nach längerer Zeit aufgrund Zeitmangels war ich gestern noch schnell bei der Neolithsiedlung (Ldkr. Passau), um zu sehen, ob der Boden vielleicht schon offen ist. Leider war bereits wieder der Winterweizen angesät, also wieder nix, hab mich sehr geärgert. Bin aber ein paar Minuten den Feldrand abgelaufen, obwohl man in dem Braun-Braun eh nichts erkennen konnte. Aber ein Stück ist mir aufgefallen, und nach etwas Reinigung daheim ist es eindeutig ein Scharnierstück einer wohl ursprünglich recht ordentlichen Muschel. Ich habe etwas recherchiert, es wird sich wohl um den Rest einer Süßwassermuschel handeln, Unio oder Anodanta. Bearbeitungsspuren sind keine zu sehen. Da die Donau an dieser Stelle ca. 20 km entfernt liegt und die Siedlung oben auf einem Hügel liegt, wird sie vermutlich dort hingebracht worden sein. Muscheln liegen dort i.d.R. keine natürlicherweise rum. Versteinert ist sie auch nicht, noch eindeutig kalkig, man kann auch sehr schön die dünnen Schichten erkennen.
Ob sie ein neolithischer Mensch verspeist hat? Ob man daraus ein Werkzeug oder Schmuck machen wollten? MA glaube ich jetzt eigentlich nicht, dort oben war keine Siedlung, und Muscheln waren ja im Binnenland jetzt auch keine gängigen Lebensmittel. Aber natürlich kann sie auch trotzdem viel später dorthin gelangt sein. Wie dem auch sei, weiß einer von euch vielleicht mehr über Muscheln im Neolithikum als Nahrung, Werkzeug etc.? Würde mich interessieren. Das erste Bild ist Draufsicht auf das Scharnier.
kann natürlich sein, dass Menschen das Stück dorthin gebracht haben. Für wahrscheinlicher halte ich allerdings, dass dort früher ein Gewässer war und die Muschel dadurch dort zu finden war. Flussläufe ändern sich, Tümpel können austrocknen. Und wenn Menschen früher dort gesiedelt haben, dann sicher weil Wasser in der Nähe war. Vielleicht sind deshalb die Menschen von dort weg - weil das Wasser versiegt ist.
daran hätte ich auch gedacht, wenn das Ganze unten in der Ebene wäre. So naiv bin ich nicht. Aber oben auf einem nicht gerade niedrigen Hügel? Da oben war kein Fluss, oder auch ein Tümpel oder Teich. Unten im “Tal” gibt es Bächchen, da könnten auf jeden Fall Muscheln gewesen sein, aber die haben auch keine Füße bekommen und sind den Berg hoch.
Nicht zwangsläufig. Alles eine Frage der Zeit. So eine Muschel kann ganz schön langlebig sein. Das qualifiziert sie auch für Versteinerung. Nur was nicht zu schnell verrottet kann auch versteinern.
In 10000 Jahren ist das Emsland von einer Prärie zu einem Moor und dann zu einer Kulturlandschaft geworden. Ein Steinzeitmensch würde die heutige Landschaft nicht wiedererkennen.
Das weiß ich alles, Shard. War nur zu verlockend, weil der Kontext halt eindeutig neolithisch ist und es somit nicht abwegig wäre, da eine Muschel zu finden. Ich hatte ja auch gefragt, o mir jemand generell was zum neolithischen Gebrauch von Muscheln sagen kann, unabhängig davon, wo das Ding nun herkommt.
Ich suche jetzt auch konkret den Zusammenhang zwischen dieser Muschel (oder was es auch war) und Zeiten, in denen man bei uns recht einfach ins Wasser springen konnte, also Meer war. Wir hatten hier eine Besonderheit, das Ortenburger Senkungsfeld (Ortenburger Jura, deshalb haben wir ja auch den Ortenburger Kieselnierenkalk) (schon klar, das ist hier kein Geologie-Forum - vielleicht kennt sich ja trotzdem jemand damit etwas aus). In den Kieswerken hier bei uns werden immer wieder versteinerte Tropenhölzer und Fossilien sowieso gefunden, ist jetzt für sich jetzt noch nichts Besonderes. Naja, die Tropenhölzer vielleicht schon ein bisschen.
Ich muss jetzt mal ein bisschen nachlesen, dann komm ich vielleicht selbst drauf. Aber vielleicht kann mir ja jemand schon ein wenig erzählen, ob meine Muschel mit dieser Zeit zusammenhängt oder ob es noch weitere Möglichkeiten gibt.
Ich habe mir jetzt nochmal erarbeitet, wie das genau mit dem Ortenburger Jura war und wie das alles vonstattenging. Ich war ja letztes Jahr auf einer geologischen Exkursion hier bei uns, hatte aber die ganzen Details schon vergessen.
Auf jeden Fall passt der Brachipod sehr gut zu den hier so gut erhaltenen Juraschichten und hatte wohl gar keinen weiten Weg an die Oberfläche. So oder so ist er älter, als man sich überhaupt vorstellen kann, und ich hab ihn nach all der Zeit einfach hier in meiner Hand. Ist doch irre!
So, das war jetzt ziemlich unspannend für euch, aber mich freue mich immer, wenn ich wieder was (erneut) lerne, besonders über unser recht einzigartiges Fenster in den Jura.
Hallo Inez,
gerade im auslaufenden Neolithikum wurden Muscheln häufiger zu Schmuck verarbeitet.
Ein Muschelfund im neolithischen Fundzusammenhang ist immer äußerst interessant und ich würde das in dem Zusammenhang bei der nächsten Fundmeldung an das Blfd in jedem Fall vorlegen und erwähnen. gessner_schmuck.pdf
Mir liegen dazu einige Hinweise vor, auch in römerzeitlichen Fundkontext konnte ich in Bayern bereits Austernschalen auf Ackerböden über röm. Gräberfeldern auflesen.
Solche Platten mit Ammoniten habe ich auch hier, noch vom Papa.
Letztlich hat mich gestern dann noch mehr interessiert, woher der Kleine stammt, deshalb hab ich mir das nochmal genau mit dem Ortenburger Jura und dem Ortenburger Senkungsfeld angesehen, was schon recht spannend und einmalig ist in Europa. Es markiert die Grenze zwischen dem alten tropischen Meeresboden und der aufgeschütteten Alpenvorlandmolasse. Und weil die Schollen hier stabil, aber nicht überfaltet sind, kann man die Übergänge noch direkt lesen und finden. Dieser Bereich zieht sich auch nur von Regensburg/Kehlheim über uns hier bis nach Schärding und ist eben nur an diesen drei Stellen zu beobachten. Und Ortenburg ist dabei einzigartig, weil dort die Alpenvorlandgeschichte in einer selten ungestörten und fossilreichen Abfolge bewahrt ist. Insofern hat der Brachiopod wirklich Relevanz für mich und unsere Geschichte hier, und ich hab wieder viel dazugelernt. Und vielleicht hatte ihn ja wirklich auch mal einer der Siedler in der Hand, wer weiß.