Interessant. 8km von der Villa Jovis nach Capri ist schon beeindruckend. Moderne Heliographen haben anscheinend auch 100km erreicht. Mit Morsesignalen.
Das ist aber Nachrichtenübertragung von A nach B.
Jedoch nicht Landvermessung zwischen A und B.
Es bleibt also die Frage offen, z.B. wie man damit Entfernungen zwischen zwei in großer Distanz hinter der Erdkrümmung liegenden Punkten auf wenige 100m genau vermessen kann…
Ich habe auch keine Fundstellen zu Heliograph+Entfernung gefunden. Hierfür braucht es also eine andere Theorie.
Es wäre doch gar nicht nötig gewesen die Entfernungen zu messen, wenn man sie auf Basis einer zuvor an geeigneter Stelle im Flachland etwa mit Messketten exakt vermessenen Grundlinie berechnen konnte. Gauß hat sich diesen ersten und aufwändigsten Schritt bekanntlich gespart und stattdessen einfach gleich Winkel messend auf der schon vermessenen dänischen Basislinie aufgebaut.
Während meines Feldmesspraktikums vor langer Zeit haben wir weitere Messungen nachts durchgeführt und Taschenlampen zum Anpeilen genutzt. Zuvor wurden Zeitfenster vereinbart, wann jeweils welches Team wohin leuchtet und welches misst. In der Antike hätte man nachts Feuer entzünden müssen, womit man allerdings viel weniger flexibel gewesen wäre als tagsüber mit Spiegeln.
Nebenbei hat mich Paul Whitewick in diesem Video auf folgende Abhandlung gestoßen:
Isaac Moreno Gallo, Roman Surveying, 2004
(Gallo hält es für sehr wahrscheinlich, dass die Römer trianguliert haben.)
Gruß, Timo
[Edit] Wie ich gerade feststelle, hat Gallo einen Youtube-Kanal mit unglaublich vielen Filmen vor allem zu den Themen römischer Straßenbau und Stadtplanung — die meisten davon allerdings auf Spanisch.
Das ist in der Tat eine spannende Analyse und nach meinem ersten (oberflächlichen) Eindruck auch recht sorgfältig erarbeitet!
Interessant, dass die Groma eher unbedeutend gewesen sein soll (vgl. aber auch: Neues zu den augusteischen Römerstützpunkten in Mitteleuropa - #77 von hns)
Mit Isaac Moreno Gallo solltest Du unbedingt Deine Ideen auf Realitätsnähe auf Basis seiner Erkenntnisse diskutieren.
Danke fürs Teilen,
hns
Das werde ich unbedingt tun. Schon seine Videos zu schauen, hat mir in den letzten Tagen zu einem Riesenschritt verholfen. In einem davon berichtet er aus Orange, dem römischen Arausio. Dieser Ort ist in unserem Zusammenhang schon deshalb sehr interessant, weil er schon 35 BCE von Veteranen der Legio II gegründet wurde und somit zu den ältesten augusteischen Gründungen überhaupt zählt.
Wie sich dann herausstellte, spielte Orange offenbar eine Schlüsselrolle in der Vermessung Galliens, gemeinsam mit dem 3 Grad westlich gelegenen Agen (Aginnum):
[Bei den flächig markierten rechten Winkeln gilt diesmal eine Toleranz von ± 1.5°, wobei diese aufgrund der Größe ohnehin noch sphärisch berechnet werden müssen.]
Wie man an den blauen Messlinien rechts erkennt, liegen die Punkte jeweils sehr sauber auf Großkreissegmenten.
Bei dem abgeschnitten Ort in Spanien, auf den gleich 9 Linien mit sauberen Graddistanzen zulaufen handelt es sich übrigens um Mérida (Emerita Augusta).
Damit hat für mich 2025 gleich mit einem Paukenschlag begonnen
Beste Neujahrsgrüße, Timo
PS: An der Stelle wieder einmal ein ganz herzlicher Dank an all jene, die hier seit Jahren das Thema diskutieren und mit ihren Anregungen so überaus hilfreich gewesen sind. Insbesondere geht mein Dank an Heinz, Nikolaus, Hugin und posthum an die unvergessene Barbara — aber auch an Andreas, @a.brunn, dass er mich mit einem Thema gewähren ließ, das zunächst manchem als grober Unfug vorgekommen war.
Und es wird noch besser: Aufbauend auf der Linie Tarragona–Orange–Augsburg bilden die Passhöhe des Großen St. Bernhard (Summus Poeninus) und Augsburg ein gleichschenkliges Dreieck mit Bavay — mit langen Seiten, die nur um maximal 0.45% von jeweils 5° abweichen.
Der Große St. Bernhard wurde von Augustus zwischen 25 und 15 BCE eingenommen und befestigt, und auch Bavay und natürlich Augsburg sind augusteische Gründungen.
Da hätten sie natürlich um die Bucht herum triangulieren und etwas rechnen müssen. Aber auch die Alpen hat man sicher nicht schnurgerade begangen.
Nebenbei dürften bei den beiden Beispielen jeweils die alten vorrömischen Städte Tarragona und Marseille die Ausgangspunkte der Vermessungen gewesen sein.
Normalerweise gebe ich ja ungern öffentlich Auskunft, wo sich bislang unbekannte augusteische Stützpunkte befunden haben könnten, aber der folgende Fall sei eine Ausnahme — einerseits wegen Überbauung und andererseits weil es gar so schön passt.
Hier also Jena im Kontext der aktuellen Arbeitskarte:
Da sich aufgrund der weiten Ausdehnung die Verzerrungen der (Web-Mercator-)Projektion sehr stark bemerkbar machen, habe ich das Ganze unter strikter Berücksichtigung der gemessenen Distanzen auf der rechten Seite unverzerrt gezeichnet — wie es wohl auch ein Römer getan hätte.
Nur so kann man das sehr saubere Fast-Quadrat richtig genießen, dem nur Wangen im Allgäu fehlt, um perfekt zu sein. Jedenfalls könnte man vermuten, dass es dort trotz fehlenden Nachweises zumindest kurz ein römisches Lager gegeben hat, man sich aber doch lieber für das 1° weiter gelegene Augsburg als langfristigen Standort entschieden hat.
Wegen Wangen werde ich mich nicht verrückt machen. Es passt ja auch so alles sehr schön. Unter dem Ortskern mehr als tausendjähriger Städte noch Spuren eines nur kurzzeitig belegten augusteischen Lagers zu finden ist sehr selten — jedoch, wie das kürzliche Beispiel Paderborn gezeigt hat, nicht unmöglich. Aber da braucht es halt wirklich den Zufall.
Vemania ist wohl erst spätrömisch, aber tatsächlich ist offenbar Kempten (Cambodunum) zunächst vor Augsburg der Hauptort der Provinz gewesen.
Auf jeden Fall scheint mir die obige Karte ein gutes Beispiel für den gelegentlich Regeln sprengenden Pragmatismus zu sein, mit dem man bei den Römern rechnen sollte.
Und bei den gestrichelten, weil für ‘± 1%’ ein wenig zu langen Dreieckseiten nach Augsburg muss man nebenbei bedenken, dass diese über Mittelgebirge in der feindlichen rechtsrheinischen Germania Magna führten.
Aber glücklicherweise heben sich die Fehler leidlich auf, sodass der Winkel in Barkhausen gleichwohl ein rechter ist, auch wenn dieses primitivste Pythagoräische Tripel (5:4:3) nicht ganz perfekt ist.
Gruß, Timo
PS: Danke für diesen Link, auf den ich heute auch schon gestoßen war:
Leider ist es im 17./18. Jahrhundert gebildete Mode gewesen, eine römische Gründung für sein Heimatstädtchen zu postulieren. Und selbst wenn in Einzelfällen ein wahrer Kern dahinterstecken sollte, muss dieser erst noch archäologisch bestätigt werden. Daher werde ich es mir sparen, mich durch diese Handschrift zu kämpfen.
woher weisst Du “wie es wohl auch ein Römer getan hätte”? Welche Projektion hätte denn ein Römer zur Darstellung seiner Karten benutzt?
Hätte er Wert auf Winkeltreue oder Längentreue gelegt?
Hätte er einen Globus benutzt, hätte man solche ja bestimmt schon gefunden!
Gruß,
Hugin
Im Zweifelsfall gar keine, wie ich in dem rechten Beispiel. Würde man dieses mit Engelsgeduld aus verknüpften Schnüren (siehe Henoch ) erstellen und dann über ein Kreissegment ähnlich einem griechischen Schild im richtigen Maßstab legen, hätte man quasi einen Globus und müsste sich somit um kompromissbehaftete Projektionen gar nicht scheren. — Das wäre jedenfalls mein Lösungsvorschlag aus antiker Perspektive.
Ein ‘Globus’ nur des römischen Reiches hätte bekanntlich etwa so ausgesehen:
Mein Vorschlag in 3-D wäre sowohl winkel- als auch längentreu, als auch ohne weiteres mit antiken Mitteln technisch umsetzbar.
Für Uneingeweihte nutzlos erscheinende Gegenstände aus wertvoller recycelbarer Bronze hatten schlechte Chancen die Jahrtausende zu überdauern — wenn sie nicht etwa vor Antikythera im Meer versanken. Man hat ja auch noch keine Dioptra gefunden, obwohl diese beschrieben wird.
jetzt wird es tricky!
Du hast eine maximale Abweichung von 1.5% angenommen, um Die Dreiecke zu bestimmen.
Wenn die Abweichungen der benutzten die Projektion in diese Größenordnung kommt, musst Du Deine Annahmen noch mal noch mal überdenken.
Letztlich bist Du mit Deiner Triangulation in Größenordnungen vorgestoßen, in denen Du die Abweichungen nicht mehr ignorieren kannst!
Die Merkatorprojektion sorgt dafür, dass Strecken in eine Richtung als Gerade dargestellt werden können. Sie ist also für die Seefahrt optimiert. Da die Römer im wesentlichen an der Küste schipperten, wäre das schon mal nicht ihre Wahl gewesen!
Hier eine einfache Übersicht: Weltkartenprojektionen
Du musst dich einmal von den Projektionen trennen, die für die eigentliche Sache keinerlei Rolle spielen — davon abgesehen, dass die Mercatorprojektion dank ihrer Winkeltreue nicht nur zum Navigieren nützlich ist, sondern für uns vor allem deshalb, weil man rechte Winkel als solche erkennen kann.
Falls Du den sphärischen Exzess meinst, also das, was bei sphärischen Dreiecken in der Winkelsumme über 180° geht, so ist dieser selbst bei Distanzen von mehreren hundert Kilometern sehr gering. So hat etwa ein (erd-)sphärisches pythagoreisches Tripel von 500 * 400 * 300 km einen größten Winkel von 90.03° — der sphärische Exzess ist also in unserem Zusammenhang noch zu vernachlässigen. (Bei verdoppelten Distanzen sind es 90.11° und bei zehnfach weiteren Distanzen 93°.)
Und deshalb erscheinen sehr weite Großkreissegmente auf Mercatorprojektionen meist als gebogene Linien. Mit Ausnahme des Äquators und der Nord-Süd verlaufenden Längengrade ändern schließlich alle Großkreise kontinuierlich ihre Richtung.
So lange wir keine originale römische Karte kennen, ist es müßig, darüber zu spekulieren. An meinen Ergebnissen aus der realen Welt ändert es ebenso wenig, wie diese wohl bei der Klärung dieser Frage helfen können.
Und da man wie gezeigt das ganze Römische Reich globusartig auf einer Kalotte ähnlich einem griechischen Rundschild unterbringen konnte, ganz ohne sich um Projektionen Gedanken machen zu müssen, sehe ich die Notwendigkeit auch nicht.
Nebenbei: die ‘rechten’ Winkel in der letzten Karte mit dem Fast-Quadrat liegen, korrekt sphärisch berechnet, alle zwischen 89.5° und 90.8°.
(In Brixen ist die römische Präsenz nicht gesichert, aber doch sehr wahrscheinlich.)
Ansonsten würde ich sagen, “Sitzt, passt und hat Luft!”.
Der dreifache Kreuzungspunkt im Hunsrück liegt übrigens in Kappel.
Kappel wird erstmals 1091 in einer Urkunde des Kaisers Heinrich IV. erwähnt, in der er Besitzungen im Hunsrück an das Hochstift Speyer schenkt. Name, Lage und archäologische (römische) Funde in und um Kappel lassen den Ort aber als viel älter annehmen, wenn auch eine Siedlungskontinuität nicht nachzuweisen ist.
Hm…
Bisher sah das Bild mit dem Quadrat recht schön und überzeugend nach einer Planung aus.
Aber je mehr dazu schiefe Punkte und Dreiecke dazukommen, desto weniger geplant sieht es für mich aus sondern zufälliger.
Was soll sich ein römischer Vermesser dabei gedacht haben, einen Kreuzungspunkt im Hunsrück zu wählen und von dort aus alles vom Mittelmeer zur Nordsee genau so durchzuplanen wie Du es auf dem Bild findest?
Insbesondere da ja römische Siedlungen oft quadratisch angeleget wurden, Kastelle ein Rechteck mit Cardo und Decumanus sind und Strassen oft lange Stecken schnurgerade verlaufen. Daher würde ich bei einer Planung eher ein echtes Gitternetz erwarten statt ein zunehmendes “Durcheinander”.
So wie im früheren Bild die Linien Angeres - Wangen und Antwerpen - Orange (wo liegt da eigentlich der Kreuzungspunkt?).
Der “Interessant”-Faktor für dieses Bild wäre: 13 Linien und 6 rechte Winkel bei 14 Punkten bei möglichen 91 (1413/2) Verbindungslinien und 364 (1413*12/2) möglichen Dreiecken. Das wäre Faktor 0,14 bzw. 0,038. Nicht besonders hoch, da gab es schon bessere.
Wenn ich mich nicht verzählt habe (oder “interessant” und “nicht interessant” verwechselt). Weshalb es besser wäre wenn Du ihn selbst ausrechnest und bei jedem neuen Bild mit angibst.
Und das Beispiel mit Brixen ist m.E. eher kontraproduktiv. Das wäre ja eine Vorhersage aus Deinen Analysen auf einen bisher unbekannten Ort gemäß dem entdeckten Vermessungsschema. Hier sagst Du aber, es wäre nicht gesichert aber doch sehr wahrscheinlich.
Wenn ich dieses Argument noch ein kleines bisschen auf die Spitze treibe, dann gilt: für jeden beliebigen Punkt in halb Mitteleuropa ist die römische Präsenz nicht gesichert aber doch sehr wahrscheinlich…
Oder nochmal anders betrachtet ist das alles eine Frage der Siedlungsdichte. Bei sagen wir 5 Siedlungen in Europa ist das alles überraschend, wenn man genau dann “interessante” Entfernungen und Winkel findet. Je mehr Siedlungen es aber gab, desto weniger… Bei dichtester Besiedlung findet man immer etwas.
Damit sind wir wieder bei der Frage der Statistik und Wahrscheinlichkeit…
[Edit] Nebenbei lässt sich das 4°-Großkreissegment Olfen–Augsburg zwanglos bis zum Forum des viel älteren Aquileia (Aquileia) verlängern, das hier allerdings ansonsten unauffällig ist [aber zu Augustus’ Zeiten wie Cimiez (Cemelenum) einer der wichtigsten römischen Marinestützpunkte war].