Faustkeile - Riesen oder andere Funktion?

Hallo!

Stimmt natürlich. Als Geologiestudenten haben wir gern Zielwerfen auf morsche Baumstümpfe mit unseren Hämmern veranstaltet, obwohl diese dafür eigentlich nicht gedacht waren. Aber es ist halt zu schön, wenn die Spitze steckenbleibt. :wink:

Inzwischen habe ich mir mal ein Teil aus Holz geschnitzt, das den großen Exemplaren aus Kent ähnelt (Länge 27 cm):

Zunächst muss ich sagen, dass es wirklich gut in der Hand liegt — sowohl in der Funktion als Messer/Schaber als auch zum Werfen am spitzen Ende gegriffen [wobei hier bei einer wirklich scharfen Schneide wohl ein lederner Handschutz angebracht wäre, zumindest für ungeübte Werfer].

Bei ersten Wurfversuchen ist es mir immerhin einmal gelungen, auf 10 Meter mit der Spitze (“dem Ort”) voran einen 14 x 19 cm großen Pappkarton zu treffen und zu penetrieren. — Und ich bin wirklich ein lausiger Werfer! Wäre der Faustkeil aus Stein und der Karton ein Hase, dann wäre der Sonntagsbraten gesichert gewesen…

Waren es vielleicht Multifunktionswerkzeuge/-Waffen? Wir kennen ja heute auch Wurfbeile und Wurfmesser.

Wenn die Datierung 300.000 Jahre korrekt ist, dann sollten das in Kent eigentlich auch Heidelberger gewesen sein. Seltsam, dass im Artikel von Neandertalern gesprochen wird.

Gruß, Timo

Also schon mal von der Form her tauglich. Fragt sich jetzt nur noch, ob das Gewicht und die Oberfläche auch tauglich sind.

Vom Hasen wäre allerdings nicht mehr viel übrig wenn so ein Oschi einschlägt. :sweat_smile:

Gruß Shard

Mehr Gewicht hätte ich mir jedenfalls gewünscht beim Werfen. Es ärgert mich jetzt, dass ich vor dem Verleimen der beiden Hälften keinen Hohlraum für einen Bleikern vorgesehen hatte.

Du kennst das Hasenragout meiner Oma nicht. :sunglasses:

Gruß, Timo

@ Geognost

Hallo Timo,

genau diese Frage wird offenbleiben bis man wenigstens einen Indizienbeweis hat. Bisher sind es zwar großer “Faustkeile” (?), die mit anderen zusammen gefunden wurden. So habe ich das jedenfalls verstanden.
In Afrika gab es ja andere Formen die ebenfalls mit einer Vielzahl anderer gefunden wurden. Von Suchern wurden ebenfalls große Stücke gefunden, aber über die genauen Fundumstände ist da auch nichts berichtet. Jedenfalls als Prestigeobjekt schließe ich solche Dinger nach wie vor aus. Es wurde auch noch nie so ein Trumm in einem Grab gefunden. Bei meiner Recherche bin ich auf frühe Bestattungen in Afrika, so um ca. 400.000 v.u.Zt. gestoßen. Der Neandertaler bestattete ebenfalls schon seine Toten.
Was mich wundert ist, dass die größeren Stücke aus Afrika kein Aufsehen erregt haben. In Kent wird gleich von einem “Rätsel” gesprochen. Dabei sind die Dinger gerade mal 10 cm länger als die Stücke die noch als “normal” eingestuft werden.
Psst, ganz unter uns, Archäologen brauchen manchmal “ihren” Sensationsfund ! :innocent:

Gruß
Kurti

… oder: was tut man nicht alles, um in die Zeitung zu kommen :stuck_out_tongue_winking_eye:

Na ja, aufbohren, eingießen und mit Holzstopfen verschließen geht ja immer noch. Holz ist ja zum Glück leicht bearbeitbar.

Gruß Shard

Hallo,

gibt es eigentlich Erkenntnisse ob Diskusse (ist das die Mehrzahl?) auch als Waffen eingesetzt worden sind? Als Sportgeräte sind sie ja offensichtlich schon bei den “alten” Griechen eingesetzt worden.
Oder ist Speer dann doch die bevorzugte Wahl?
Hatten die Steine der Steinschleudern eine besondere Form?

Gruß,
Hugin

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Servus Hugin,

laut Wikipedia ist Diskusse richtig. Aber auch Disken wäre richtig.

Auch aus Wikipedia:
" Es gab einen Diskus mit einem geschliffenen Rand, der als Waffe eingesetzt wurde."

Gruß Shard

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Hallo Shard, zum thema gegenstände ohne ersichtlichen Nutzen fallen mir die Kula Ringe ein, in denen rituelle Gegenstände getauscht werden (mussten). Handel und Partnersuche und Mutprobe fand dabei auch statt.
Gibt es Erkenntnisse zur Herkunft des Materials? Das Verhältnis von Schneidenlänge und Gewicht ist ja eher ungünstig und mit einem Abschlag, einer Klinge, kann man auch grosse Tiere leicht in kleine Stücke schneiden.
Viel Spaß
Uwe

Hallo Uwe,

Meine Rede, deswegen tendiere ich auch zu einer rituellen Nutzung oder Nutzung als Statussymbol. Vor allem sind kleinere Abschläge wesentlich handlicher. Aber auch du von Schilli-San beschriebene Nutzung als Falle fände ich denkbar.

Andererseits benutzt man in der modernen Schlachtung ja auch große Beile zum groben Zerlegen, obwohl man dies auch alles mit kleinen Messern tun könnte…

Zu den Materialien wird leider nichts geschrieben…

Gruß Shard

@Shard

Ist ein alter Archäologenspruch:
Kennst du dich nicht mehr aus, mach einen Kultgegenstand daraus ! :sweat_smile:

Gruß
Kurti

Hallo @schilli-san,

Dazu habe ich einmal herumgefragt und wurde auf folgende Hypothese von 2010 aufmerksam gemacht, die genau diese Nutzung annimmt:

Joseph L. Wayman (2010) Foot Cutters: A New Hypothesis for the Function of Acheulian Bifaces and Related Lithics, Lithic Technology, 35:2, 171-194, DOI: 10.1080/01977261.2010.11721089

Wird aber offenbar in der Fachwelt nicht ernst genommen.

Gruß, Timo

@Geognost

Hallo Timo,

danke für den Link. Es gab in späterer Zeit in Afrika und Arabien Treibfallen mit Fallgruben oder Pferchen am Ende. Ob da allerdings spitze Steine eingearbeitet waren entzieht sich meiner Kenntnis.

Treibtrichter zum eintreiben von Wild in Fallen, sogen.Drachen

Hier mal die weitere Untersuchung des “Riesen-Faustkeils” von Kent.

Eine 3D-Ansicht erhält man, wenn man auf den Pfeil klickt und die Ladezeit abwartet. Danach kann mon mit dem Kurso alle Perspektiven herstellen.
Komisch ist, dass mit keinem Wort auf größere und anders geformte Funde in anderen Gegenden der Welt hingewiesen wird. :thinking:

Groß
Kurti

Hallo Heinz,

Sehr cool! Danke für den Link.

Gruß, Timo

Ich finde dieses Thema wirklich mega spannend!

Was mir jetzt doch noch so in den Sinn kommt:

  1. Stimmt unsere Ursprüngliche Quelle zum Thema riesen Faustkeile (sind sie wirklich 30 cm lang/ Wo wurden Exemplare derselben genau gefunden (im Neandertal oder in Kent?))
  2. Wie viel würde ein so großer Faustkeil überhaupt wiegen?
  3. Ist sowas handlich?

Und um @Hugin 's Liste wieder zu geben und eventuell zu ergänzen, Vorstellbare Verwendungen für so große Faustkeile wären:

  • Grabbeigaben (Statussymbole Teil I)
  • “Flirten” mit Mädels (Statussymbole Teil II, s.O.)
  • Fallen für große Tiere
  • zum zertrümmern von Mammutknochen (um an das Mark zu kommen obwohl auch ein unbearbeiteteter Stein gut Dienst tun würde)
  • Demonstrieren der Fähigkeiten beim Steine Zurichten.

LG Lara

Hallo,

mir gefällt ja die Theorie mit dem Faustkeil als Wurfgeschoss.
Faustkeile sind ja über einen sehr langen Zeitraum hergestellt worden. Ihre Herstellung verlangte mehr Geschick, Aufwand und stellt höhere Anforderungen an das Material als es bei Spezialgeräten wie Klingen, Schaber oder Spitzen erforderlich ist. Deshalb hält man sie wohl für Universalwerkzeuge, was ja nicht von der Hand zu weisen ist.
Nun gibt es aber große Inventare im Paläolithikum, die faustkeilfrei sind, wie Bilzingsleben und Wallendorf.
Von Wallendorf (Alter um die 400000 Jahre) ist mir aber bekannt, dass kernartig mit scharfen unregelmäßigen Kanten zugerichtete Feuersteine als Wurf- oder gar Schleudersteine zu interpretieren sein könnten.
Dass man im Paläolithikum Steine zur Jagd genutzt hat, liegt ja wohl auf der Hand, auch wenn es dafür noch keine Belege gibt. Warum sollte man diese nicht aufwendig zugerichtet haben, um die Treffsicherheit und verletzende Wirkung zu erhöhen?
Das würde übrigens auch winzige Faustkeile erklären, die es ja auch gibt. Da wundert sich wohl keiner und fragt sich, wozu diese gedient haben.
Das sind jetzt aber nur mal meine Gedanken zu dem Thema, bin ich doch keiner von den wenigen Experten fürs Paläolitikum.

Viele Grüße

Hallo Lara,

Mein 27 cm langes Holzmodell aus Fichte wiegt ca. 150 Gramm. Das entspricht ca. 850 Gramm, wäre es aus Quarzit oder Feuerstein gefertigt. Da der große Faustkeil aus Kent etwas länger und auch etwas gröber gefertigt ist, könnte man also mit etwa 1 Kilogramm Gewicht rechnen. (Der weiter oben erwähnte zum Werfen geeignete Geologenhammer von Estwing wiegt 970 Gramm.)

Also ich finde es nicht unhandlich, weder zum Arbeiten wie zum Werfen.

Dazu gibt es einen schönen Beitrag des Archäologen und Anthropologen Stefan Milo (auf Englisch):

Gruß, Timo

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@ LaraCroft

Hallo Lara,
diese Fragen sind alle beantwortet ! :sunglasses:

Davon kann man “keine” einzige Frage beantworten, außer der, dass “Fauskeile” (?) in ihren viefachen Variationen an Schlachtplätzen mit Knochen oder an und in tiefgefrorenen Mammuts gefunden wurden. Ein Nachweis wann und wofür ein großer oder kleinerer Faustkeil bleibt aber schon offen.
Spitze Steine in Fallgruben werden zwar genannt, aber keiner hat hier ein Foto davon gesehen, ob es sich um “Faustkeile” oder nur einen spitzen Stein handelt.
Ergo, im Moment können wir hier nur Kaffeesatzleserei betreiben…
Das sollte aber Timo nicht davon abhalten seine “Wurfgeschoßversuche” weiter zu verfolgen.
Was Kent angeht, sehe ich auf den Fotos erst mal nur “gleichgestaltete” kleine, mittlere und große Faustkeile. Das gilt auch für die afrikanischen Stücke. Sie sind zwar von anderer Gestalt, aber auch dort von klein bis groß vorhanden. Auffällig bei den geschilderten Funden ist, dass alle am Rand eines Wassers gemacht wurden, aber kein einziger Tierknochen, der auf eine Schlachtung hindeutet. Dagen gibt es eindeutige “Schlachtplätze” mit vielen Knochen und nur wenigen “vergessenen” (?) Schlachtwerkzeugen. Vielleicht wollte man nochmal zurückkommen, um den Rest des Fleisches zu bergen, aber da hatten sich Tierschützer festgeklebt und hielten Schilder hoch: " Das Mammut ist vom Aussterben bedroht" !!!
Warum lließ man in Kent usw. all diese mühsam gefertigten Werkzeuge liegen ?
Was soll`s !? Ich koch noch ein paar Kannen Kaffee, damit genügend Kaffeesatz vorhanden ist ! :sweat_smile:

Gruß
Kurti

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Hallo Sven,

Meine Quelle dazu ist übrigens der Neurophysiologe William H. Calvin, der meines Wissens diese Theorie erstmals Mitte der 1980er Jahren formulierte.

Gruß, Timo

@Geognost

Hallo Timo,

die Überlegungen von H. Calvin finde ich überzeugend. Die These würde auch meine aufgeworfenen Fragen beantworten. Auch die Fundstellen am Uferrand, wie das Liegenlassen im Wasser oder Matsch wäre dann logisch… Auch das in Afrika festgestellte Verschwinden und Wiedererstehen kann man so dann mit vermuteten Klimawechseln in Verbindung bringen…
Wie würdest Du denn so ein Stück wie in Kent werfen ? Ich meine, wo packst due es an, wie schleuderst du es ?

Gruß
Kurti