@kurti
Wir steigen inzwischen ganz tief in die Ikonografie der Darstellungen in frühdynastischen Grabanlagen ein. Das ist für mich im Wesentlichen ein Recherche- und damit ein Zeitproblem.
Ausgangspunkt für mich war diese einzelne, verstörende Szene, die mich hat nachdenken lassen – noch ohne Kenntnis der Zusammenhänge.
Eine ausführliche Beschreibung (französisch!) und Dokumentation der Grabanlage habe ich inzwischen gefunden (PDF-Download ist möglich). Ab 10 im PDF geht es um die Wand mit der Nilferd-Krokodil-Szene:
Macramallah, R - Le Mastaba d'Idout (1935) : Macramallah, Rizkallah : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive)
Bei meiner Deutung der (Ausgangs-)Szene bin von zwei Bedeutungsebenen, von einem „Sowohl-als-auch“ ausgegangen. Illustriert habe ich diesen Gedanken durch meine beiden Spoilerbilder, die vordergründig eine Szene aus dem Leben zeigen, aber auch religiöse Bedeutung haben.
Die vorgebrachten Gegenargumente:
- Die Darstellung unterscheidet sich nicht von anderen „realistischen“ Tierdarstellungen. Auf den Aspekt naturnaher Darstellungen hat auch @Ardea hingewiesen.
- Das Fehlen durch Hervorhebungen durch Größe oder beigefügte Insignien.
Aber: Könnte vielleicht auch die Postion (direkt unter der Barke der Idut) Bedeutung signalisieren?
- “Der wichtigste Punkt ist aber, dass die Kultkammer und die Abbildungen nur den Wiedergeborenen betrafen, denn das war jetzt seine Welt.”
Ja, aber in diesem Zusammenhang gibt es durchaus Beispiele, dass neben einem traditionellen Bilder-Kanon, dessen Szenerien in Wanddekorationen von Kultkammern immer wieder auftauchen, auch individuelle Motive auftauchen. Und hier gibt es bei Idut, neben der Nilpferd-Krokodil-Szene, ähnlich Besonderes zu sehen:
Links von Idut, abgetrennt von den Bildzeilen mit „Standard“-Themen, gibt es Darstellungen von Vögeln. Brütende Vögel, Küken – und ein Nesträuber mit Beute im Maul! Diese „Extra-Position“ von beiden Darstellungen von gefährdeten Neugeborenen finde ich schon bemerkenswert. Insofern habe ich recherchiert.
Bei meinen Recherchen bin ich auf viele Artikel gestoßen, die sich mit speziellen Meta-Inhalten ägyptischer Bilderwelten in Gräbern befassen. Aber speziell für die Beispiele aus der Mastaba der Idut (zu früh beendetes Leben) habe ich in mehreren Stunden Suche weder Bildmaterial noch Texte finden können.
Was schließe ich aus allen mir nun vorliegenden Informationen? (Die weitere, sinnvolle Erläuterung von @Shard lasse ich außer Acht, weil auf dem isoliertem Bildausschnitt beruhend.)
Die besondere Postion von Darstellungen zum Thema „Tod kurz nach der Geburt“ deute ich nun eher als private, biographische Inhalte. Denn nach wie vor scheinen mir diese Szenen nicht zum traditionellen Bildkanon zu gehören – und zu speziell (und möglicherweise einzigartig) zu sein.
Leider ist kaum etwas über Idut und ihr Leben belegt. Sie hat, als höchstwahrscheinliche Mutter von Teti I, sicherlich mehrere Kinder gehabt. Vielleicht ist eines ihrer Kinder sehr früh ums Leben gekommen (wurde vielleicht im wahrsten Sinne des Wortes gefressen)?
Und jetzt spinne ich mal ein wenig rum: Vielleicht wurde eins ihrer Kinder ermordet, ist gleich nach der Geburt einer Intrige zum Opfer gefallen? Und diese „verschlüsselten Hinweise“ sind eine Anklage vor dem letzten und höchsten Richter? Das wäre doch ein Sujet für einen historischen Cold-Case-Kriminalroman!
LG Barbara
P.S.: Sorry, wenn ich nicht direkt mit Zitat auf einzelne Beiträge eingehe.
Ausschnitt aus der dem gesamten Relief: