Zwei neue Fundplätze von Angehörigen der Federmesser-Gruppen bei Edewecht im Ammerland?

Abschnitt 1: Vorbericht und allgemeine Angaben zum eigenen Befund

Im vergangenen Dezember eröffnete unser Mitglied Wilde Möhre unter dem Titel Rote Feuersteine, Ackerfunde, neolithische Artefakte? eine Beitragsreihe zu einer größeren Anzahl von Lesefunden, welche sie in den letzten 10 Jahren auf einem Maisacker bei Edewecht im Ammerland gemacht hatte. Wilde Möhre war so freundlich und präsentierte ihre Funde sukzessive anhand von Fotos. Es handelte sich ganz überwiegend um roten Helgoländer Flint, dessen Stücke hier zunächst einmal von uns mehrheitlich als Geofakte identifiziert wurden. Zuletzt hatte ich angeboten, dass man eine gemeinsame Begehung der von ihr beschriebenen Fundstelle vornehmen könnte, woraufhin sich Wilde Möhre dann an mich gewandt und mir postalisch ihre hier zunächst präsentierten Fundstücke mit der Bitte um persönliche Inaugenscheinnahme und Stellungnahme zugestellt hatte. Darüber entwickelte sich ein intensiver Gedankenaustausch, in dessen Verlauf wir beiden uns als Amateure nochmals eingehend mit ihrem Fundinventar befassten und dieses mit Fundstücken aus einer weiteren Fundstelle abglichen, welche ebenfalls bei Edewecht gelegen ist.

Insgesamt hatte die erste Durchsicht der am 10. Januar von der Entdeckerin Wilde Möhre an mich zugestellten Fundstücke ergeben, dass es sich bei den von ihr ausgewählten Stücken des Inventars um insgesamt 230 Objekte aus ein und derselben Fundstelle handelte, darunter 202 Stücke aus rotem Helgoländer Flint, sowie 28 weitere Stücke, deren Werkstoff ich als Moränenflint und Kieselschiefer bezeichne. Auf ein ebenfalls an dieser Fundstelle aufgetretenes, dazugehöriges Stück Birkenpech wird hier nicht weiter eingegangen.

Zur Beschaffenheit der Fundstücke aus rotem Helgoländer Flint lässt sich zudem aussagen, dass lediglich 18 Exemplare von ihnen den sonst üblichen Cortex aufweisen. Dieses Fehlen der Rinde war von Anfang an bemerkenswert, denn die Benutzerin Wilde Möhre hatte den Flint lediglich von der ihm anhaftenden Dreckschicht befreit. Betrachtet man die Fundstücke ohne Cortex, so liegen 131 größere Objekte mit einer Größe bis zu 10 cm, sowie 53 kleinere Objekte mit einer Größe bis zu 3 cm vor. Ihre Farbgebung ist matt rot bis leuchtend Rot. 11 Fundstücke erwiesen sich meines Erachtens nach bei genauerer Betrachtung als Artefakte. Das entspricht ca. 5 % des Fundinventars. Bei den übrigen Stücken handelt es sich meiner Auffassung nach um Geofakte.

Einige Fundstücke aus Flint wurden von der Finderin Wilde Möhre nach eigenen Angaben im Zuge experimenteller Untersuchungen zur Materialbeschaffenheit von ihr selbst zerschlagen. Diesbezüglich wird hier betont, dass sämtliche der hier von mir im weiteren dargestellten Exemplare in ihrem originalen Zustand belassen geblieben und in keiner Weise von ihr, oder mir, nachgearbeitet worden sind. Diesbezüglich hat in den letzten Monaten zwischen uns beiden eine eingehende, untereinander geführte Rücksprache stattgefunden. Manche der im weiteren folgenden Artefakte sind bereits ein Stück weit abgenutzt oder beschädigt, andere zeigen Spuren der Verwitterung. Alle hier im weiteren von uns gemachten Aussagen werden von uns als Amateure getan. Sofern Fundstücke von der zweiten, in Karlshof bei Edewecht gelegenen Fundstelle eingeführt werden, werden diese von mir ausdrücklich als solche bezeichnet.

Zu der von mir und Wilde Möhre beabsichtigten Begehung der Fundstellen bei Edewecht sei an dieser Stelle bemerkt, dass diese für die Zeit vom 25. bis 27. Mai geplante Oberflächenprospektion nicht stattgefunden hat, da Wilde Möhre kurz zuvor an Wanderröte erkrankte. Diese Begehung und möglichst eingehende Prospektion beabsichtigen wir Ende August nach der Maisernte nachzuholen, sodass ich mir auch selbst einen eigenen Eindruck von der Fundsituation verschaffen kann. Wenn ich im weiteren nun zunächst einmal die beiden Fundorte vorstelle, so bin ich diesbezüglich bislang auf die Angaben von Wilde Möhre angewiesen und bitte möglicherweise erforderliche Korrekturen oder Nachbesserungen bereits an dieser Stelle zu entschuldigen. Wilde Möhre liest diese Beitragsreihe mit und steigt in die Diskussion ein soweit ihr dies die Zeit erlaubt. Ich selbst werde meine Ergebnisse hier in unregelmäßigen Abständen veröffentlichen und bin mitunter manchmal terminlich verhindert, sodass es in der Darstellung also zu Stockungen kommen kann.

Auffallend ist, dies sei hier ebenfalls vorab nochmals anhand der von mir ausgewerteten Materialien bemerkt, unter welchen Gesichtspunkten Wilde Möhre ihre Lesefunde in den vergangenen 10 Jahren offenbar machte. Sie berichtete uns bereits im Dezember vergangenen Jahres, dass ihr zwischen den abgeernteten, ansonsten dunkelgrauen Maisfeldern immer wieder ein Flurstück aufgrund seiner bunten Farbe aufgefallen ist, welche von dem dort zahlreich auf der Oberfläche liegenden roten Helgoländer Flint ausgeht. Tatsächlich wird sie von diesem farbintensiven roten Helgoländer Feuerstein angezogen worden sein, denn unter den von mir durchgesehenen 230 Objekten aus Flint fanden sich 202 Stücke aus rotem Flint ohne Cortex, darunter auffallend viele mit einer leuchtend roten Farbgebung. Betrachtet man nun jedoch lediglich die 11 Artefakte, so wurden 4 von ihnen aus Moränenflint und Kieselschiefer, sowie aus einem braunen Feuerstein gefertigt. Dies bedeutet meines Erachtens nach, dass Wilde Möhre die farblich unscheinbaren Objekte aus Moränenflint und Kieselschiefer nur dann aufgelesen hat, wenn diese ihrer Form nach eine Besonderheit darstellten. Tatsächlich zeigten sich bei den 28 Fundstücken, welche nicht aus rotem Helgoländer Flint bestanden, mit immerhin 4 Artefakten ein Anteil von ca. 15 % im Verhältnis zur Materialgruppe, was weit überproportional ist. Wilde Möhre sammelte das Gestein also wegen seiner auffälligen roten Farbe und berücksichtigte vergleichsweise farblose Objekte nur, wenn diese flintformlich auffällig waren und aufgrund dieser Besonderheit ihr Interesse fanden. Die mit 53 Stücken zahlreich auftretenden kleineren Objekte bis zu 3 cm bestehen zumeist aus Splittern und Abschlägen und wurden nicht Gegenstand meiner Betrachtungen.

Meines Erachtens treten an den beiden von unserem Mitglied Wilde Möhre entdeckten Fundplätzen bei Edewecht zahlreiche Geofakte mit einzelnen wenigen Artefakten vergemeinschaftet auf, die jedoch sehr bedeutend sind. An beiden Fundstellen traten Federmesser zutage. In früherer Zeit gab es bereits archäologische Untersuchungen in diesem Gebiet, welche zunächst einmal von Dieter Zoller (1967) in Edewecht 82-West, sowie im Winter 1973/1974 von den Gebrüdern Manfred und Kurt Kramer in dem nur etwa 100 Meter entfernten Edewecht 82-Ost durchgeführt wurden. Die Gebrüder Kramer waren ebenfalls Amateure. Eine entsprechende Auswertung der von ihnen an der Fundstelle Edewecht 82-Ost erzielten Ergebnisse wurde 2020 durch Thomas Terberger, Jürgen Schneider und Jana Esther Fries https://www.researchgate.net/publication/342071861_The_site_of_Edewecht_82-East_district_of_Ammerland_and_the_role_of_Red_Heligoland_flint_in_the_Late_Glacial publiziert.

Die von Wilde Möhre entdeckten beiden Fundplätze sind von ihrer Lage her von den beiden eben genannten Fundplätzen Edewecht 82-West und Edewecht 82-Ost verschieden und sind von daher also als neu entdeckte Fundplätze zu bezeichnen. Die Lage der von ihr entdeckten Fundplätze sei hier wie folgt beschrieben : Die 1. Fundstelle befindet sich westlich Edewecht, aber östlich der in Richtung Dänikhorst verlaufenden Hauptstraße, unweit einer Tonkuhle, sowie nördlich der Aue zwischen dem Godensholter Tief und dem Ekerner Moorkanal gelegen (Karte 2). Alle von mir in Augenschein genommenen Objekte stammen von dieser ersten Fundstelle.

Der 2. Fundort befindet sich ca. 7,5 km entfernt in nordwestlicher Richtung zwischen Ocholt und Karlshof an der Ollenbäke im Howiekerfeld gelegen. Dieser zweite Fundort ist insbesondere dadurch aufgefallen, dass dort Werkstoffe und Artefakte aus Gestein auftreten, die mit Sicherheit importiert worden sind. In seinem bisherigen Fundinventar fanden sich unter anderem ein rückengestumpftes Federmesser aus Basalt, sowie Klingenkerne aus Chalzedon.

Meines Erachtens könnte dem Fundplatz Karlshof Ollenbäke daher siedlungsgeschichtlich für den Nordwestdeutschen Raum dieselbe Bedeutung zukommen, wie sie einem Missing Link in der Fossilienkunde inhärent ist. Wilde Möhre nimmt an, dass es sich bei diesem Fundplatz um einen Werkplatz oder ein Sommerlager der Tjonger Gruppe handeln könnte, während ich selbst auch eine Zuordnung an die Rissener Gruppe für möglich halte. Es gibt Anzeichen dafür, dass die Bewohner dieser im Freiland gelegenen Plätze Beziehungen zu den am Mittelrhein gelegenen Siedlungen im Neuwieder Becken unterhalten haben könnten. Wir gehen als Amateure übereinstimmend davon aus, dass die von Wilde Möhre an zwei Fundstellen gemachten Funde den Angehörigen der Federmesser-Gruppen zugerechnet werden dürfen. Diese Annahme wird durch Abgleich der von uns untersuchten und als Artefakte identifizierten steinernen Objekte gestützt.

Im weiteren möchten wir diese mutmaßlichen Artefakte vorstellen und ihm Vergleichsmaterial zur Seite stellen. Wir würden uns freuen, wenn ihr die weiteren Ausführungen hier im Forum erneut mit euren Kritiken versehen und uns bei den teils fehlenden und mitunter auch widersprüchlichen Begrifflichkeiten weiterhelfen würdet. Die bis heute andauernden Mängel in der Terminologie der paläolithischen Forschung liegen seit der Besprechung von Gripp, Schütrumpf und Schwabedissen (1970) durch Joachim Hahn (1974) ja offen und sind also hinlänglich bekannt Frühe Menschheit und Umwelt | Germania : Anzeiger der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts. Soweit der zwischenzeitlich erarbeitete, gemeinsame Standpunkt von mir und Wilde Möhre. Für die von Wilde Möhre selbst angefertigten Fotos hat mir diese ein Abbildrecht eingeräumt. Alle weiteren hier gemachten und im weiteren eingestellten bildlichen Darstellungen wurden, soweit nicht anders angegeben, unter der Bedingung Creative Commons CC BY-NC-SA 4.0 bzw. CC BY-SA 4.0 zur eingeschränkten, nicht kommerziellen Nutzung freigegeben.

Gruß in die Runde

But

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na, dann immer mal her mit den Funden, wenn ich das so salopp sagen darf :grin:

Danke – die Arbeit, die du dir gemacht hast, ist wirklich beeindruckend. Eine wichtige Sache muss ich allerdings unbedingt anmerken, bevor du den Text veröffentlichst:

Du schreibst mehrfach von „rotem Helgoländer Flint“ und gibst an, dass über 200 der Stücke aus diesem Material bestehen. Ich muss dir da widersprechen: Meiner Ansicht nach – und das sage ich mit sehr großer Sicherheit – handelt es sich bei fast allen um sekundär verfärbte Feuersteine, nicht um echten roten Helgoländer Flint.

Wenn überhaupt, ist höchstens ein einziges Stück aus echtem Helgoländer Material. Beu einem zweiten bin ich nicht sicher. Diese Unterscheidung ist mir wichtig, weil sie sowohl geologisch als auch archäologisch sehr relevant ist – und weil ich im Forum schon öfter auf diesen Unterschied hingewiesen habe. Es wäre mir also wichtig, dass du die Bezeichnung entsprechend änderst, z. B. in „rot gefärbter Flint“ oder „vermutlich sekundär verfärbter Flint“, damit hier nichts Falsches hängen bleibt.

Ich denke, du verstehst meinen Punkt – mir geht’s da einfach um Korrektheit. Und es schmälert ja in keiner Weise den Wert deiner sorgfältigen Analyse oder das Interesse an den Funden selbst.

Sag gern Bescheid, wenn du dazu Rückfragen hast.

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Hallo Butmir,

nachdem Du jetzt dankenswerter Weise bezüglich der Aufsammlungen des aufgelesenen Materials in Bezug auf deren Herkunft (Helgoländer Flint) und den echten Artefakten ins Detail gegangen bist wäre es aber sehr hilfreich diese mit Fotos zu belegen.
Bucentaur

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Tja, Wilde Möhre, deine Aussage zum “roten Helgoländer Flint” nehme ich hier so zur Kenntnis und bin darüber ehrlich gesagt ziemlich verblüfft, denn es findet sich unter den Objekten, welche du mir zugestellt hast, ja auch roter Bryozoenflint, wie er so meines Wissens nach nur an der Ostküste der Insel Fünen, sowie auf der Düne Helgoland vorkommt Steine & Scherben - Nordischer Feuerstein. Meine weiter unten dazu folgenden Ausführungen zum Transport des Helgoländer Flints über weite Strecken wurden in der Vergangenheit zudem bereits für die bisher bekannten neolithischen Fundorte in Edewecht, sowie auch andernorts, bereits von verschiedenen Autoren diskutiert und fanden seit 1970 breite Anerkennung. Meine Annahmen zur Weitergabe bzw. Tausch beruhen zudem auf den bislang an den Fundstellen in Edewecht, sowie in Volkmarshausen, Damme, Dormagen-Nievenheim, Cuxhaven etc. erzielten Ergebnissen. Ich für meinen Teil werde es daher mit Emma Peach halten und meine weitere Argumentation stets entlang der hier im weiteren von mir dazu vorgestellten Fundstücke entwickeln. Ich denke, damit ist allen am Besten gedient. :smiley:

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Grüß dich Bucentaur,

die von dir völlig zu Recht angemahnten Bilder zu den oben von mir bereits als Artefakte angesprochenen Fundstücken werden folgen und dann für beide Fundplätze jeweils getrennt in eigenen Abschnitten von mir vorgestellt werden. Es wird aber zumindest einige Tage, oder sogar noch Wochen dauern, bis ich mit meinen Darstellungen an den entsprechenden Abschnitten ankomme, denn zunächst einmal werde ich auf die vorangegangenen, in den Jahren 1967 und 1973/1974 erfolgten Grabungen in Edewecht 82-West und 82-Ost und ihre Ergebnisse zu sprechen kommen und dann die damals erzielte Fundlage mit der von Wilde Möhre ins Verhältnis setzen und darüber den entsprechenden Fundkontext, sowie seinen zeitlichen Horizont herstellen. Ich bitte dich und Emma Peach daher um Verständnis, wenn ich meinen Befund nicht einfach blind und unkommentiert raushaue, denn eine erneute, ungeordnete Darstellung in der Art, wie sie Wilde Möhre in den Monaten Dezember bis Februar durchgeführt hat, führt zu nichts und wird der Sache meines Erachtens nach auch nicht gerecht, denn es lohnt sich die von Wilde Möhre gemachten Funde systematisch zu erschließen und genauer zu analysieren. Räume mir also bitte 3 Monate Zeit ein und du wirst sehen, was Edewecht in neolithischer Hinsicht alles zu bieten hat und wie dies möglicherweise einzuordnen ist.

Gruß But

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Hallo Butmir,
ja,
bin schon sehr gespannt was die Materialauswertung und Bearbeitung der Lesefunde im Detail ergeben hat.

Grüße Bucentaur

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ich ebenso, @But

Liebe Grüße :slight_smile:

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Jo dann schau´ mer a mol.

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Jedes dieser Stücke hat mindestens eine kleine Bruchstelle – oft nur stecknadelkopfgroß. Unter der Lupe kannst du an diesen Stellen sehr gut erkennen, dass das Innere deutlich heller oder sogar grau ist. Die rote Farbe sitzt nur außen – typisch für sekundäre Verfärbung.

Außerdem:

Einige Stücke enthalten Reste von Moostierchen (Bryozoen). Diese kommen im echten Helgoländer Flint nicht vor, weil der aus einer anderen geologischen Formation stammt.

Das lässt sich mit einer guten Lupe oder einem Binokular schnell selbst nachprüfen. Ich denke, dann wird sofort klar, warum ich bei der Zuordnung so vorsichtig bin.

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Abschnitt 2: Zeitstellung der Fundorte Edewecht Godensholter Tief und Karlshof Ollenbäke

Die von Wilde Möhre in Edewecht Godensholter Tief und Karlshof Ollenbäke entdeckten Stationen gehören meines Erachtens der Zeit der Federmesser Gruppen mit Horizont der Ahrensburger Stufe an, was einer Datierung ca. 10.000 bis 9.100 v. Chr. entspräche. Damit würden sie in die Zeit der Fundplätze Edewecht 82-West und Edewecht 82-Ost zu setzen sein und sind im Ergebnis also jünger als die in Querenstede, ebenfalls Kreis Ammerland, entdeckte Rentierstation, welche laut Radiokarbon C-14-Untersuchung der dort gefundenen Holzkohle in die Zeit ca. 12.000 bis 11.000 v. Chr. datiert und ihrem Geräteinventar nach im gesamten Horizont der Hamburger Stufe des endenden Bölling angehört.

Tatsächlich weisen die Fundplätze Karlshof Ollenbäke und Edewecht Godensholter Tief gegenüber der Station der Gruppe der Hamburger Kultur in Querenstede keine Zinken, dafür aber Federmesser auf, welche die Hamburger Kultur noch nicht kannte, sowie Klingenschaber ohne Bearbeitung der Längskanten. Fünf dem Werkzeug des Zinken ähnliche Objekte des Fundplatzes Edewecht Godensholter Tief wiesen nach meiner eigenen Untersuchung keinerlei Bearbeitungsspuren auf, weshalb sie von mir als Geofakte angesprochen werden. Demnach wird es zur Zeit der Stationen Karlshof-Ollenbäke und Edewecht Godensholter Tief im Gebiet der Aue und Vehne bereits keine Rentiere mehr gegeben haben, sodass das Werkzeug des Zinken zur Zerspanung der Geweihstangen der Rentiere nicht mehr benötigt und daher auch nicht mehr angefertigt wurde.

Ein einzelner, in Edewecht Godensholter Tief zutage getretener, schöner Bohrer aus rotem Bryozoenflint diente seiner Bauart nach sicherlich nicht der Zerspanung von Geweihstangen, sondern der Fertigung von Löchern in Holz und Knochen und weist einen vergleichsweise sehr viel kompakteren, aber dennoch eleganten Griff auf, wie die folgenden Fotos zeigen :

Zum Vergleich seien hier einmal einige Zinken gezeigt, wie sie die Angehörigen der Hamburger Stufe in der Rentierstation in Querenstede, Kreis Ammerland, in Benutzung hatten. Die insgesamt 11 Zinken wurden 1962 von Dieter Zoller dokumentiert. Die ebenfalls dort aufgetretenen Kerbspitzen fanden sich ihrer Fundlage nach in einem Stratum deutlich oberhalb der Feuerstelle und gehören vermutlich Angehörigen der Rissener Gruppe an. Hier zum Vergleich nun jedoch einige Zinken der Hamburger Stufe :

Die hier nicht verfügbare Distralseite zeigt, dass es für das Zerspanen von Geweihstangen der Rentiere insbesondere Zinken mit einer sehr schlanken Spitze benötigte. Der weiter oben gezeigte, von mir untersuchte Bohrer ist an seiner Spitze zwar ein kleines Stück abgebrochen, wird vom Griff her aber sicherlich nicht für die Anwendung einer solchen Spantechnik verwendet worden sein, wo es darum ging, die Geweihstangen ihrer Länge nach aufzuspalten um Harpunen und ähnliches zu gewinnen. Im Anschluss sei hier abschließend noch die in der Rentierstation Querenstede aufgefundene, durch Zoller 1963, Tafel 1, Abbildung 2 in situ dokumentierte Feuerstelle mit Faustkeilen, Sticheln und Zinken vorgestellt. Die dort zudem gesicherte Holzkohle übersandte Zoller seinerzeit an das von Schwabedissen und Schütrumpf geführte Labor, wo sie mittels 14-C Methode datiert wurde :

Obwohl diese in die Zeit zwischen 12.000 bis 11.000 v. Chr. datierte Rentierstation der Hamburger Stufe mit seiner Fundlage insgesamt natürlich sehr aufschlussreich ist, bleibt sie im weiteren bei mir unberücksichtigt, da sie dem endenden Bölling angehört, während die von Wilde Möhre entdeckten Fundstellen in Edewecht Godensholter Tief und Karlshof Ollenbäke meines Erachtens dem ausgehenden Alleröd, sowie der Jüngeren Dryas und dem Präboreal angehören. Der zeitliche Abstand der von Wilde Möhre entdeckten beiden Fundplätze zu der 1962 in Querenstede gefundenen Station der Rentierjäger beträgt nach meinem Dafürhalten mindestens 1.000 Jahre und dieser Zeitunterschied ist schon deshalb gravierend, weil es um 11.000 v. Chr. zur Eruption des Laacher-See Vulkanes gekommen ist, welcher sicherlich ein verstärktes Vordringen der Federmesser-Gruppen aus dem Rheinland nach Norden hin bewirkt haben wird. Wir müssen daher die im Ammerland gefundenen Ahrensburger zeitlichen Fundorte der Federmesser Gruppen stets von denen der ebenfalls dort auftretenden Fundorte der Hamburger Stufe unterscheiden, zumal die Angehörigen der Hamburger Kultur das Federmesser selbst als Werkzeug und Waffe gar nicht kannten. Weitere Einzelheiten dazu finden sich bei Dieter Zoller (1963) Die Kunde (N.F. 14.1963).

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Abschnitt 3: Vorgeschichte – Die Grabungen Edewecht 82-West (1967) und Edewecht 82-Ost (1973/74), sowie die vorangegangenen Fundmeldungen aus dem näheren Umfeld.

Der Nachweis der Besiedlung des Ammerlandes durch die Hamburger- und Federmesser-Gruppen konnte erst geführt werden, als der bis dahin als Justizinspektor tätige Dieter Zoller im Jahre 1954 seine juristische Laufbahn fahren ließ und sich der Archäologie zuwandte. Der ab 1960 dann für das gesamte Weser-Ems Gebiet zuständige Bezirksarchäologe Zoller führte in den Jahren 1954 bis 1958 zunächst einmal eine umfassende vorgeschichtliche Landesaufnahme des Landkreises Ammerland durch. Im Zuge dessen nahm er im Landkreis Ammerland zahlreiche Geländebegehungen vor und hielt Rücksprache mit der örtlichen Bevölkerung, wie es in seinem 1980 veröffentlichten Bericht dazu auf Seite 271 heißt. Zoller erhielt dadurch sowohl direkt, als auch in den Jahren danach, zahlreiche sachdienliche Mitteilungen und konnte persönlich die neolithischen Zeugnisse diverser privater Sammlungen sichten (M.Z.). Insgesamt währte diese Bestandsaufnahme 25 Jahre, weshalb hier einige der für uns bedeutendsten Fundmeldungen einmal wie folgt genannt seien :

Zunächst hatte Kurt Kramer aus Süddorf beim Landesmuseum eine Fundmeldung für eine Reihe von Objekten gemacht, welche er auf der Düne Voßbarg entdeckt hatte. Der Voßbarg bei Südende ist eine ehemalige Düne der Böllingzeit, die das später entstandene Moor der Aue-Niederung durchragte und am Totarm der Aue liegt. Auf dieser etwa 4,5 Meter emporragenden Düne befindet sich der damals von Kurt Kramer geführte Baumschulenbetrieb, so Zoller 1980, Seite 299, Nr. 115.

Kramer meldete für die Düne Süddorf-Voßbarg auf dem Flurstück 8, Parzelle 17, eine Reihe von großen Feuerstein Klingen (M.Z. 815, 824, 834) und Abschlägen. Zoller nahm an, dass die dazugehörige, wahrscheinlich spätpaläolithische Station der Ahrensburger Stufe angehören wird. Für die Flur 8, Parzelle 16 meldete Kramer dann zudem einen Klingenkern (M.Z. 825) und Abschläge, dem Zoller von seiner Machart her einen mesolithischen Charakter zusprach. Zoller durfte zudem die private Sammlung von Kurt Kramer in Augenschein nehmen, in welcher sich mehrere große Klingen, Schaber, Kernhobel, Abschläge und Beile, sowie geflügelte Pfeilspitzen mit und ohne Schaftdorn befanden. Diese Altsammlung (M.Z. 883) ist offenbar bedeutend.

Nur wenig später meldete Friedrich Röben, dass er nach dem Drainieren in Edewecht II, Flurstück 16, Parzelle 110 auf der Oberfläche ein 13,6 cm langes Feuersteinbeil (M.Z. 406) mit einer Schneide von 6,5 cm und einer Nackenbreite von 2,5 cm aufgelesen habe (1980, S. 278, Nr. 25). In nur 5 bis 6 Metern Entfernung wurde durch Röben dann zudem ein weiteres Feuerstein Beil (M.Z. 714) mit 11,5 cm Länge, einer Schneide von 4,9 cm und einer Nackenbreite von 2 cm aufgelesen (278, Nr. 26). Die Fundstelle befindet sich laut Zoller an einem Abhang zum Altarm der Aue hin gelegen, welcher hier jedoch als “Landriehe” bezeichnet wird. Bei diesem “Sandberg” könnte es sich zudem erneut um die Düne Voßbarg handeln, doch dies ließe sich nur durch einen Abgleich des von Zoller dazu genannten Flurstückes in der Kartierung feststellen.

Ebenfalls bedeutend ist in diesem Zusammenhang die von G. Brumund aus Osterscheps gemachte Fundmeldung, welcher westlich des Voßbarges in den Sanddünen südlich der Aue ein Depot von 10 Feuersteinklingen (M.Z. 834), sowie zudem teils retuschierte Abschläge (296, Nr. 105) aufgelesen hatte. Für das nahe gelegene Holt-Moor bei Osterscheps meldete Brumund zudem, dass er in der Flur 6, Parzelle 209 einen großen Klingenabschlag ohne Retuschen (M.Z. 836) sowie ein Feuersteinbeil und einen Zinken gefunden habe, welche Zoller (297, Nr. 105a) der Hamburger Stufe zuordnete. Derselbe meldete (294, Nr. 96) weitere Zinken der Hamburger Stufe (M.Z. 802). Sowie (295, Nr. 99) einen Klingenkern (M.Z. 819). Ebenfalls durch Brumund erfolgte sodann auch die Meldung (297, Nr. 108) über die Auffindung von drei Klingen aus rotem Feuerstein (M.Z. 886), welche er auf der Parzelle “Ding” in der Aue-Niederung hinter dem Osterschepser Esch aufgelesen hatte.

Im Mai 1965 meldete Brumund schließlich für die als “Hemeler” bekannte Sanddüne (294, Nr. 92) zwischen Dänikhorst und Osterscheps, Flur 10, Parzelle 49, den Fund von kleineren Feuersteinartefakten, sowie einer schwarzen Feuerstelle im Sand, die mit Holzkohlen aus Kiefernholz angefüllt war (M.Z. 765). Zu der möglicherweise erfolgten Datierung der Holzkohle finden sich ebenda jedoch keine Angaben.

Der 1980 von Dieter Zoller erstellte Bericht (https://digital.lb-oldenburg.de/download/pdf/198786.pdf Digitale Sammlungen der Landesbibliothek Oldenburg, Download 6,6 MB) lässt die an der Aue und der näheren Umgebung aufgetretene Fundhäufung von neolithischen Artefakten sehr deutlich erkennen. Sämtliche der dort aufgeführten Fundmeldungen liegen in einem Radius von maximal 5 Kilometern zu der von Wilde Möhre entdeckten Fundstelle in Edewecht Godensholter Tief. Die am Altarm der Aue gelegene Düne Voßbarg befindet sich sogar nur wenige hundert Meter entfernt gelegen. Die Lage dieser Düne und zwei ihrer Fundplätze finden sich sehr schön in der von Michael Wesemann (LGLN 2020) dazu erstellten Karte verzeichnet :

Unter dem Eindruck dieser Funde führte Dieter Zoller 1967 schließlich auf der Westseite des Voßbarg gezielte Grabungen durch, wie aus seinem Grabungstagebuch, das sich heute im Niedersächsischen Landesarchiv, Abteilung Oldenburg befindet, hervorgeht. Die Ergebnisse dieser Grabungen wurden 2020 durch Thomas Terberger, Jürgen Schneider und Jana Esther Fries unter der Bezeichnung Edewecht 82-West veröffentlicht. In ihrer Auswertung zeigen sie unter anderem die von Zoller seinerzeit für diesen Fundort angefertigte Stratigraphie. Zu sehen sind die zahlreichen Funde und ihre Lage in den jeweiligen Straten :

Angeregt durch die von Zoller durchgeführten archäologischen Grabungen unternahmen im Winter 1973/74, genauer in der Zeit zwischen November 1973 bis Januar 1974 dann auch Kurt und Manfred Kramer, die Eigentümer, auf der Ostseite des Voßbarg eigene Grabungen, in deren Verlauf unter anderem diverse Artefakte, darunter einige Federmesser und diverse Kratzer aus Moränenflint, zahlreiche Stichel und Schaber der Ahrensburger Zeit (Terberger, Schneider, Fries 2020, S. 7, Fig. 9 u. S. 9, Fig. 11), sowie eine sehr große Klinge aus Feuerstein von ca. 16 cm Länge (Ebenda, S. 10, Fig. 12, Nr. 11 u. S. 11, Fig. 14) und eine weitere, fragmentierte Klinge aus rotem Helgoländer Flint. Die Stratigraphie der Fundstelle Edewecht 82-Ost ist derjenigen von Edewecht 82-West vergleichbar, wie die nachfolgende, von Manfred Kramer erstellte Aufnahme sehr anschaulich zeigt.

Die von Zoller untersuchte Fundstelle Edewecht 82-West wurde von Terberger, Schneider und Fries (2020) in die Zeit der Ahrensburger-Kultur ca. 9.500 bis 8.500 v. Chr. datiert. Die benachbarte Fundstelle Edewecht 82-Ost dahingegen datierten sie anhand der von ihnen ausgewerteten Ergebnisse deutlich früher in die Zeit ca. 10.000 bis 9.600 v. Chr. Ein in Edewecht 82-Ost zutage getretenes Klingenfragment besteht aus rotem Feuerstein. Roter Feuerstein hatte nach Ansicht der Autoren während des Alleröd Interstadial bis in die Zeit des Übergangs von der Jüngeren Dryaszeit zum Präboreal erhebliche Bedeutung und war von größerer Relevanz (Ebenda, S.1).

Weitere Einzelheiten zu den beiden für uns von ihrer Zeitstellung und Lage her bedeutenden Fundstellen Edewecht 82-West (1967) und Edewecht 82-Ost (1973/74) finden sich in Terberger, Schneider und Fries (2020) https://www.researchgate.net/publication/342071861_The_site_of_Edewecht_82-East_district_of_Ammerland_and_the_role_of_Red_Heligoland_flint_in_the_Late_Glacial#pf5.
Mit Dank an die Autoren für das gewährte Recht zur Verwendung der darin enthaltenen Abbildungen Figur 3–5.

Servus Butmir_58,

Deinem ursprünglichen Titel haben wir ein Fragezeichen hinzugefügt, da die Fundstelle bisher
nicht als der Federmesser-Gruppe zugehörig eingestuft ist.
Die von Wilde Möhre entdeckten Plätze müssten dazu erst von Archäologen begutachtet werden.

Ohne amtliche Bestätigung kann man es nicht als Fakt darstellen, es könnte andere zu falschen Schlüssen führen.

Ich möchte dich auch Bitten deine Quellen anzugeben. Bei mehr als zwei Quellen ist ein Quellenverzeichnis am Ende des Posts auch nicht schlecht. Die Quellenangabe ist wichtig um nicht einen Urheberstreit vom Zaun zu brechen. Außerdem macht dies den Post übersichtlicher.

Gruß Shard

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Alles klar Shard,

weiß ich bescheid. Ich werde meine Darstellungen künftig mit Fußnoten und Quellenangaben versehen. Zu dem bisher gesagten werde ich die Literatur in

einem gesonderten Abschnitt nachreichen. Wilde Möhre hat bereits eine Fundmeldung rausgeschickt, die im NLD, Außenstelle Oldenburg vorliegt.

Die für die Bearbeitung zuständige Person wird jedoch erst Ende August wieder ihrem Büro sein, sodass dort nun zunächst einmal das Referat damit befasst ist.

Gruß But

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Moin,
ich möchte hier - nach Absprache mit Butmir- gern meine Aufzeichnungen zum Fundort in Karlshof vorstellen.
Diese Dokumentation entstand im Rahmen einer privaten Grabungsbeobachtung im Frühjahr 2025 auf einem landwirtschaftlich genutzten Gelände bei Karlshof (Ammerland, Niedersachsen). Sie dient in erster Linie meiner eigenen Orientierung sowie der Weitergabe an die archäologischen Fachstellen im Zuge eines offiziellen Fundberichts.

Die Beschreibung der Schichten, Materialien und Funde basiert auf eigenen Beobachtungen sowie öffentlich zugänglichen Quellen (insbesondere der Bodenkarte BK50 des LBEG und geowissenschaftlicher Fachliteratur, siehe unten). Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder geologische bzw. archäologische Richtigkeit. Ich bin keine Fachperson, sondern dokumentiere lediglich so genau wie möglich, was ich sehe und beobachte.

Die Interpretation der Bodenabfolge beschränkt sich bewusst auf das Notwendige. Persönliche Deutungen oder Hypothesen wurden vermieden.

Sollte jemand im Forum geologische oder typologische Hinweise zu den abgebildeten Fundstücken geben können, würde ich mich über eine Rückmeldung sehr freuen. Bis eine fachliche Fundaufnahme durch die zuständige Denkmalpflege erfolgt, wird es vermutlich noch längere Zeit dauern, und wahrscheinlich sind die Erinnerungen an einzelne Kontexte dann bei mir verblasst. Diese Dokumentation soll daher helfen, den Fundplatz auch in seiner stratigraphischen Einbettung nachvollziehbar zu erhalten, da mit einsetzen des ersten Regens dunkler Mutterboden vom Feld in den Graben gespült hat.

Mein Ziel ist es, einen Beitrag zur langfristigen Einordnung des Fundorts zu leisten – ohne Anspruch auf Deutungshoheit, aber mit dem Wunsch, diesen Ort im Gedächtnis zu halten.
Danke und Grüße
WildeMöhre

Fundplatzdokumentation Karlshof – Stratigraphische Beobachtung und Fundhorizont

Bei Spaziergängen über ein landwirtschaftlich genutztes Areal unmittelbar vor meinem Wohnhaus in Karlshof (Lkr. Ammerland) fielen mir im Frühjahr 2025 neu angelegte Grabenwände auf, die im Rahmen von Drainagearbeiten entstanden waren. Aufgrund einer längeren Trockenperiode im Mai waren die Profilwände ungewöhnlich stabil, frei von Bewuchs und gut einsehbar. Mein ursprüngliches Interesse galt möglichen primär rot gefärbten Feuersteinen in ihrer natürlichen Lagerung.

Stratigraphie und Schichtabfolge (links der geologischen Störung)

Die Profilwand zeigte auf einer Breite von 3,50 vertikal eine klare vertikale Trennung: Auf der linken Seite entsprach der Aufbau weitgehend dem Bodenprofil der BK50 (GOF 100940), während rechts davon eine kompakte, ungeschichtete Geschiebemergelablagerung (Till) ansteht.

Unterhalb von ca. 1,80 m Tiefe, am Übergang vom kartierten Gr-Horizont zum subhydromorphen Bereich, traten abweichende Substrate auf, die stratigraphisch wie folgt gegliedert werden können:

  1. Gelb-orange Sandlage (ca. 1,80–2,00 m)
    Feinsandiger, schwach schluffiger Horizont, trocken sehr locker, bei Feuchtigkeit stabilisiert. Farbspektrum: leuchtend gelb bis ocker-orange mit diffusem Übergang zur darunterliegenden Schicht. Keine deutliche Humusführung.

  1. Hellblaue Horizontlage (ca. 2,00–2,20 m)
    Diese Zone weist einen auffälligen bläulichen Farbton mit partiellen grauen Einschlüssen auf. Sie ist kompakter als die darüberliegende Sandschicht, zeigt aber keinerlei klare Schichtung oder Bodenhorizonte. Aus dieser Schicht stammen viele Fundstücke – darunter überwiegend Feuersteine. Die Horizonttiefe korreliert mit einem möglichen Übergang zu einem altem Auenhorizont (Gleybildung).

  2. Auengleyboden (ab ca. 2,20 m)
    Darunter folgt ein blaugräulicher, gleytypischer Feinsand mit hoher Feuchtigkeit und beginnendem Eisenrückstau. Aus dem aufgeschütteten Material im Grabenboden wurden einige auffällige Mineralproben entnommen, darunter eisenhaltige Krusten und glitzernde Einschlüsse, die möglicherweise auf Raseneisenerz oder andere sekundäre Ausfällungen hinweisen. Eine weitergehende Untersuchung dieses Horizonts fand nicht statt, da der Boden stark wassergesättigt war und keine weiteren Funde sichtbar waren.






Geologische Beobachtung: Störung und Materialkontakt
Zwischen dem kartierten Profil (links) und dem rechts anschließenden Geschiebemergel befindet sich eine vertikale, braune Störung von ca. 20–30 cm Breite.

Die Fundstücke stammen ausschließlich aus dem Bereich links der Störung. Der Geschiebemergel selbst war zu kompakt für Entnahmen und zeigte keine Bearbeitungsspuren, enthielt jedoch zahlreiche Gerölle, Feuersteine und organische Einschüsse wie Eicheln.

Fazit:
Die fundführenden Schichten beschränken sich hauptsächlich auf eine markant hellblaue Sandzone sowie den unmittelbar darunter liegenden Bereich, die stratigraphisch unterhalb des offiziellen BK50-Profils (GOF 100940) liegen. Eine genauere zeitliche Einordnung dieser Sedimente steht noch aus. Alle Funde wurden dokumentiert – ohne Eingriffe in ungestörte Schichten oder den Geschiebemergel. Entnommen wurden ausschließlich Stücke, die sichtbar aus der Grabenwand hervortreten oder im Abraum der maschinellen Erdarbeiten lagen

Stratigraphische Zeitstellung der Schichten in Karlshof (geschätzt, ohne archäologische Interpretation):

0–1,80 m (Ap–Gr gemäß BK50):
Zeit: Holozän (ca. 10.000 v. Chr. bis heute)
→ Oberboden, Nutzungs- und Grundwasserhorizonte

1,80–2,00 m (gelb-orange Sand):
Zeit: Spätglazial (ca. 12.000–11.000 v. Chr.)
→ Trockene Phase, evtl. Flugsand oder Kolluvium

2,00–2,20 m (hellblauer Horizont):
Zeit: Übergangszone spätglazial/frühholozän (ca. 13.000–11.500 v. Chr.)
→ Reduktionshorizont, evtl. gleyartig, wassernah gebildet

2,20–2,60m (Auengley):
Zeit: Älteres Weichsel-Glazial bis Allerød (ca. 20.000–13.000 v. Chr.)
→ Grundwasserführende Ablagerungen mit Eisenverlagerung

Von mir verwendete geowissenschaftliche Quellen:

  1. Ad-hoc-Arbeitsanleitung Boden (KA5), BGR 2005
  2. Bodenkarte BK50 / LBEG (GOF 100940)
  3. Scheffer/Schachtschabel: Lehrbuch der Bodenkunde
  4. LBEG Niedersachsen: Bodenkundliche Kartieranleitung
  5. Geologischer Dienst NRW / LGRB: Sedimentklassifikation
  6. Bork et al. (1998): Landschaftsentwicklung in Mitteleuropa
  7. Behre (1988): Die Weichselzeit
  8. Lehmkuhl et al. (2016): Flugsanddünen der Norddeutschen Tiefebene
  9. Schwertmann (1988): Eisenoxide im Boden
  10. Veit et al. (2010): Reduktionsbedingungen in Auensedimenten
  11. BGR: Geochemische Karte Deutschland (GK1000)
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Fundvorstellung Karlshof – Übergabevorbereitung

Im Folgenden möchte ich jetzt doch einige ausgewählte Fundstücke, der Fundstelle Karlshof zeigen.

Der Großteil der Funde wurde nicht gereinigt, um die originale Anhaftung von Bodensubstrat aus der jeweiligen Schicht zu bewahren. Ziel dieser Vorgehensweise ist es, bei einer späteren Übergabe an die archäologische Denkmalpflege eine möglichst genaue Schichtzuordnung einzelner Stücke zu ermöglichen.

Von allen stratigraphisch relevanten Bereichen wurden Materialproben entnommen und beschriftet abgelegt. Die Fundstücke stammen entweder direkt aus der Grabenwand (nur, wenn sie bereits lose hervortraten) oder aus dem Bodenaushub des Baggers.

Die Stücke werden von mir nicht klassifiziert. Es handelt sich um Funde aus einem fundführenden Bodenhorizont.

Bild 1: Zwei Fundklumpen im Originalzustand
Diese stammen aus dem Bereich oberhalb des Auengleys, am Übergang von der hellblauen Horizontlage zur gelb-grauen Sandschicht. Anhaftungen beider Schichten sind sichtbar:

Bild 2 ff.:
Die nachfolgenden Bilder zeigen die beiden Stücke in bereits gesäubertem Zustand.







Diese drei Stücke klebten aneinander, ebenfalls Anhaftungen der beiden o.g. Schichten an Ober- und Unterseite. Vermutlich aus dem selben Feuerstein.

Bild Nr. 3 ff):



Frühe Einzelfunde aus dem Grabenkontext
Einige der ersten geborgenen Stücke wurden unmittelbar nach der Entnahme gereinigt, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar war, ob es sich um sich Funde handelt oder weil sie kaum schmutzig waren.

Zu diesen gereinigten Erstfunden zählen unter anderem:

Bild Nr. 4ff):






Bild Nr. 5ff:


Bild Nr. 6 ff:


Bild Nr. 7 ff:


Bild Nr. 8 ff)



Bild Nr. 9 ff)



Bild Nr. 10 ff):




Hallo,
ist das jetzt eigentlich eine rein geologische Aufnahme denn steinzeitliche Artefakte sprich Werkzeuge vermag ich bislang in den Fotoserien nicht zu erkennen.
Wann wurde der Grabenaushub getätigt?
Handelt es sich um eine noch laufende Baumaßnahme?
Bucentaur

Abschnitt 4: Literaturangaben – Nachtrag der in den Abschnitten 1 bis 3 verwendeten Literatur.

Die in den Abschnitten 1 bis 3 von mir angezogene Literatur sei hier im Nachgang wie folgt genannt :

1.) Thomas Terberger, Jürgen Schneider, Jana Esther Fries: The site of Edewecht 82-East, district of Ammerland, and the role of Red Heligoland flint in the Late Glacial. In: Prähistorische Zeitschrift, Band 95, Heft 1, Berlin u. Boston 2020, S. 1–16.
2.) Joachim Hahn: Rezension zu: Frühe Menschheit und Umwelt, Teil 1: Archäologische Beiträge, herausgegeben von Karl Gripp, Rudolf Schütrumpf und Hermann Schwabedissen, Fundamenta, Monographien zur Urgeschichte, Reihe A, Band 2, Köln u. Wien 1970. In: Germania – Anzeiger der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts, Band 52, Nr. 2, Berlin 1974, S. 490–500.
3.) Dieter Zoller: Vorläufiger Bericht über eine Rentierstation der Hamburger Stufe bei Querenstede. In: Die Kunde: Zeitschrift für niedersächsische Archäologie, Neue Folge, Band 14, Hannover 1963, S. 17–25.
4.) Dieter Zoller: Beiträge zur archäologischen Landesaufnahme für den Landkreis Ammerland, Gemeinde Edewecht (III). In: Oldenburger Jahrbuch, Band 80, Isensee, Oldenburg 1980, S. 271–300.
5.) Hermann Schwabedissen: Das Alter der Federmesser-Zivilisation auf Grund neuer naturwissenschaftlicher Untersuchungen; mit Beiträgen von Rudolf Schütrumpf, Kiel, und Karl Otto Münnich, Heidelberg. In: Eiszeitalter und Gegenwart, Band 8, Öhringen 1957, S. 200–209.
6.) Harald Floss (Hrsg.): Steinartefakte vom Altpaläolithikum bis in die Neuzeit, Tübingen 2012 https://portal.dnb.de/opac/mvb/cover?isbn=978-3-935751-12-4.

In den nachfolgenden Abschnitten werden die dort gemachten Angaben direkt mittels Fußnote mit der dazu angezogenen Literatur verknüpft und dieselbe dann in einem gesonderten Verzeichnis mit entsprechenden Seitenangaben aufgeführt.

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Hallo Bucentaur,
danke für die Rückfragen – ich verstehe die Skepsis gut.

Der Graben wurde zum Teil im Frühjahr 2024 und zuletzt im Frühling 2025 im Rahmen von Entwässerungsmaßnahmen auf einem Maisfeld gezogen. Ich war an der Maßnahme nicht beteiligt, sondern habe dieses Jahr die Gelegenheit genutzt, die sehr gut freigelegten Profilwände geologisch zu dokumentieren. Die Beobachtungen entstanden also nachträglich, auf Basis frei zugänglicher Schichten.

Die Fundstücke stammen entweder aus dem losen Baggeraushub oder waren bereits sichtbar freigelegt – gezielte Eingriffe in geschlossene Horizonte gab es nicht!

Ich selbst bezeichne die Funde bewusst nicht als Artefakte, da mir hierfür die Expertise fehlt. Ziel war lediglich, ihre Lage innerhalb der Schichten festzuhalten, um ggf. später eine fachliche Einschätzung zu ermöglichen.

Gruß
WildeMöhre

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Ergänzend zur Einordnung:
Anlass für die genauere Dokumentation war ein einzelnes Fundstück (siehe Bilder), das in seiner Form an eine Kerbspitze erinnert – wie sie aus der Hamburger Kultur (insbesondere Rissener Gruppe) bekannt ist.




In der näheren Umgebung – insbesondere auf zwei benachbarten Sanddünen – sind durch Grabungen in Querenstede (Zoller 1963) und Gießelhorst (Steffens) Rentierjägerstationen nachgewiesen, die stratigraphisch in das Spätpaläolithikum datieren. Dort wurden u. a. Abschläge, Klingen, Steinsetzungen sowie einzelne Kerb- und Zinkenwerkzeuge gefunden.

Die aktuell dokumentierte Fläche war bis ins 20. Jahrhundert Teil einer leicht erhöhten Düne, die später landwirtschaftlich genutzt wurde. Der Drainagegraben durchschneidet diese Schichten quer – mit klar abgesetzter stratigraphischer Gliederung. Das Areal liegt – wie die genannten Fundorte – in unmittelbarer Nähe eines Fließgewässers (hier: Ollenbäke).

Ich weise darauf hin, dass es sich um eine private Beobachtung handelt, nicht um eine fachliche Interpretation. Dennoch erschien es mir sinnvoll, die auffällige Schichtfolge und die Lage einzelner Funde zu dokumentieren – auch im Hinblick auf die regionale Verteilung spätpaläolithischer Siedlungsplätze im Ammerland.

Quellen:
Zoller, D. (1963): Vorläufiger Bericht über eine Rentierstation der Hamburger Stufe bei Querenstede, Kreis Ammerland. In: Die Kunde, N. F. 14, S. 27–37.
Steffens, H.-G. (1970): Eine spätpaläolithische Rentierjägerstation bei Gießelhorst, Gde. Westerstede. In: Bodendenkmalpflege im Verwaltungsbezirk Oldenburg, S. 129–131.