiter gefächert: Ganz vorn war lange Zeit (zum Glück aber endlich endlich im Aussterben begriffen), die deutsche Erbschuld, von der sich das Fach einen Teil aufgeladen hatte. Weiterhin ist, wie Sie richtig sehen, das angloamerikanische Vorpreschen aufgrund seiner fehlenden Struktur, fehlenden einheitlichen Basis und schließlich fehlender eindeutig “besserer” Ergebnisse leicht angreifbar, den Traditionalisten stehen also genug Argumente zur Verfügung, den ganzen Block abzulehnen, auch wenn er einige Perlen enthält und in unserer richtungslosen Zeit vielleicht die einzige Möglichkeit zur Entwicklung bietet. Dazu mag außerdem noch die wirklich vorsintflutliche Struktur der deutschen Archäologie als solcher beitragen - die Ämter, auf Landeshoheiten aufgeteilt, ohne gemeinsames Dach, kämpfen gegen Verkürzungen und mit Umstrukturierungen, müssen sich auf Rettungsgrabungen konzentrieren und nebenbei noch das Gros der Öffentlichkeitsarbeit tragen, parallel dazu - nicht etwa Hand in Hand - existieren die Uni-Institute so vor sich hin. Klar, man ist organisiert, AG Neolithikum, AG Eisenzeit usw., man kennt sich natürlich auch untereinander, aber es fehlt die effektive Vernetzung gegen solche Unbillen wie Kürzung des Kulturhaushaltes, Schließung von Uni-Instituten usw., viel lieber ballern sich die Pappnasen noch gegenseitig ab, etwa Landesämter gegen Uni-Institute. Menschliche Befindlichkeiten spielen auch hier wieder eine große Rolle, aber abgesehen davon - wenn wir nicht fähig sind, eine geschlossene Front zu bilden, sind wir wohl auch nicht fähig, gemeinsam über die Grundlagen des Faches zu diskutieren. "Wenn ich mir die mitunter verquasten Beiträge angesehen habe, hatte ich manchmal schon den Eindruck: Das ist doch Sabotage – hier gießt jemand absichtlich Wasser in den Wein." - das ist Theoriediskussion live, das Spektrum wie das Niveau ist ungemein breit gefächert, vielleicht schauen Sie sich zum Vergleich mal die Vortragstitel der demnächst tagenden englischen Theoretiker an: http://www.shef.ac.uk/archaeology/tag2005/ "die anthropobiologische Triebfeder des Handelns, der alle Kulturen bestimmt hat!" DIE Triebfeder? Damit sprechen Sie den Menschen schon wieder einen Teil ihrer Vielfalt ab. Ein Blick in die Geschichte zeigt, daß alles mögliche, angefangen von Neugier, über Modegeilheit bis hin zu Krieg und Not, Grund für die Übernahme von fremden oder Entwicklung neuer Kulturerscheinungen war. Außerdem spielen innere (zB Generationenkonflikt) wie äußere (Expansionsfreudige Nachbarn…) Faktoren eine Rolle. "Die Archäologie hat (wörtlich genommen) also eine Grundlage, die ausschließt, das es in der Vorzeit bereits einen Dualismus von profaner (Häuptling) und metaphysischer (Schamane) Macht gab" Nein, ebensowenig wie Sie eine Grundlage hat, die Götter oder grüne Männchen als Kulturbringer ausschließt. Es fehlen ganz einfach die Hinweise, oder, wenn Sie schon auf die Methodik pochen, die Interpretationsmuster, aus denen sich diese Polarisierung ableiten ließe. Jedenfalls sind mir keine bekannt, aber an dieser Stelle darf ich wieder einflechten, daß ich immer noch auf Ihre Sicht der Dinge warte, bisher halten Sie sich ganz schön hinter Ihrer analytisch bis destruktiven Schildwehr versteckt. Vielleicht noch ein Wort zu den Kreisgräben (Stammtisch-Ambiente bitte nicht vergessen): Ich halte die Neolithisierung keineswegs für einen irgendwie revolutionären Vorgang, bloß weil sich die Entwicklung beschleunigt - von ehedem Jahrzehntausenden auf nunmehr Jahrtausende. Die hernach schnelle Ausbreitung des N. in Europa klappt mE. gut durch eine Mischung dieses Modells mit generationsweisem Vorschub (Autor vergessen…) bei gleichzeitiger Durchmischung mit den paar mesolithischen “Einheimischen”. Die resultierende Kultur enthielt zwar technische Neuerungen, im Ganzen aber war sie eine Mischung aus mesolithischen und bäuerlichen Elementen - Religion, Gesellschaftsstruktur, Kommunikationsstruktur etc. waren nicht von heute auf morgen die der voll angepassten Ackerbauern und Viehzüchter. Es mag also durchaus sein, daß die soziale Sphäre der Linienbandkeramiker, sowohl innerhalb als auch zwischen den Siedlungsgemeinschaften (Familien) entwicklungstechnisch hinter der Technologie “herhinkte”. Nun mag ich annehmen, daß die mesolithischen Gruppen untereinander locker v.a. durch Verwandschaftsbeziehungen verbunden waren und, wenn überhaupt über Territorialansprüche, dann auf der Basis von saisonalen Revieren mit wohl kaum festgelegten Grenzen verfügten. Vielleicht trafen sich mehrere Clans jährlich einmal um ein Fest zu begehen und die Kinder zu verheiraten, ansonsten aber kam man sich kaum in die Quere. Das mag auch noch zZ der LBKler gut gegangen sein. Jagdlager wurden weiter genutzt, und wem seine Scholle nicht zusagte, der zog nächstes Frühjahr eben ins Nachbartal - so ortskonstant wie wir uns das gerne vorstellen, waren die Brüder garantiert nicht. Nun, die Landwirtschaft florierte, die Anzahl der Menschen nahm in ungewohntem Ausmaß zu, und irgendwann wurde es eng, man konnte sich nicht mehr so frei bewegen wie ehedem, der Streß mit den Nachbarn über Gebietsansprüche, entlaufene Schweine usw. nahm zu, “mein” und “dein” wurden häufiger gebrauchte Begriffe, Familienoberhäupter als einzige Verhandlungsinstanz reichten nicht mehr aus. Vielleicht entwickelten ja die o.g. jährlichen Feste, bei denen u.a. Feuerstein getauscht und Schwiegertöchter erhandelt wurden noch einen vermittelnden Aspekt, auf der die Streitereien vorgebracht und in der Art einer konsensdemokratischen Rechtssprechung verhandelt und geklärt wurden. Nun, Menschen mögen Symbole, die Konsensdemokratie hat als Bindemittel zwischen den Gemeinschaften nicht gereicht, und deswegen hat man sich neben dem “privaten” Land, wo die Zäune bald nicht hoch genug sein konnten, aus traditionellen Gründen noch einen Gemeinschaftsplatz erkoren, der im Prinzip allen gehörte. Dort fanden dann die Parties statt, wurde verhandelt, getauscht und, Glaube verpflichtet und schweisst zusammen, auch noch dieser oder jener Ritus ausgeübt. Im Zuge dessen hat man dann ein bißchen an den Teilen herumgeschaufelt und -gebastelt, die wir schließlich heute als Kreisgrabenanlagen bezeichnen. Die Palisadenöffnungen waren wiederum als Datumsfinder wichtig, denn ohne die Sterne wüßte ja keiner, wann die Party genau steigt. So, viele Grüße.

Nur zu Neolithisierung (und Religion) Es ist beinahe tragisch, wenn ein hoffnungsvoller Nachwuchsaspirant der Archäologie schreibt (und ich frage mich schon welche Literatur G. Childe hier die Beine weg haut): Ich halte die Neolithisierung keineswegs für einen irgendwie revolutionären Vorgang, bloß weil sich die Entwicklung beschleunigt - von ehedem Jahrzehntausenden auf nunmehr Jahrtausende. Tragisch, wie gesagt, denn alles an techn. (auf den man besonders eingehen muss, da er beinahe ausschließlich ackerbauspezifisch ist) und sonstigem Fortschritt verdankt die Menschheit ganz allein der Neolithisierung. Die Jäger hätten, (wunderbar zu beobachten in den Gegenden in denen der Ackerbau nie Fuß fassen konnte) noch heute jene Kultur, die sie seit dem Auftreten des Homo sapiens bis zu der von der globalen Klimaentwicklung aufgezwungenen Neolithischen Revolution hatten – noch heute - und wahrscheinlich auch noch morgen, wenn man sie nicht vorher ausrottet. Und: Die resultierende Kultur enthielt zwar technische Neuerungen, im Ganzen aber war sie eine Mischung aus mesolithischen und bäuerlichen Elementen - Religion, Gesellschaftsstruktur, Kommunikationsstruktur etc. waren nicht von heute auf morgen die der voll angepassten Ackerbauern und Viehzüchter. Jetzt sind wir doch bei der von Ihnen selbst – bzw. der dt. Archäologie – selbst gestrickten, (zunächst einmal) Religionsdeutung. Was sie hier ausführen geht nicht. Dies ist nicht etwa nur meine unmaßgebliche Meinung sondern die aller Religionswissenschaften und sogar der Religionskritik. Sie sollten wenigstens die Religionskritik im Wikipedia lesen, da gibt es sieben maßgebliche Herren, u. a. einen Herrn Marx, den verwirrte Geister der dt. Archäologie wahrscheinlich für den Erfinder des Kommunismus halten, in Wahrheit gilt er aber als einer der großen dt. Philosophen. Er weist in seiner Religionskritik nach, dass das neue System Ackerbau zwingend eine neue Religion braucht. Unter anderem weil Religion (nachzulesen bei Mose), damals – übernommen vom Schamanismus - zugleich Gesetzgebung und (Medizin bzw. Diakonie) bedeutete. Erst die frühen Griechen (Thales von Milet) nahmen der Religion die Funktion des (sozialen) Vordenkens und die Medizin (Hippokrates) weg. Die angeblichen Wunderheilungen des Jesus von Nazareth zeigen aber, das der Versuch noch nicht ganz durchschlagend war – und wir befinden uns bereits in der Eisenzeit, wo ich gar nicht hin wollte. Bevor Ackerbau u. Viehhaltung und die Viehzucht (Nomadismus) die Levante verließen (sie waren damals – 8.500 v. Chr. - bereits eine 2.500 Jahre ausgeübte Praxis) waren ihre jeweiligen Religionen, Gesellschaftsstrukturen, Kommunikationsstrukturen etc. voll angepasst auf den Ackerbau und die Viehzucht. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Oder glauben Sie man hätte die neuen Probleme (u. a. Besitz- und Erbrecht) 2.000 Jahre lang schludern lassen. Die einschlägige Theorie über Religionen besagt auf diesen Fall bezogen, dass in eine bereits existierende „(gesamt)-gesellschaftliche Praxis“ hinein (also alle Regelungsnotwendigkeiten waren bekannt) ein „Religionsstifter“ seine, an diese Probleme angepasste (anders geht es ja auch nicht) Lehre, als ein von Gott empfangenes Gesetz verkündete (Mose, Mohammed etc.). Bei Jägern, war sie jagdspezifisch, bei Viehzüchtern, viehzuchtspezifisch und bei Bauern, ackerbauspezifisch. Selbst auf das Christentum lässt sich dies noch ausweiten als Religion einer (mittlerweile in den regelungsbedürftigen Zustand gekommene) erstmals durchmischte Gesellschaft (urban, ländlich, etc.) als gesamtgesellschaftliche, für Bauern, Städter, Händler, Handwerker und andere Gruppen passende Religion. Ihre im Weiteren aufgeführten neolithischen Problemstellungen (Heirat, Gebiet mein und dein) waren also fest verankerte Praxis. Aber bäuerliches Leben war (wie heute noch) den Unbillen der Natur ausgesetzt und daher sporadisch nicht gerade einfach. In diesen Zeiten wurde (in einer „unwissenden“ Gesellschaft) eine metaphysische Macht wichtig, die im Übrigen (Marx: Religion ist immer auf der Seite der Herrschenden) die weltliche Macht stützte. Viele Grüße von JEW

Hallo JEW! Sie verstehen Neolithisierung also als revolutionären Urknall, der innerhalb von wenigen Generationen (wievielen?) die betroffenen Populationen auf allen kulturellen Gebieten vollkommen umkrempelt? In welcher Reihenfolge treten die Innovationen denn auf? Und wo sind die Grenzen zu den Jägern und Sammlern, auf der anderen Seite: wann ist die Neolithisierung abgeschlossen? Was machen Sie denn mit denn mit solchen jägerisch/sammlerischen Gruppen wie den Pygmäen, die nebenbei noch ein bißchen extensive Landwirtschaft betreiben? Und wie kann so etwas wie Göbekli Tepe, eine gerichtete, geplante und über jahrtausende entwickelte Gemeinschaftsarbeit außerhalb Ihrer hehren Bauernwelt, die die “Religionswissenschaft” und die “Religionskritik” doch so fest zu fassen glaubten, passiert sein? Marx ist mir durchaus bekannt, aber Marx war kein Historiker, kein Ethnologe und schon gar kein Archäologe, er und sein Kumpel Engels, der aus der Ethnologie auch nur plagiierte, haben sich redlich um eine plausible Ableitung ihrer Philosophie aus einem selbstgestrickten Geschichtsbild mit festgelegter Stufenfolge - natürlich vom niederen zum höheren, ihrem Idealbild, bemüht. Deswegen ist Marxens Religionskritik auch darauf ausgerichtet, letztlich das anzugreifen, was ihm in seiner Zeit stank und was Sie hier unpassender Weise, weil wie zu jung am laufenden Band anführen - den mosaischen Monotheismus. Die angeblichen Entwicklungsstufen sind das, was die Herren Genossen selbst bekämpfen wollten - eine Ideologie, mit der sich die gegebenen Umstände im Hier und Jetzt nicht nur beschreiben sondern auch manipulieren lassen; womit wir beim Neomarxismus wären, der wiederum etwas für sich hat, auch in der archäologischen Interpretation, hier jedoch nicht vor dem Sichtbarwerden von "Klassen"unterschieden im Fundgut. Die technologische Innovation mag im Fundbild des mitteleuropäischen Frühestneolitikums durchaus überwiegen, aber wenn man Herrn Kind glauben schenken mag, dann ähnelt die Silexindustrie der dortigen frühen Bauern nicht nur in den Formen sondern auch deren regionaler Verbreitung genau derjenigen der dort vorher nachweisbaren Mesolithiker; letztere sind also offensichtlich nicht überrannt oder verdrängt, sondern integriert worden. Zudem ist der Jagdanteil der frühen Brüder noch sehr hoch. Ich frage mich, was bei solcherart offensichtlichen technologischen Fusionen gegen einen Synkretismus auch in Sachen Gesellschaft und - ja! - Religion sprechen soll. Die vollständige Ausbildung von bauerntypischen(?) Merkmalen kann durchaus erst im Laufe der folgenden Generationen passiert sein. Im übrigen - und jetzt hauen Sie mir nicht wieder den Aktualismus um die Ohren - ist das Zusammentreffen einer neolithischen mit einer jägerisch/sammlerischen Gesellschaft nie von Ethnologen beobachtet worden, solche Abstrakta wie “Bauern haben IMMER eine Bauernreligion” sind also keineswegs über jede Kritik erhaben. Vielleicht kann ja gerade hier die Archäologie endlich mal innovativ anstatt, wie sonst üblich, nur als Konsument bereits bestehender Modelle wirken (so viel vom “hoffnungsvollen Nachwuchsaspiranten”… schade nur, daß ich gerade vor einem anderen Karren hänge). Schönes Wochenende, kra. PS: Glauben Sie und die Religionsforschung tatsächlich an Religionsstifter bei Jägern und Sammlern? Sind solche Leute nicht eher für die “Erfindung” des Monotheismus zuständig und finden überhaupt erst eine Plattform, resp. ihre Jünger, wenn Zentralgewalten in irgendeiner Form vorhanden sind?

Hallo Kra, fangen wir beim PS an. Tatsächlich, die Religionsforschung und ich glauben an den prähistorischen Religionsstifter und das Vorhandensein von entsprechenden Strukturen; also auch an Zentralgewalten (regionaler Art auf Kulturebene), an Mission und an eine klerikale Grundstruktur (schön zu beobachten bei der Verbreitung des Buddhismus). Hier kommt wiederum von mir die Kritik, dass sich kein Archäologe je damit beschäftigt hat wie (feststellbar großflächige) Religion sich verbreitete. Wenn für Sie 2000 Jahre levantinischer Ackerbau (vor der Verbreitung) ein Urknall sind, dann hat es lange geknallt, ja. Der Knall war u. a. eine Bevölkerungsexplosion. Von einer Dichte von 0,1/qkm (Lüning für mitteleuropäische Jäger) auf mind. 2 – 4/qkm. Ich gestehe Ihnen ja ohne weiteres zu neugierig zu sein, aber wozu wollen sie wissen in welcher Reihenfolge die Innovationen auftraten. Welche Grenzen zu welchen Jägern und Sammlern (in der Levante)? Die Nachbarschaft der Bauern im wasserarmen „Ödland“ bestand aus Nomaden. Schon vergessen? Kain (der Bauer) erschlug Abel (den Hirten). Die Jäger waren angesichts des klimatischen Wandels verhungert. Die Übrigen sind, und das führte die Menschheit ja zur Neolithischen Revolution entweder: 1. ausgewandert, 2. Viehzüchter geworden 3. selber Ackerbauern. Diejenigen die um die Levante herum (im Westen das Mittelmeer im Osten weitestgehend die Wüste) geht also nur Norden und Süden lebten, waren im Verhältnis 1:20 bis 1:40 zahlenmäßig unterlegen. Hier war eine Grafik, die sich leider nicht abbilden ließ ich versuche sie auf anderem Wege zuzusenden. Mit den Pygmäen laufen Sie wieder einmal aus dem neolithischen Bild (was übrigens eine archäologische Erbkrankheit zu sein scheint - ich warte nur darauf, dass mal Jemand schreibt und wie erklären sie dann den Anschlag auf die Twintowers). Sie glauben also tatsächlich an den -Entschuldigung - Schwachsinn von Schmidt – der Jäger am Göbekli Tepe wirken sieht. Der Mann ist Orientalist und hat von Vor u. Frühgeschichte offenbar keinerlei Ahnung. Weltweit haben vorgeschichtliche Jäger nicht mit großen Steinen hantiert, dass ließt man schon als Kritik sogar in irgendwelcher Laienkritik in Internet-Foren. Mit der Antwort auf Marx habe ich gerechnet. Aber, mit Verlaub gesagt, 50 Archäologen zusammen genommen erreichen - im analytischen Bereich - nicht die Fähigkeiten eines dt. Philosophen, auch nicht die, des unbeliebten Herrn Marx, der im Übrigen von der jüngeren Religionskritik vollauf getragen wird. Solche Abstrakta wie “Bauern haben IMMER eine Bauernreligion” sind also über jede Kritik erhaben, weil sie von den Fachleuten auf diesem Gebiet stammen. Wenn wir bei der Verbreitung des Ackerbaus (aus Gründen die ich für chauvinistisch evtl. oder sogar faschistoid halte) stets auf überlebende Jäger stoßen, die sogar maßgeblichen Einfluss ausübten, dann ist die archäologische nicht mehr in der Ordnung der realen Welt, übrigens nicht nur in Deutschland. Es war prähistorisch vermutlich noch schlimmer als historisch, das Abschlachten der unterlegenen Ureinwohner, das wir geschichtlich seit Rom, aber besonders deutlich in der neuen Welt und in Australien beobachten konnten. Lediglich die hochkulturellen Ackerbauern Mittelamerikas blieben davon halbwegs verschont. Das heißt nicht, dass die Frauen dieser (z.B.) Jäger nicht überall willkommene Beute waren, wodurch es dann u. a. zu den Mestizen kam. Die Männer dieser, auch für die Neolithiker bereits „unterentwickelten“ Völker, durften sich dagegen nicht mit den Erobererinnen paaren (weltweit). Das bedeutet, es gab keinen Synkretismus, setzen sie Kind ruhig auf die Liste der Unpersonen, da bauerntypische Merkmale nach 5.500 Jahren Ackerbau – zum Zeitpunkt der LBK - voll ausgebildet waren. Lediglich neue Materialien, also Ressourcen die erst die Metalle brachten, erzeugten jetzt noch die weitergehende Innovation. Zum Jagdanteil. Der ist zeit- und gebietsweise im Fundgut hoch. Ich jage auch lieber bevor ich verhungere (manche Bürohengste tun dies - aus anderen Gründen - noch heute). Erhöhte Jagdanteile, übrigens bei der Michelsberger Kultur in Erdwerken festgestellt, also deutlich im kultischen Bereich, könnten darauf hindeuten, dass es sich um (periodischen Mangel) handelt. Grundsätzlich gehe ich aber davon aus, dass der Neolithiker der Jagd gegenüber nicht anders disponiert war wie die heutigen Schießer. Im Übrigen - und jetzt haue ich Ihnen wieder den Aktualismus um die Ohren - ist das mutieren einer jägerisch/sammlerischen Gesellschaft zu einer neolithischen von Ethnologen nie beobachtet worden. Da greife ich kurz hinter mich und auf B. Volkhausen zurück. Europäische Hochschulschriften (Archäologie) „Ethnographische Parallelen und Vergleiche zum Prozess der Neolithisierung“. Volkhausen gelang es in jahrelanger Feldforschung nicht eine Annäherung benachbarter jägerischer Gruppen an die Kultur der Bauern zu belegen. Sie mutmaßt deshalb, das ein solcher Prozess Jahrhunderte dauert. Ich mutmaße das er (ohne Eingriffe) nie funktioniert. Ein recht schönes Wochenende (und) immer an die Depotantwort denken. JEW

Hallo JEW, ich bewundere schon seit geraumer Zeit die Engelsgeduld von Kra anläßlich Deines Diskussionsstils. Es ist wirklich erstaunlich, wie ruhig und souverän er Deine Pamphlete immer wieder sachlich beantwortet. Du glaubst also an prähistorische Religionsstifter und kannst das beim Buddhismus schön beobachten. Dein Fehler ist, daß Du jeweils Zeitfenster öffnest und das angeschaute Bild auf alle Zeiten als generell gültig überträgst. Evolution fand nicht nur anatomisch statt, sondern auch sprachlich und kulturell. Immer ein Schritt nach dem anderen im Sinne von Erweiterung und Veränderung. Mit zunehmenden Wortschatz konnte man auch den Mythos (Religion) weiter ausmalen. Man konnte seine Vorstellung vom Jenseits, den Geistern und sonstige mystische Vorstellungen besser artikulieren. Aus den Sippenältesten, den weisen Frauen und Männern erwuchsen die ersten “Medizinmänner und Frauen”. Dann wurden Riten und Zeremonien festgelegt und je nach Charisma gelang es Diesem oder Jenem eine Art Stellung als Zeremonienmeister einzunehmen. Diese hatten dann schon eine ungeheure Macht, denn der Mythos (Religion) bestimmte das Leben anders als heute. Inschwischen waren aber seit Luci schon ein paar Jährchen vergangen. Sicher ist es dann so, daß Medizinmänner und Zeremonienmeister ihre Macht durch immer neue Erweiterungen der Religion ausbauten und zu einer Art “Religionsstifter” wurden, aber nicht im Sinne Buddhas. Wir haben in späteren Zeiten ja dann auch gesehen, wie “Religion” zu einer Art Geißel werden konnte. Dann konnte es auch schon mal zu einer Art Revolution kommen. Die prähistorischen Religionen dürften sich noch sehr geglichen haben, wie man im indoarischen Raum noch bis in historische Zeit sehen. Bei nahezu identischem Götterhimmel braucht es keiner “weltliche” Macht, den Mythos zu verteidigen. Erst bei Differenzierung, meist durch Staatenbildung, oder Kultpriestertum für einzelne Götter wurde es notwendig eine "Schutzmacht" auszuüben. Priesterkönige, Gottkönige dürften sich dadurch etabliert haben.Das Gleiche geschah beim Aufeinandertreffen zweier Kulturen. Das alles verlief aber unterschiedlich und nicht nach Schema - ef. Deshalb kann es in der ein oder anderen Gegend mal ganz anders abgelaufen sein. Jedenfalls kann man auf Basis Deiner Generalpläne, gültig für die ganze Steinzeit, nicht diskutieren. Das betrifft jetzt nicht nur die Religion, sondern war bei Tausch und Handel ähnlich. Zeitfenster geöffnet, Erkenntnis gewonnen und generelle Regel für 30 tausend Jahre aufgestellt. Auf Deine anderen Punkte will ich jetzt nicht eingehen, denn das wäre ein abendfüllendes Programm, aber wie ich Kra kenne, wird der sich mal wieder opfern. Gruß Kurti

@Kurti - Danke für die moralische Unterstützung :wink: [hr] Hallo JEW! Sie stehen bereits mit einem Fuß auf der jenseitigen Grenze Ihres polemischen Entertainments. Erinnern Sie sich noch daran, mir vorgeworfen zu haben, ich, wie auch alle anderen meiner doch so verstockten Kollegen seien dogmatisch? Dabei predigen Sie mir hier unverhohlen mit zunehmender Tendenz, die Religionswissenschaft/-kritik sei der Schlüssel zur Vorgeschichte. Wenn Sie hier vorbringen, Ihre Argumente wären "… über jede Kritik erhaben, weil sie von den Fachleuten auf diesem Gebiet stammen", dann fressen Sie doch aus genau demselben Trog, den Sie dem archäologischen Fach mit Ihren sog. “etablierten Herrschaften” ankreiden und blenden vollkommen aus, daß sich die Religionswissenschaftler auf geschichtliche Daten stützen, mithin Schriftkulturen oder wenigstens solchen, die von schreibenden Kulturen beobachtet wurden. In diesem Sinne könnte ich in JEWscher Manier Ihren religionswissenschaftlichen Lichtgestalten nun vorwerfen, sich nicht ausreichend mit der Archäologie beschäftigt zu haben, aber wozu, wenn doch klar ist, daß der goldene Weg, wie schon vor einiger Zeit von mir bemerkt, in der Zusammenarbeit beider Fächer liegt. Der Grund, weshalb die Neolithisierung nie von Ethnologen beobachtet worden ist und deswegen nur über das Medium Archäologie greifbar wird, liegt auf der Hand: Es gibt keine expansiven Neolithiker mehr, die irgendeine Chance hätten, jägerische Gemeinschaften umzukrempeln. Alles das, was Sie hier anführen, egal ob Rom, Amerika oder Australien, sind Zusammenstöße von jeweils zwei grundverschiedenen Welten gewesen - da treffen Staaten auf kaum strukturierte Gesellschaften; wenn wir typologisch 1. Jäger/Sammler, 2. Bauern/Viehzüchter, 3. Protostaaten (Stadtstaaten etc.) und 4. Staaten entwicklungsgeschichtlich aufeinander folgen lassen wollen, dann traf dort Stufe 4 auf Stufe 1! Und Sie meinen nun vermittels dieser Beobachtung extrapolieren zu können, daß Jungsteinzeitler ihre quasi konservativen mesolithischen Nachbarn allein aufgrund des “riesigen Kulturgefälles” lediglich abschlachten konnten??? Die Pygmäen wie auch alle anderen extensiv anbauenden Jäger/Sammler als mögliche Keimzellen für “ein Neolithikum” bzw. Zwischenstufen passen nicht in Ihr mit dem Lineal gezeichnetes Bild vom wilden Jäger, der keine Steine stapeln kann und vom kultivierten Bauern, der schnurstracks die Welt nach seinen Vorstellungen ordnet - denn genau diese Attribute schwingen in der von Ihnen vorgebrachten Diskrepanz implizit mit… in diesem Sinne denken Sie das nächste Mal lieber noch einmal nach, bevor Sie mit solchen nunmehr leider tatsächlichen Stammtischparolen á la “chauvinistisch” oder “faschistoid” um sich werfen. Ihren Glauben kann Ihnen keiner nehmen, aber wenn Sie meinen argumentativ auf Fakten verzichten zu können, und stattdessen wie Blücher schwadronieren zu müssen (“Schwachsinn von Schmidt” und “Kind … auf die Liste der Unpersonen”), dann fehlt mir die Lust mich hier weiter mit Ihnen auseinanderzusetzen. Jagd hin oder her, Kind (Germania 1998) bringt den Fakt, daß sich die großräumige Regionalisierung der spätmesol. Silexindustrie auch noch bei den ältest-LBKlern hält - das erklären Sie mir mal in Ihrer Genozid-Neolithisierung. Weiterhin zeigen die bevölkerungsgenetischen Studien schon seit Cavalli-Sforza, daß sich alteuropäische jungpal. Anteile bis in den heutigen europäischen Genpool gehalten haben, und zwar nicht zu knapp ("…the Neolithic contribution to the extant mtDNA pool is probably on the order of 10%–20% overall.", Richards et al., Am J Hum Gen 67, S. 1271). mit dialektischen Grüßen, kra