Hallo zusammen und einen schönen guten Abend,
kurz zu meiner Person… bin schon etwas älter, gerne bin ich an den diversen Stränden von Nord- und Ostsee unterwegs. Hier sammle ich leidenschaftlich gerne Feuersteine, Fossilien und vieles mehr. Vor 14 Tagen war ich auf der Insel Rügen unterwegs, auf der Suche nach kreidezeitlichen Versteinerungen. Da ich mich auch mit Feuersteinen gut auskenne, fiel mir der hier nun abgebildete Feuerstein ins Auge in Bezug auf Form und Absplitterungen… Im Netz habe ich viele Funde aus der Jungsteinzeit gefunden, denen mein Fund etwas ähnlich sieht. Daher wende ich mich nun an euch hier… Handelt es sich bei meinem Fund um ein mögliches Artefakt oder ist der Stein doch nur ein “Geofakt”? Ich würde mich über jede Meinung von euch freuen.
Vielen Dank für eure Mühe, Grüße Werner
Fundort: Insel Rügen, Strand Goos
Angaben zum Stein: Feuerstein, Abschlag mit brauner Patina
LxBxH, ca.: 71x56x19mm
Gewicht: 84gr
Hallo Werner,
du hast Recht, das wirkt wie ein Artefakt.
Einen Gerätetyp kann ich aber nicht erkennen. Und für einen gezielten Abschlag sind mir die Merkmale nicht eindeutig genug, von der Form ganz zu schweigen.
Andererseits zeigt das Stück schöne Merkmale, wie Wallnerlinien, Dorsal- und Ventralseite und für einen Strandfund erstaunlich wenig abgerollte Grate. Die Patina, die den Fund älter erscheinen lässt, ist aber sicher den Bedingungen am Fundort geschuldet.
Was ich aber vermisse, ist eine zielgerichtete Bearbeitung und der Schlagkegel (Bulbus) auf der Ventralseite und die Negative dieser Kegel auf den Negativen dorsal.
Aber eventuell findest du jemand vor Ort, der sich damit auskennt und das Stück in den Händen haltend mehr dazu sagen kann.
Viel Glück dabei!
Viele Grüße
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Dieser wohl stark verwitterte offenbar mit Glanzpatina versehene nordische Kreidefeuerstein ist wohl natürlich angeschlagen. Wie hier schon angesprochen, sind auf den Bildern keine eindeutigen Artefaktmerkmale zu erkennen. Dennoch würde ich nicht zu 100 % ausschließen, dass bei genauer Betrachtung, Bulbus bzw. andere Merkmale eines Abschlags vorliegen können. Gerätecharakter ist wohl auszuschließen. Soweit du einen Bulbus an der Ventralfläche vermuten solltest, mach einfach noch eine Großaufnahme davon und stelle diese ins Forum. Weitere Funde solcher altverwitterten Feuersteine aus der Umgebung deines Fundplatzes wäre natürlich zur weiteren Beurteilung spannend.
Ich selbst habe auch eine außergewöhnliche Fundstelle mit nordischen Feuerstein in Nordbayern schon ausgemacht, mit nachweislich bzw. fachkundig eingeschätzten Artefaktcharakter u.a. darunter auch welche mit wohl Gerätefunktion.
Beste Grüße
Uli
Moin,
meinst Du den “Flintstein” von Flintsbach? Der ist aber nicht aus dem Norden vom großen Eishobel dorthin geschoben worden, oder?
Wie kommt nordischer Feuerstein auf Deine Fundstelle?
Zu dem vorgestellten Feuerstein von Rügen.
Er sieht aus wie viele meiner Artefakte, ich würde nicht ausschließen wollen, dass es ein Artefakt ist.
Allein Strandfunde sind mit äußerster Skepsis zu betrachten.
@ Werner,
halte Dich von Stränden fern, bleibe auf dem Acker.
Gruß
Jürgen
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Jürgen, berechtigte Nachfrage zur Herkunft des Feuersteins. Dazu gibt es eine lange Fundgeschichte und einen sechsseitigen Beitrag in der aktuellen Fachzeitschrift Bay. - Titelblatt der Ausgabe s. Bild. Kurz gesagt: fluviale Herkunft aus Richtung der Feuersteinlinie ohne bislang bestimmen zu können, auf welchem Weg. DIV. Geologen und Archäologen u.a. BLfD Haben sich mit diesem rätselhaften Fundkomplex schon auseinandergesetzt.
Hallo Uli,
das interessiert mich aber nun sehr.
Kannst du dazu einen Beitrag, eventuell auch mit Bildern, einstellen?
Von der Frage Mal abgesehen, wie der nordischen Feuerstein an diesen Ort gekommen ist, interessieren mich die Funde. Komischerweise erinnerte mich die Patina des hier gezeigten Stückes an Artefakte aus Wallendorf im Süden Sachsen-Anhalts. Diese sind auch an die 400tausend Jahre alt und könnten zu dem im Artikel erwähnten Vergleichsmaterial gehören.
Viele Grüße
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Sven,
mit deiner Einschätzung im Vergleich zu Wallendorf liegst du grundsätzlich richtig. Genaue Beschreibungen dreier wohl altpaläolithischer Artefakte aus dem Fundinventar mit mind. zwei Durzend Artefakte auch mit Erläuterungen zu vergleichbaren paläolithischen Fundstellen in Mitteldeutschland werden von Prof. Mania in dem bebilderten Artikel angeführt. Ich weiß nicht, ob das so zulässig ist, eine Kopie des Beitrags einfach so ins Forum zu stellen. Empfehlenswert für Interessierte ist natürlich, sich die Ausgabe der aktuellen Fachzeitschrift zu besorgen.
Beste Grüße
Uli
Hallo,
ich habe den Beitrag in der Zeitschrift gelesen und die darin gezeigten Stücke angesehen. Für mich ist das insgesamt nicht nachvollziehbar, sowohl das Material, welches ich nicht gesichert unbedingt als Ortsfremd betrachten würde als auch die Stücke sind für mich nicht ohne Zweifel.
Beste Grüße
Bucentaur
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Moin,
Danke Bucentaur.
Da ich als “Nordmann” das Inventar dort unten nicht kenne, habe ich mich zwangsläufig zurückhalten müssen.
Deine Einschätzung deckt sich mit der meinen völlig.
Gruß
Jürgen
Hallo ihr beiden,
eure Skepsis zu betonen in allen Ehren, aber ist nicht gerade ergebnisorientiert. Wie ihr wisst, ist die Archäologie eine (indiziengeleitete) Geisteswissenschaft, und gerade was außer- bzw. ungewöhnliche Lesefunde anlangt, werden solche zurecht immer kritisch hinterfragt. Von daher ist mit rudimentären Kenntnissen insbesondere im Kontext von im Wesentlichen nur Bildmaterial ein (kollegialer) Fingerzeig zur Skepsis eigentlich selbsterklärend, aber nicht gerade hilfreich.
Beste Grüße
Uli
Hallo Bucentaur und Jürgen,
das ist wirklich schwieriges Material, wenn ich die Wallendorfer Funde nicht kennen würde, könnte ich dazu auch nichts sagen. Aber auch bei diesen habe ich Schwierigkeiten mit der Ansprache.
Wenn das oben gezeigten Stück aus diesem Kontext kommen würde, wäre meine Zuordnung eine andere. Dann würde ich es als paläolithisches Artefakt ansprechen. Deshalb ist es immer besser, einen Fachmann das Fundgut in die Hand nehmen zu lassen. Aber solche Experten muss man erst mal finden, vor allem für paläolithische Artefakte.
Uli hat da mit Prof.Mania einen der besten auf diesem Gebiet an der Hand.
Viele Grüße
Hallo Uli,
in meinem Begehungsgebiet habe ich Fundstellen die Artefakte des “Steinheimer Menschen” erbringen, welche auf ca. 200.000 Jahre geschätzt werden. In diesem Fundspektrum sind 50.000/100.000 Jahre für das Aussehen bzw. die Machart der Artefakte auch je nach Einlagerung nicht zwangsläufig relevant.
Ich habe jedenfalls mit den bislang gezeigten Stücken ein Problem des "Erkennens, gleichwohl kann ich auf dem Gebiet des Paläolithikums auf über 50 Jahre Erfahrung zurückblicken.
Trotzdem ist das ganze Thema recht interessant und ich lasse mich ja gerne überzeugen.
Viele Grüße
Bucentaur
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Hallo Bucentaur, hallo Sven,
mit dem Steinheimer Mensch und den zugeschriebenen Gesteinsfunden habe ich mich auch schon befasst und war u.a. auch vor Ort im Museum und an der Gedenkstätte. Finde gut, Bucentur, dass du dir fundierte Kenntnisse und Kompetenz zum Altpaläolithikum angeeignet hast. Da weist du ja, wie schwierig es ist, aus dieser Epoche zwischen Geofakten und Artefakten zu unterscheiden. Ich selbst habe mich im Kontext meiner Fundsammlung auch sehr eingehend u.a. auch mit dieser Epoche auseinandergesetzt. Ich würde mir nicht anmaßen, dich von der Tatsache des Vorliegens von Artefakten aus dieser Epoche überzeugen zu können. Das hier Artefakte vorliegen, darüber gibt es keine Zweifel. Diese wurden und werden regelmäßig eingeschätzt u.a. vom BLfD. Außerordentlich wertschätze ich das Wissen und die (Grabungs-) Erfahrungen von Prof. Mania, gerade auf dem Gebiet der Forschung zum Paläolithikum. Sven, du deutest zurecht an, dass hier quasi eine Koryphäe seine Bewertungen argumentativ einbringt (als professioneller Archäo-/Geo und Paläoontloge), übrigens durch regelmäßig in Augenscheinnahme meiner Funde und auch durch seiner Anwesenheit bei der Schürfgrabung (hierzu liegt ein 16-seitiger Bericht des Grabungsleiters Dr. Hilgart vor), mit seiner - und übrigens auch anderer Geologen - fachlichen Einschätzung zum natürlichen Vorkommen des nord. Kreidefefeusteins bzw. Geschiebematerials am Fundplatz. Das dieses Vorkommen natürlicher Art hier vorliegt, darüber gibt es kaum noch Zweifel. Der Weg dorthin ist aber noch völlig im Unklaren - somit bleibt logischerweise Skepsis. Die Messe zu den sogenannten Kreideflinträtsel von Meeder ist noch nicht gelesen. Mal sehen was sich noch so ergeben wird und es bleibt spannend.
Aber gerne kann wer mag, seine grobe Einschätzung einbringen - zweifelsfrei kann dies dann auch nicht sein, z.B. zu diesen drei Silexfunden - sind übrigens nicht jene vom Artikel - vom besagten Fundplatz, wohlwissend, dass ein Schnappschuß nur bedingte Aussagekraft zulässt
.
Beste Grüße
Uli
Hallo Uli,
vielen Dank für Deine ausführliche Antwort.
Beste Grüße
Bucentaur
Hallo Uli,
gern mag ich etwas zu den drei Funden sagen.
Beim ersten hätte ich Zweifel am Artefakt, da müsste ich eventuell noch die andere Seite sehen.
Der Kern ist sicherlich neolithisch, wenn nicht gar bronzezeitlich, könnte aber auch schon im späten Paläolithikum entstanden sein, ab da gibt es die Klingentechnologie.
Das dritte Bild zeigt meines Erachtens ein gebuchtetes Stück (konkave Retuschen) und passt gut in das paläolithische Spektrum um das es hier geht. Dieses ist bis jetzt nahezu frei von Faustkeilen, die Levallois-Technik gibt es höchstens ansatzweise. Einfache, pragmatische Geräte dominieren, da zählen Schaber schon zu den hochspezialisierten Werkzeugen.
Viele Grüße
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Wiederum danke für eure Einlassungen. Sven - deine Einschätzungen bemerkenswert! Andere Einschätzung gehen in ähnlicher Richtung. Der patinierte wohl Kreideflint wird überwiegend auch als Artefakt (Tendenz zu Restkern) eingeschätzt. Hier noch dazu Schnappschüsse von der gegenüberliegenden Seite.
Beste Grüße
Uli
… Persönlich würde ich es auch nicht ausschließen, dass das hier auch Gebrauchsretuschen sein könnten (vom Schaben, Schneiden…)
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Hallo zusammen, als erstes meine Entschuldigung dafür, dass ich mich erst jetzt wieder hier kurz zu Wort melde. Läuft manchmal alles nicht so wie man es sich wünscht… Aber nun zu euren Beiträgen: Ein Laie wie ich kann hier wirklich aus jedem Betrag etwas Neues lernen. Vielen Dank an euch alle, die zu meinem Fund eine Meinung oder Anmerkung geschrieben haben. Wenn ich alles richtig verstanden habe, könnte man meinen Fund als 80% Nein und 20% Ja einordnen, in Bezug auf die Frage ob es ein Geo- oder Artefakt sein könnte. Oder bräuchtet ihr noch das eine oder andere Foto zur besseren Bestimmung? Gruß Werner.
Hallo Werner,
abgesehen von den Prozentahlen an sich hast du meines Erachtens die Tendenz zur Gesamteinschätzung zutreffend interpretiert. Ich denke, auf der Basis weitere Bilder kann auch nicht mehr Aussagekraft generiert werden, ob Geofakt oder Artefakt.
Hier auch noch ein weiteres Beispiel aus meinem umfangreichen Sortiment des geschilderten Fundplatzes. Auch hier ist es sicherlich schwierig auf Basis des Bildmaterials eine gesicherte Zuordnung zu treffen, ob Geofakt oder Artefakt zu treffen. Für eingebundene Fachkräfte, sprich dieser Fund per Augenscheinnahme wg. interpretierbarer
Schlagmerkmale als Artefakt an.
Beste Grüße
Uli