Lyditartefakt Steinzeit

Liebe Steinfreunde,

diesen patinierten Lyditartefakt (bestätigt durch BLfD) habe ich von einem Acker in Oberfranken aufgelesen. Auf diesem habe ich schon verschiedene Artefakte aus unterschiedlichen Steinzeitepochen gefunden. Meines Erachtens könnte dies ein Restkern oder ein Großgerät (Kernbeil) aus dem Mesolithikum sein. Terminal ist der Lyditbrocken so retuschiert, das hier eine keilförmige Kante entstanden ist.
Wäre über Einschätzungen aus dem Forum dankbar.





Moin,

Radiolarit / Lydit (Kieselschiefer) kann ich auch bestätigen.

@ servantes123,

Du schreibst “Lyditartefakt (bestätigt durch BLfD)”, was haben die denn zum “Artefakt” gesagt?

Gruß

Jürgen

Hi Jürgen, es gab keine Festlegung hinsichtlich einer Zeitepoche und auch nicht zur Verwendungsform bzw. Gerätefunktion. Anfangs vermutete ich sogar es wäre vielleicht eine Art Schaber aus der Altsteinzeit. Das konnte aber nicht bestätigt werden, ausgeschlossen wurde es aber auch nicht. Nachdem ich schon eine Zeit lang damit beschäftigt habe, auch in Abgleich mit Abgaben in einschlägiger Literatur (z.B. „Flinthandwerk“, 2021) geht meine Tendenz zu Kernbeil.
Beste Grüße Servantes

Moin Servantes,

Kernbeile finden sich im nordwest- und nordeuropäischen Mesolithikum. Sie fehlen südlich der Rhein-Weser-Wasserscheide fast ganz (Quelle Lutz Fiedler [Altsteinzeitexperte]).
Allgemein und insbesondere werden Kernbeile auch von Joachim Hahn *) und Stefan Wenzel **) ins Mesolithikum gestellt.

*) Artefaktmorphologie
**) Steinartefakte vom Altpaläolithikum bis in die Neuzeit, Harald Floss

Auch Wiki weiß das: “In Mitteleuropa treten Beile und Dechsel zuerst während der Mittelsteinzeit auf. Aus dieser Zeit sind ungeschliffene Feuersteinbeile erhalten (Kernbeile und Scheibenbeile)…”

Ich erkenne keine Merkmale einer intentionellen Zurichtung, demgemäß halte ich es für ein Geröll.

Gruß

Jürgen

PS
Schreibt Wulf Hein denn Kernbeile in die Altsteinzeit?

Besten Dank für deine eingehenden Ausführungen, Jürgen. Was den Verbreitungsgrad von Keilbeile anlangt, gibt es mittlerweile regional gesehen weiter gefasste Sichtweisen, als die vom ehrenwerten Lutz Fliedler, also ein Vorrkommen südlicher der Feuersteinlinien (s. Link https://www.researchgate.net/publication/352643133_Mesolithische_Grossgerate_Feuersteinlinie_und_der_Se-Sa-Rhe-Traditionsraum_Mesolithic_macro-tools_flint-line_and_the_Se-Sa-Rhe-tradition_area.
Auch das Museum Kassel präsentiert im Internet ein aufgefundenes Keilbeil.

…Aber wie schon gesagt, ist es schwierig, sich auf eine Funktion bzw. den Charakter dieses Artefaktes festzulegen.
Andererseits steht außer Frage für auch fachkundige Archäologen, welche sich diesen Stein angeschaut haben, die vorliegenden Bearbeitungsmerkmale/Retuschen an dem Objekt. Basal befindet sich auch erkennbar Schlagflächenrest, Bulbus und Schlagnarbe. Aber wie du immer auch selbst anmerkst, ist nicht immer ohne weiteres dies am Foto zuverlässig erkennbar, heißt dies ist wohl kein Geröll sondern eher ein Artefakt. Beste Grüße Servantes.

P.S. …von Kernbeil aus der Altsteinzeit ist doch nicht die Rede

…noch ergänzend zu deinem Hinweis, Jürgen, bezugnehmend zum Buch „Steinartefakte“, Floss, 2013. Hier findet sich bei M. Martin S.538 - Grundformproduktion und -Verwendung im frühen Mesolithikum Mitteleuropas - eine Abbildungen frühmesolthischer Kerne aus Süddeutschland. Insbesondere die Nr. 1 weißt in der Oberflächenstruktur verblüffende Ähnlichkeiten mit meinem Fund auf. Wie schon gesagt, es könnte ja auch ein frühmesolithischer (Rest)Kern sein….

Moin,

Du selbst hattest die Altsteinzeit ins Spiel gebracht.

Bitte achte auf die korrekten Begriffe “Kernbeil” nicht “Keilbeil”.

Der von Dir erwähnte Kern (M. Heinen, Seite 538) bzw. dessen Abbau der Abschläge und Klingen hat keinerlei Ähnlichkeit mit Deinem Fund.
An diesem kann man die zielgerichteten Abbaubahnen erkennen.

Gerne weise ich an dieser Stelle noch einmal darauf hin, dass die meisten Merkmale, die durch Schlag oder Druck auftreten, sowohl mit Absicht vom Menschen als auch durch natürliche Prozesse ähnlich entstehen können.

Einzelfunde ohne den Kontext klarer Artefakte sind daher äußerst schwierig zu bestimmen. Im Zweifelsfalle lässt man so etwas erst einmal beiseite. Kommen später Beifunde, oder können Fachleute solche kritischen Funde in Augenschein nehmen, kann der Fund neu betrachtet werden.

Wie erfolgte denn die Expertise der von Dir erwähnten fachkundige Archäologen, per Fotos oder durch Inaugenscheinnahme?

Gruß

Jürgen

Hi, wiederum Danke für deine Einschätzung! Altsteinzeit von mir, nur hinsichtlich ursprünglichen Verdacht auf Schaber!. Diese Unterscheidung war klar von mir ausgedrückt. Sorry, dass ich mich gestern Abend mal verschrieben hatte. Sollte selbstverständlich Kernbeil heißen.
Das mit der Ähnlichkeit sehe ich anders . Auch an meinem Kern kann man u.a. zahlreiche wohl „Abbaubahnen“ erkennen.
Die allgemeinen Schwierigkeiten Geofakte von Artefakte zu unterscheiden kenne ich, gerade wenn es um ältere Steinzeitepochen geht.
Dies ist auch kein Einzelfund, wie es schon vorangegangen von mir angeschnitten wurde.
Eben weil es kein eindeutiger Fall ist - deshalb habe ich ihn auch in dieses Forum gestellt -, hatte ich diesen Fund erst mal eine Zeit lang zu Seite gelegt und auch in unterschiedlichen Zeitabständen von unterschiedlichen Archäologen mit anderen Funden von diesem Fundplatz einschätzen lassen.
Die Beurteilung fanden jeweils in Augenscheinname statt.
Ich sehe schon, dass ich mich mit diesem Objekt noch eine Zeit lang noch beschäftigen werde :wink:
Gruß Servantes

Moin,

dann wäre es hilfreich, wenn Du uns die anderen Funde / Beifunde zeigst, die klare Artefakte sind.

Gerade, weil wir lediglich Fotos sehen, wären eindeutige Artefakte nützlich, um einen Eindruck des Fundgebietes bzw. dessen Inventars zu bekommen.

Gruß

Jürgen

Hi, kann ich gerne machen, aber halt nur eine Auslese von dem Inventar dieses Funplatzes. Die Bilder nehme ich aus dem Archiv und sind sicherlich nicht optimal. Aber vielleicht hilft es bei deiner Einschätzung etwas weiter. Aber auch hier gilt sicherlich, dass eine Einschätzung allein über das Bildmaterial nur bedingt möglich. Gruß Servantes










Moin,

das ist grundsätzlich ein Problem.

Leider wird es dadurch verstärkt, weil die Fotos in kunterbunter Reihenfolge gezeigt werden und wichtige Ansichten fehlen.

Hierzu muss man sich Grundwissen aneignen.

Meine Grundlage beim Zeichnen ist Stephan Veil “Hinweise zum Zeichnen von Steinartefakten”.
Er beschreibt die Orientierung und die Reihenfolge der Ansichten.

Nach den Richtlinien von Stephan Veil, Lutz Fiedler, Andreas Kinne et al. richten sich auch die Landesämter und teils auch unsere europäischen Nachbarn.

Diese “Hinweise zum Zeichnen von Steinartefakten” sind 1:1 für die fotografische Dokumentation zu übernehmen - das erhöht maßgeblich das Erkennen und Bestimmen von Artefakten.

Gruß

Jürgen

Im Anhang drei Seiten aus meinen “Notizen”, vielleicht hilft es…

Besten Dank, Jürgen. So wäre das sicherlich optimal hinsichtlich der bildlichen Darstellung. Bei speziellen Funden (z.B. Keilmesser), von denen auch noch Einiges an anderen Fundplätzen bei uns aufgelesen habe, werde ich mir das mal bei Gelegenheit aneignen. Was die hier aufgezeigten Funde anlangt, wurden die schon allesamt u.a. vom BLfD gesichtet und als Artefakte eingestuft. Halt bei dem ersten dargestellten Fund scheiden sich die Geister, was den speziellen artefaktischen Charakter des Objektes anlangt. Gruß Servantes.

Hallo Jürgen,
tolle “Notizen” :wink:
Hast du super dargestellt.

Viele Grüße
Oli

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Moin,

und Danke Oli.

Gruß

Jürgen