Sorry, ich hatte nicht eher Zeit.
@kurti vorweg: Das ( osirisnet.net ) ist eine großartige Webseite, die du da entdeckt hast! Und umso bemerkenswerter, als das ein privates Projekt ist. Von der Fülle von Vergleichsmaterial her genau so verdienstvoll wie die ebenfalls private Seite antike-tischkultur.de .
Hach… wo soll ich jetzt anfangen? Zumal ich nun (nach neuester Information) gegen 70 Jahre Vertrautheit mit dem „Alten Ägypten“ antreten muss.
Ich versuche es mit meinen Bordmitteln mal so:
Bilder kommunizieren ebenso wie Sprache. Sprachkompetenz und Bildkompetenz (letzteres ein relativ neuer Begriff) sind komplexe Fertigkeiten. Ein Beispiel für Sprachkompetenz ist z. B. das Verstehen von Ironie oder Übertreibung (was in bestimmten Kommunikationssituationen nicht immer leicht ist). Und wie bei Sprache und dem Sprachverstehen spielen beim Verstehen von Bildern viele Dinge eine Rolle: Kontext, „Formelhaftigkeit“, Symbole, aktuelle Gedankenwelten, Subtexte (zusätzliche Bedeutungsebenen) etc.
Mal im Ernst: Können wir die Bedeutung der Bilderwelten der Steinzeit wirklich verstehen? Und sind all unsere Informationen (Bilderkanon und Texte/Papyri) tatsächlich hinreichend, um zu einer zutreffenden Interpretation aller Feinheiten der ägyptischen Bildsprache (und dazu noch der einer bestimmten Zeitperiode!) zu gelangen? Und bitte ganz ehrlich: Wer von euch hat auf Anhieb meine Spoilerbilder, die immerhin in unserer Kultur fußen, sofort decodiert?
Altägyptische Bilder waren eher keine „Kunst“ in unserem Sinne. Sie erfüllten eine (Kommunikations-)Funktion und folgten einem relativ rigiden Kanon in relativ elaborierter (Bild-)Sprache. Die wesentlichen (weil oft auftauchenden) Elemente kennen wir.
Aber: Die Lebens- und Gedankenwelt der alten Ägypter ist uns fremd. Wir haben nicht seit der Muttermilch gelernt, wie sie zu sehen und wie sie Bilder zu „lesen“. Das heißt, wir interpretieren! Immer! Wir versuchen zu decodieren, was die Ägypter in Bildern codiert haben. Betrachten wir Sehbilder (Darstellungen von etwas real Gesehenem) oder symbolische Sinnbilder? Die Schwierigkeit besteht darin, dass wir die Bildsprache mit ihren konkreten Bedeutungen und Funktionen nicht wirklich vollständig und belegbar rekonstruieren können.
Es steht außer Frage, dass ägyptische Götter „offiziell“in Tierform mit bestimmten „Emblemen“ (später in einer vermenschlichten Form mit Tierkopf) auftreten. Aber haben die alten Ägypter (inklusive Angehörige der Königshäuser) das Wirken und/oder die Präsenz ihrer Götter vielleicht auch in der Natur erkannt – und am für „private Erfahrungen“ zuständigem Ort (Kultkammer) darstellen lassen? Die rituelle Jagd auf Nilpferde (das Chaos (=Seth?) wird bezwungen) mag ein Hinweis darauf sein, dass das zutrifft. Was mich in Erklärungsnot hinsichtlich Taweret bringt. Obwohl: Taweret ist eindeutig weiblicher Natur. Lässt sich diese „Doppelbesetzung“ mit Geschlechtszugehörigkeit erklären? Mit Bedeutungswandel? Ich habe keine Ahnung.
Worauf ich hinaus will, betreffend meine Irritation bezüglich der Nilpferd-Krokodil-Szene und des Gesamtbildes mit Nesträuber (von letzteren weiß ich nun, dass auch sie zum Kanon gehören ):
Welche Funktion und zusätzliche Bedeutung könnten solche (für uns) brutal-realistischen Szenen im Alten Reich haben?
- Für das Leben und den Lebensunterhalt der Ägypter hatten solche reinen Naturbeobachtungen (hier: Nahrungsketten) keine Bedeutung. Und damit wohl auch nicht für ihr Leben nach dem Tod. Also was machen sie dort?
- Ein memento mori kann es nicht sein, denn es geht ja um Unsterblichkeit.
- Also vielleicht so: Das Leben mündet von Anfang an in den Tod, und der führt zur Unsterblichkeit? Früh gestorben heißt früh Eingang in paradiesische Ewigkeit?
Mich befriedigt eine durchgängige Interpretation aller Szenen als als Abbildung (Sehbild) des Lebens am Nil nicht. Allerdings habe ich aber auch keinen Beweis für zweite Bedeutungsebenen einzelner Szenen (Sinnbild). Ich wage nur an unseren „Verständnis“, an unserer Bildkompetenz bezüglich solcher Darstellungen zu zweifeln.
Übrigens bin ich nicht die einzige, die die Nilpferd-Krokodil-Szene (neben den Machern von MASTABASE) als zeigenswert (weil besonders?) ansieht. Bei Twitter mit einem lakonischen Kommentar versehen, der sich als Sichtweise wohl aus der Position der Kommentierenden als Kuratorin eines zoologischen Museums erklärt.
LG Barbara
P.S.: Noch zwei Darstellungen der Taweret – mit „aufsässigem“ Krokodil.
P.P.S: @kurti Ich habe eine Katze ohne Insignien verlinkt? Das kann sich eigentlich nur um die Geschichte von der „großen Katze und der Schlange“ handeln (Schlange = Apophis), die in einem von mir verlinkten Artikel auftaucht, aber nicht von mir als Beispiel gemeint war.